In den USA I

DSCN6590

Washington

In den letzten Tagen ist in der EU einiges weitergangen. Unter anderem gab es eine Einigung über die Konstruktion eines Auswärtigen Dienstes der EU, der der Hohen Beauftragten, also der „EU Außenministerin“, unterstehen wird. Damit ist eine weitere Voraussetzung geschaffen, dass die EU geschlossen und effektiv auftritt. Auch gegenüber den USA oder, wo immer es geht, mit den USA. Anderseits dürfte die letzte Hürde genommen worden sein, um das Swift-Abkommen mit den USA über die Übertragung von Bankdaten zur Terrorismusbekämpfung abzuschließen. Für uns war die Kontrolle und Überwachung der Datenselektion durch die Amerikaner besonders wichtig. Das soll jetzt durch Europol geschehen.
Beide Vereinbarungen, die erste zwischen Rat, Kommission und Parlament und die zweite zwischen der EU und den USA, müssen noch durch das Parlament. Aber wenn dessen Zustimmung gegeben ist, sind damit wesentliche Schritte für eine Neugestaltung des Verhältnisses zwischen den USA und Europa getan.

Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe

Angesichts des wirtschaftlichen und politischen Bedeutungsverlustes sowohl von Amerika als auch von Europa wäre es auch angebracht, dass die beiden westlichen Länder bzw. Regionen zusammenarbeiten. Allerdings nur auf gleicher Augenhöhe. Europa darf nicht der leicht zu beherrschende Juniorpartner sein. Angesichts unserer derzeitigen wirtschaftlichen Probleme ist es ohnedies schwierig, als gleichwertiger und gleichgewichtiger Partner anerkannt zu werden.
Dabei sind es gar nicht nur China und Indien, die uns die Grenzen unserer Macht zeigen. Auch die Türkei und Brasilien haben durch ihr Sonderabkommen mit dem Iran und ihre Gegenstimmen im Sicherheitsrat der UNO hinsichtlich der Sanktionen gegen den Iran eine zuvor nicht für möglich gehaltene Eigenständigkeit gezeigt. Das war vor allem für die Amerikaner schmerzlich.

Keine gute Ausgangsbasis

Der Nachweis der globalen Grenzen der Macht kommt in den USA zu den deutlich bemerkbaren inneren Grenzen hinzu. Für Obama ist es jetzt schon schwierig, manche Gesetzesvorlagen im Kongress durchzubringen. Wie wird das erst nach den Kongresswahlen im Herbst sein? Auch die Ölkatastrophe wird gegen Obama gewendet.
Auf der anderen Seite ist Europa jenseits der oben genannten Beschlüsse ebenfalls in keiner glücklichen Lage. Wirtschaftlich fallen wir deutlich zurück. Und die sicher im Kern notwendigen Anpassungen unserer Haushalte und Defizite werden von keiner Wachstumsstrategie begleitet. Europa handelt nicht als Einheit. Vielmehr versucht jeder Mitgliedsstaat, die spekulativen Kräfte auf den Märkten zu beruhigen. Selbst das jüngste Rettungspaket ist durch den Widerstand der neuen slowakischen Parlamentsmehrheit gefährdet.

Fehlende Dynamik

Manche sprechen auch von einer midlife crises, in der sich Europa befindet. Und dem kann ich einiges abgewinnen. Ich kann keine wirkliche Dynamik in Europa sehen, die uns aus der Krise hinausführt und darüber hinaus auch die langfristigen strukturellen Herausforderungen durch die Schwellenländer aufgreift und zu beantworten sucht. Sicher hilft uns kurzfristig die Schwäche des Euro bei den Exporten, aber das ist auch keine Grundlage für strukturelle Veränderungen.
Im Gegenteil, die Euroabwertung mag uns über die Notwendigkeiten von Reformen hinwegtäuschen. Wichtig sind mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung und auch in die übrige Infrastruktur. Diese sollten durch neue Steuern auf die Finanztransaktionen oder Vermögen und auch durch europaweite Anleihen finanziert werden. Letztendlich wäre es von Vorteil, würde die EU gemeinsam mit den USA ein solches Konjunkturbelebungs- und Modernisierungsprogramm entwerfen und umsetzen. Die Forderung von Obama, auf eine vorzeitige „Exitstrategie“ aus der Krise und auf die vorgesehenen Sparmaßnahmen zu verzichten, sollte genau durch den Vorschlag eines solchen gemeinsamen Programms seitens der EU beantwortet werden. Wir brauchen also mehr Europa und mehr transatlantische Zusammenarbeit, um aus der Krise herauszukommen.

Trilaterale Zusammenarbeit

Vor diesem Hintergrund bin ich wieder einmal unterwegs in die USA, konkret nach Washington. Allerdings werden wahrscheinlich die politischen Fragen eine größere Rolle spielen als die wirtschaftlichen. Denn zum ersten Mal werden wir versuchen, gemeinsam mit Kollegen aus der russischen Duma und Mitgliedern des Kongresses und vor allem mit amerikanischen Think Tanks Probleme und Möglichkeiten der trilateralen Zusammenarbeit auch auf parlamentarischer Ebene diskutieren.

Washington, 22.6.2010