Sozialdemokraten fordern Neuverhandlung des Griechenland-Memorandums in einem offenen Brief an Kommissionspräsident Barroso

Hannes-lächelndNach der Bildung einer neuen Regierung in Griechenland hat die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament einen offenen Brief an den Präsidenten der EU-Kommission José Manuel Barroso geschickt und die Kommission aufgefordert, zu diesem kritischen Zeitpunkt eine verantwortungsvolle Haltung gegenüber Griechenland einzunehmen.
Hannes Swoboda, Vorsitzender der S&D Fraktion, sagte im Hinblick auf die Ernennung einer neuen griechischen Regierung:
„Die griechischen Politiker haben mit der Bildung einer Koalitionsregierung, die nun das Land stabilisieren und die notwendigen Reformen durchführen kann, einen bedeutenden Schritt nach vorne gemacht. Wir sind zuversichtlich, dass der PASOK-Vorsitzende Evangelos Venizelos dafür sorgen wird, dass die notwendigen Reformen sozial ausgewogen sind und gleichzeitig die Haushaltsdisziplin beachten.“
Heute schrieb Hannes Swoboda einen Brief an Kommissionspräsident Barroso und forderte darin eine konstruktive Neuverhandlung des Vorvertrags, also des Griechenland-Memorandums:
„Das griechische Volk ist an die Urnen gegangen – inmitten strenger Sparmaßnahmen, auf die der Internationale Währungsfonds und die Eurozone im Gegenzug für finanzielle Unterstützung beharrten, die aber das Land noch tiefer in die Rezession gestürzt und erschreckende soziale Kosten mit sich gebracht haben. Mit ihren Stimmen haben die Griechen gezeigt, dass sie in der Eurozone bleiben wollen und bereit sind, die notwendigen Reformen zu akzeptieren. Das Wahlergebnis hat aber auch gezeigt, wie groß die Unterstützung für eine Überprüfung des Vorvertrags angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen ist, die sogar noch besorgniserregender sind als die Annahmen, auf denen das Memorandum beruhte. Über alle Klassen- und Parteiengrenzen hinweg will und braucht das griechische Volk eine Neuverhandlung einiger der harten Bedingungen für die Rettungskredite, so wie es alle verantwortlichen politischen Parteien in Griechenland fordern.
Die S&D Fraktion ist der Ansicht, dass die politische Führung der Europäischen Union –insbesondere mit Ihnen an der Spitze – die Aufgabe hat, bei der Suche nach einer Vereinbarung mit der neuen griechischen Regierung über ein glaubwürdiges Reformprogramm die Vorreiterrolle zu übernehmen, da politische und wirtschaftliche Reformen absolut notwendig und entscheidend sind. Und in einigen Bereichen wie der wirtschaftlichen Steuerung und dem Steuererhebungssystem müssen die Reformen erheblich beschleunigt werden.
Was wir, Griechenland und Europa, brauchen, ist eine gemeinsam definierte und vereinbarte europäische Strategie für politische und wirtschaftliche Reformen, um das Wachstum und die EU-weite Beschäftigung anzukurbeln und die Modernisierung der europäischen Wirtschaft anzuregen. Um wirksam zu sein, muss die Strategie Sparanstrengungen und Effizienz- und Produktivitätssteigerungen im öffentlichen Bereich beinhalten. Es darf jedoch nicht zugelassen werden, dass die Haushaltskonsolidierung zu einem Zusammenbruch der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage führt. Unter keinen Umständen darf die haushaltspolitische Anpassung nur auf Ausgabenkürzungen beruhen. Es muss positive Wachstumsanreize geben, einschließlich einer Befreiung vom Druck auf die Nachfrage.
Im Rahmen der aktuellen Diskussionen über eine Fiskalunion und der Umsetzung des 6-Packs und des 2-Packs ist ein viel feinfühligeres Herangehen der Kommission an die nationale Steuerpolitik erforderlich. Unsere Fraktion hat durch ihr Abstimmungsverhalten beim 2-Pack unsere Unterstützung für die Haushaltsdisziplin gezeigt. Doch jedes Bestreben nach Haushaltsdisziplin wird scheitern und den Boden für immer größere Probleme für die europäische und globale Wirtschaft bereiten, wenn es nicht mit einer starken Verlagerung zu Wachstum und Beschäftigung bei der Kontrolle der nationalen Haushalts- und makroökonomischen Politiken durch die Kommission einhergeht. Die Europäische Union wird die europäischen Bürger nicht von der Notwendigkeit und Annehmbarkeit einer Fiskalunion überzeugen, wenn sie nicht unter Beweis stellen kann, dass sie in der Lage ist, wieder Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen.“