Pressekonferenz zu Griechenland: Wo bleibt das Wachstum, wo bleibt die Hoffnung für die Betroffenen?

Swoboda 08Sowohl die konkreten Pakete zur Lösung der Griechenlandverschuldung als auch die Konzepte zur Europäischen Wirtschaftsregierung müssen Antworten auf vier zentrale, zusammenhängende Fragen geben.


Erstens müssen sie die Finanzmärkte beruhigen, ohne dass wir uns total von ihnen abhängig machen.
Zweitens müssen die Maßnahmen die betroffenen Länder, vor allem Griechenland, befähigen, ihre Reform- und Sparpolitik auch erfolgreich umsetzen zu können.


Drittens müssen auch Bedingungen für Wachstum und Investitionen geschaffen werden.
Viertens müssen auch die Menschen in den „Geberländern“ von der Sinnhaftigkeit der Strategien überzeugt werden.

1) Die Diskussion um die Alternativen zur Lösung der Schuldenkrise in Griechenland ist voll im Gange. Fest steht, dass die bisherigen kurzfristigen Finanzpakete zwar Atempausen verschafft haben, aber keine dauerhafte und langfristige Lösung ermöglichen. Ohne neue Initiativen kann sich Griechenland aber nicht erholen und bleibt damit ein Risiko auch für die gesunde Entwicklung in den anderen Ländern der Eurozone.


Griechenland braucht finanzielle Mittel, die langfristiger zur Verfügung stehen und zu Zinssätzen, die eine wirtschaftliche Erholung erlauben. Und das betrifft sowohl die privaten als auch die von europäischen Institutionen zur Verfügung gestellten Mittel. Sowohl Maßnahmen analog der „Wiener Initiative“ als auch analog zum „Brady Plan“ sind dabei ins Auge zu fassen. In allen Fällen sind die privaten Anleger mit zu beteiligen. Man darf sich nicht nur von den von den USA dominierten Rating-Agenturen und deren Beurteilungen abhängig machen. Es ist höchste Zeit – europäische – Ratingagenturen zu schaffen, die rationeller handeln und bewerten.

2) Im ersten Fall geht es – analog zur „Wiener Initiative“ hinsichtlich des Osteuropaengagements westeuropäischer Banken – um die Zusage der Banken, ihr Engagement in Griechenland aufrecht zu halten. Im Falle der Lösung nach dem Vorbild der Brady-Bonds geht es um den Eintausch von privaten Schuldenpapieren gegen Triple A-Papiere des Europäischen Unterstützungsfonds (EFSF) – natürlich unter Abschlägen. In beiden Fällen geht es darum, Griechenland Bedingungen zu verschaffen, die den Strukturreformen auch Zeit und Möglichkeit geben, zu einem Erfolg zu kommen.

3) In allen Fällen jedoch ist ein Druck auf die Reformen notwendig. Aber damit sie Erfolg haben können, muss auch ein Wachstumspfad absehbar sein. Nur mit einem, wenngleich nur langsam erreichbaren, Wirtschaftswachstum kann Griechenland aus der derzeitigen Schuldenfalle herauskommen. Und der Druck auf Reformen ist ja nicht nur im Falle Griechenlands notwendig, sondern muss generell im Rahmen der zukünftigen europäischen Wirtschaftsregierung möglich sein. Aber es kann nie nur um restriktive Maßnahmen gehen, sondern es geht auch um Wachstum und Investitionen sowie um soziale Gerechtigkeit.


Das ist derzeit auch ein Streitpunkt bei den Verhandlungen zwischen EU-Parlament und Rat hinsichtlich der „Economic Governance“. Insbesondere die Sozialdemokraten drängen auf ein ausgewogenes Konzept der „Europäischen Wirtschaftsregierung“, in dem auch eine aktive Wachstumspolitik und Investitionen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze enthalten sind. Ohne eine solch umfassende und auch auf die Interessen der ArbeitnehmerInnen und der sozial Schwächeren Rücksicht nehmende Wirtschaftspolitik ist eine Zustimmung der S&D-Fraktion nicht denkbar.

4 )Ohne zumindest mehrheitliche Zustimmung zu den Hilfsmaßnahmen für Griechenland und andere Länder kommt es in der EU zu einer Zerreißprobe. Überzeugen können die Maßnahmenpakete nur, wenn sie zuerst als unausweichlich und alternativlos dargestellt werden, um sich nach einigen Monaten als unzureichend und überholungsbedürftig zu erweisen. Nur langfristig orientierte und auch für die Geberländer nachweislich als vorteilhaft ausgewiesene Konzepte können die BürgerInnen in diesen Ländern auch überzeugen. Die derzeitigen Zinsgewinne für die Geberländer und deren Kreditinstitute allein reichen nicht aus, um die Ängste vor dem Verlust des eingesetzten Kapitals zu verscheuchen. Es müssen vertrauenswürdige Konstruktionen gefunden werden, die eine hohe Wahrscheinlichkeit der Kreditrückzahlungen nahelegen.


Darüber hinaus sind funktionsfähige Mechanismen einer wirtschaftspolitischen Kooperation in Europa zu installieren, die einen zweiten Fall Griechenland oder ähnliche Entwicklungen verhindern. Aber die Wirtschaftspolitik muss neben der Budgetkonsolidierung auch eine realistische Wachstumsstrategie enthalten. Auch dafür sind die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Dazu zählt nicht zuletzt der gezielte Einsatz des EU-Budgets zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der weniger entwickelten Regionen.

MEP Dr. Hannes Swoboda ist Vizepräsident der S&D-Fraktion im Europäischen Parlament