Swoboda über Camerons EU-Rede: Viel Lärm um Nichts

Nach mehreren Verschiebungen legte der britische Premierminister David Cameron heute seine Vision für die Zukunft der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich dar. Dabei äußerte er seine Hoffnung auf eine „Neuverhandlung“ der Position Großbritanniens innerhalb der EU und kündigte ein anschließendes Referendum über Verbleib oder Austritt aus der EU an. Beides würde erst nach den britischen Parlamentswahlen im Jahr 2015 stattfinden.

Hannes Swoboda, Vorsitzender der S&D Fraktion im Europäischen Parlament, reagierte auf Camerons Rede: „Die tragikomische Rede von David Cameron ist weit hinter allen Erwartungen zurückgeblieben, sei es von rechts oder links, von britischer oder kontinentaleuropäischer Seite. Er hätte weniger Zeit dafür verschwenden sollen, nach Schauplätzen für seine Rede Ausschau zu halten und mehr Zeit darauf verwenden sollen, zu schauen, welche Vorteile die EU-Mitgliedschaft dem Vereinigten Königreich bringt.

Herr Cameron hat heute zu einem absurd frühen Zeitpunkt eine Kampagne für seine Wiederwahl gestartet und dabei versprochen, den Platz Großbritanniens innerhalb der EU in zweieinhalb Jahren neu zu verhandeln und den entsprechenden Beschluss anschließend dem britischen Volk zur Abstimmung vorzulegen. Dabei gibt es doch mit Sicherheit jede Menge Probleme, über die Herr Cameron jetzt gleich entscheiden könnte. Mit dem Startschuss für den Wahlkampf für 2015 ist den britischen Bürgern bei der Suche nach Arbeit oder bezahlbaren Wohnungen wohl kaum geholfen.

Der britische Premierminister irrt sich auch, wenn er glaubt, dass er die europäischen Institutionen und die EU-Staats- und Regierungschefs erpressen kann, um nicht enden wollende individuelle Ausnahmen für Großbritannien gewährt zu bekommen. Wenn Herr Cameron diese Änderungen unterschriebe, fände er in den progressiven Kräften Europas einen Verbündeten. Für einen echten Wandel wird er jedoch mit anderen europäischen Ländern und mit dem Europäischen Parlament und der EU-Kommission zusammenarbeiten müssen. Drohungen und Listen mit einseitigen Forderungen werden nicht dazu beitragen, die Unterstützung der Partner zu erlangen, die er überzeugen muss.

Kontinuierliche Entwicklung ist seit jeher ein zentrales Element der EU, und das Interesse Großbritanniens an Veränderungen in Europa ist zu begrüßen. Auch wir wollen, dass Europa sich weiterentwickelt. Wir glauben, dass Europa eine Union mit mehr Solidarität und sozialer Gleichheit wird, ein Europa, wo die Kluft zwischen Reichen und Armen geschlossen und nicht vergrößert wird.

Ich bedaure, dass Herr Cameron von seiner eigenen Partei in Geiselhaft genommen worden ist. In meinem Brief habe ich ihn gewarnt, dass ständige Zugeständnisse an die nostalgischen Tagträumereien einiger lautstarker Hinterbänkler Großbritannien zu einem unvermeidbaren Verlust von Einfluss und wirtschaftlichem Gewicht verurteilen werden. In Zeiten von Nullwachstum und echten Problemen, die auf nationaler Ebene bewältigt werden müssen, sind Diskussionen über einen EU-Ausstieg mit Sicherheit nicht das, was die britischen Bürgerinnen und Bürger brauchen, verdienen oder wollen. Die ganze politische Energie dafür aufzuwenden, die antieuropäischen Krankheitssymptome einiger lärmender Hinterbänkler zu lindern, und die antieuropäische Paranoia zu füttern, die die Wähler in die Arme der UKIP treibt, erhöht lediglich die Unsicherheit. Das wiederum kann nur der Wirtschaft schaden, sowohl der britischen als auch der europäischen.

Niemand in der Sozialdemokratischen Fraktion möchte einen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Wir schätzen die wichtigen Beiträge, die das Vereinigte Königreich in den vier Jahrzehnten seiner EU-Mitgliedschaft beigesteuert hat, vor allem in Bezug auf die Schaffung des Binnenmarkts. Doch die Vollmitgliedschaft in der EU bringt auch Großbritannien große Vorteile. Die britische Industrie, die Verwaltung, eine große Mehrheit der britischen Jugendlichen und viele führende konservative Politiker versuchen, diese Tatsache in David Camerons Denkweise einzuflößen.“