Neues im Norden und im Süden

Wahlkampfveranstaltung in MaltaIn den letzten Wochen war ich für Vorträge und sozialdemokratische Veranstaltungen bzw. Gesprächen mit sozialdemokratischen PolitkerInnen in sehr unterschiedlichen und weit voneinander liegenden Regionen der EU. Ich war im Norden in Helsinki aber auch außerhalb der EU in der isländischen Hauptstadt Reykjavik. Island überlegt der EU beizutreten. Im Mittelmeerraum besuchte ich Zypern, Malta und Süditalien und hier vor allem Neapel an der Westküste und Lecce an der Ostküste Italiens.

Ist ein wirklich gemeinsames Europa, das von Zypern nach Island und von Finnland nach Malta reicht überhaupt denkbar und herstellbar? Nun, jeder der/jede die diese Länder auch nur kurz bereist, wie ich dies berufsbedingt mache, wird die verschiedenen Auffassungen von und die unterschiedlichen Erwartungen an Europa klar erkennen. Dabei wäre es falsch anzunehmen, dass der „Süden“ nur nehmen möchte und der „Norden“ nichts hergeben will.

Aber man hört schon etliche nördliche Stimmen, die darauf hinweisen, dass man sich immer wieder selbst aus Krisen und Verschuldung herausgearbeitet hat und die Schulden selbst ohne Unterstützung zurückgezahlt hat. Und manche im Süden pochen allzu schnell und leicht auf die -finanzielle- Solidarität des Nordens.

Aber man darf nicht vergessen, dass zumindest der Westen und Norden nach dem Zweiten Weltkrieg einen ungeheuren Startvorteil gegenüber dem Osten hatte. Und der Süden hat eine lange Geschichte von Armut, Korruption und Besetzung erlitten und leidet an den Folgewirkungen davon zum Teil auch noch heute.

Aber entscheidend ist doch vielmehr, wie wir heute diese realen und geistigen Trennungen überwinden können und ein gemeinsames Europa zum Vorteil aller aufbauen können. Ein Europa, das auch in globalen wirtschaftlichen Auseinandersetzungen bestehen kann. Dabei werden auch neue Entwicklungen und neue Voraussetzungen schaffen.

So werden wir sowohl im Norden als auch im Süden neue Energiequellen vor allem hinsichtlich Gas aufspüren können. Soweit es sich um Schiefergasvorkommen handelt sollte man allerdings größte Vorsicht walten lassen, viele ökologische Fragen sind noch nicht geklärt. Interessanter ist das Konzept Islands die Energiegewinnung aus den heißen Quellen zu verstärken, und einen Teil dieser Energie zu exportieren.

Was den Norden betrifft gibt es aber auch einen zweifelhaften Fortschritt. So führt eine ökologisch gefährliche Entwicklung, die Erderwärmung, zu einer stärkeren Eisschmelze und damit zu neuen Schiffsrouten durch die Arktis zwischen Asien und Europa. Ökologisch ist diese Entwicklung sehr bedauerlich, aber de facto bereitet sie neue Entwicklungen vor. Und so haben die Anrainerstaaten, so auch Finnland und Dänemark, jüngst beschlossen im Rahmen des Arktischen Rates ein ständiges Sekretariat zu installieren.

Aber wie gesagt auch im Süden gibt es Veränderungen, so beginnt Zypern Gas aus dem Meer zu fördern, bzw. hat es Förderrechte vergeben. Das hilft dem Land auch, jedenfalls mittelfristig seine Wirtschaft neue zu strukturieren und die einseitige und gefährliche Abhängigkeit vom aufgeblähten Bankensektor zu verringern.

Also sowohl im Norden als auch im Süden gibt es Veränderungen und Bewegungen. Dabei sind hoffentlich die unterschiedlichen Charakteristika der einzelnen Länder und Regionen stabil genug, um nicht geopfert zu werden. Weder sollte sich das Klima annähern, noch sollten kulturelle Unterschiede verschwinden. In keinem Fall sollte die hoffentlich positive wirtschaftliche Entwicklung eine Nivellierung dieser Unterschiede mit sich bringen. Denn gerade die Diversität von Landschaften, Städten und Kulturen macht den Reiz Europas aus.

Was wir aber erreichen sollten, ist eine Verringerung der Einkommens- und Vermögensunterschiede innerhalb der einzelnen Staaten und zwischen den Regionen in West und Ost sowie zwischen Nord und Süd auf Grund einer möglichst ausgeglichenen wirtschaftlichen Entwicklung. Das ist mit dem Begriff des sozialen Europa zu verstehen.

In Malta führt die Labour Party einen Wahlkampf unter dem Slogan „Malta taghna ilkoll“ also „Malta für alle“. Und in Italien führen die Demokraten der Linken den Wahlkampf unter dem Slogan „Italia giusta“ also „Gerechtes Italien“. In beiden Fällen geht es um Fairness, Gerechtigkeit und Teilhabe von allen. Wobei ich in meinen Reden in Italien und Malta die jeweiligen Slogans auf Europa übertrug.

Wenn wir die neuen wirtschaftlichen Chancen im Norden und Süden sehen und wenn wir uns auf die gemeinsamen Ziele von sozialer Gerechtigkeit und Fairness einigen könnten, dann könnten wir auch manche gegenseitige Vorurteile überwinden. Wir müssten uns „nur“ auf die Zukunft konzentrieren und nicht immer die Vergangenheit zu politischen, nationalistischen Argumentationen heranziehen. Der Norden und der Süden Europas liegen weit auseinander, aber sie könnten durchaus gemeinsame Strategien entwickeln und gemeinsame Ziele verfolgen. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen Ost und West.