Faymann zu Gast in Straßburg

Wenn diese Woche der Österreichische Bundeskanzler Werner Faymann im EU-Parlament spricht, dann redet einer, der in seiner Funktion zu einem engagierten Europäer geworden ist. Und vielleicht ist dieses „learning by doing“ besonders beeindruckend und nachhaltig. Es kommt von der praktischen Überzeugung, dass die Krise nicht mehr national, sondern nur europäisch zu lösen ist.

Österreich befindet sich dabei in einer ganz besonderen Lage, im Zentrum Europas. Am Schnittpunkt zwischen Ost und West, sowie Nord und Süd. Daraus ergibt sich auch eine besondere Verantwortung. Denn die wachsende Spaltung zwischen Nord und Süd ist extrem bedenklich. Die Zahlen über die durchschnittliche Arbeitslosigkeit sagen nämlich wenig über die tatsächliche Arbeitslosigkeit aus.

Entscheidend ist das gefährliche Auseinanderklaffen zwischen der extrem steigenden Arbeitslosigkeit im Süden und der geringen und zum Teil sinkenden Arbeitslosigkeit im Norden, wobei Österreich zum Norden gehört.

Aber auch hinsichtlich der Armut gibt es enorme Differenzen zwischen einzelnen Mitgliedsländern. Hier kommt aber zur Nord – Süd Spaltung noch eine Ost – West Spaltung hinzu. Wir sollten uns diese „vergessene Krise“ immer wieder in Erinnerung rufen. Denn auch diese Spaltung gefährdet die europäische Einheit. Österreich ist auf Grund seiner geografischen Lage besonders berufen sich für die Überwindung dieser Spaltung einzusetzen.

In diesem Zusammenhang finde ich es besonders erfreulich, dass sich der österreichische Bundeskanzler schon seit langen für eine deutliche Reduzierung der unerträglichen Zinsspanne in Europa einsetzt. Sein prinzipielles Bekenntnis zu Eurobonds und seine konkrete Unterstützung für den Vorschlag des deutschen Sachverständigenrats nach einem Schuldentilgungsfonds werden von der Mehrheit im Europäischen Parlament voll unterstützt.

Österreich hat aber noch eine andere Aufgabe. Es ist nämlich bisher relativ gut aus der Krise gekommen. Und das ist weder Zufall noch reines Glück. Dabei ist Österreich keineswegs eine „Insel der Seligen“ wie es einmal ein Papst ausdrückte. Aber es hat sich eine Politik des wirtschaftlichen und sozialen Ausgleichs zu Eigen gemacht. Vieles was heute – nicht zuletzt von den Troikas – in Frage gestellt wird funktioniert in Österreich und hat zu einem bemerkenswerten wirtschaftlichen Erfolg beigetragen.

Das beginnt von den Institutionen der Sozialpartnerschaft, die sich immer wieder zu Reformen mit Rücksicht auf soziale Interessen einigen konnten. (In diesem Zusammenhang ist auch die jüngste Sozialpartnerschafts – Einigung in Frankreich, die von Präsident Hollande angeregt wurde, interessant.)

Es ist immer wieder wichtig zu betonen: Wenn man die Gewerkschaften in die Verantwortung mit einbezieht, dann werden sie auch verantwortungsvoll handeln.

Die jüngsten maßvollen Sparpakete, die Maßnahmen auf der Ausgaben- und (!) der Einnahmenseite beinhalteten sind ebenfalls positive Beispiele, wie man sozial ausgewogen vorgehen kann.

Besonders bemerkenswert ist aber der gezielte Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, insbesondere gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Hier ist Österreich mit seiner Jugendgarantie zum Vorbild in Europa geworden.

Österreich praktiziert vielfach ein Gegenprogramm zu den neoliberalen Vorschlägen heutiger orthodoxer Ökonomen, wie sie leider auch in der Kommission und vor allem in die Empfehlungen der Troikas Eingang gefunden haben.

Wo allerdings Österreich noch nicht zum Vorbild geworden ist, ist sein Beitrag zum Kampf gegen die Steuerhinterziehung. Leider wehrt sich Österreich, gemeinsam mit Luxemburg, noch immer gegen ein gemeinsames europäisches Vorgehen und gegen ein Europäisches Abkommen mit der Schweiz. Ich würde mir wünschen, dass Österreich auch diesbezüglich ein vorbildhafter Europäer werden würde.

Die Erfolge der österreichischen Wirtschafts- und Sozialpolitik werden heute auf europäischer Ebene oft stärker anerkannt als in Österreich selbst. Extreme Rechte Populisten – wobei sich der Begriff „extrem“ auf beides bezieht, auf den Populismus und auf die rechte Einstellung- gaukeln den Menschen vor, es gäbe einfache, nationale Lösungen gegen die Krise.

Werner Faymann hat sich sein ganzes politisches Leben gegen die rechten Populisten gewehrt und sich gegen jede Koalition mit ihnen ausgesprochen. Ich würde mir wünschen andere in Österreich und Europa hätten eine ähnlich klare Haltung. Mit diesen Leuten ist kein gemeinsamer Staat zu machen und schon gar kein gemeinsames Europa.