„Vergangenheit statt Zukunft“ in Mazedonien

Die mazedonische Hauptstadt Skopje hat sich sehr gewandelt. Aber man kann kaum davon reden, dass Skopje moderner geworden ist. Neben nach wie vor sehr ärmlichen Vierteln und Gebäuden haben sich neo-klassische Gebäude griechischen Stils und eine Unmenge von Statuen breit gemacht. Im Mittelpunkt dieser Verwandlung stehen überlebensgroße Standbilder von Alexander dem Großen. Mit dieser „Alexandrisierung“ der Hauptstadt ,beginnend vom Flughafen über die Autobahn bis ins Zentrum, möchte die herrschende konservative Partei den Namensstreit mit  Griechenland gewinnen.

Nach wie vor weigert sich Griechenland den Namen Mazedonien anzuerkennen und nach wie vor ist Mazedonien nicht bereit einen Kompromiss einzugehen und dem Namen Mazedonien ein Ober- oder Nord- voranzustellen. Lieber versucht man durch extrem kitschige Bauten und Statuen, die das Zentrum ausfüllen, die historische Bedeutung des Landes zu belegen. Vergangenheit statt Zukunft ist das Motto der seit acht Jahren regierenden Nationalkonservativen. Und so ist Mazedonien zwar Beitrittskandidat, aber es gibt keinen Termin für den Verhandlungsbeginn.

Die baulichen Aktivitäten zur Verkitschung der Innenstadt lassen der Regierung auch wenig Zeit, das Land wirtschaftlich voranzubringen. Statt wichtige Reformen anzugehen und den dafür gesellschaftlichen Konsens herzustellen, drangsaliert die Regierung lieber die Opposition in den wenigen vorhandenen Positionen. Das trifft insbesondere den „Bezirksvorsteher“ der Innenstadt von Skopje, der angekündigt hat, Statuen abzubauen, anstatt weitere aufzustellen. Er wurde wegen  finanzieller Unregelmäßigkeiten beschuldigt. Darauf hin kehrte er sofort von einem USA Aufenthalt zurück, wurde aber trotzdem, auf Grund eines internationalen Haftbefehls, am Flughafen Wien verhaftet.

Auch der Bürgermeister von Kumanovo ist Angriffen ausgesetzt. Dieser schilderte mir die Unzahl von Inspektionen, die ihn mürbe machen sollen. Neben diesen Aktionen kommt es  zur völligen Vernachlässigung der Stadt durch die Regierung. Kumanovo ist eine sehr multikulturelle Stadt mit Albanern, Serben und einer kleinen Anzahl von Roma, neben der eigentlichen mazedonischen Bevölkerung. Um das friedliche Zusammenleben zu unterstützen, wären Investitionen ins Schulwesen und in die wirtschaftliche Entwicklung besonders wichtig. Aber die Regierung in Skopje spart die sozialdemokratisch regierte Stadt aus ihren Programmen aus. Der  von der Regierungspartei unterstütze Präsident des Landes hat zwar die Stadt zweimal besucht, aber nie die Stadtverwaltung oder den Bürgermeister. Im Übrigen meidet er grundsätzlich den albanischen Teil des Landes. Für ihn zählt nur die „mazedonische“ Bevölkerung.

Diese Situation macht mich besonders betroffen. Ich war der Berichterstatter des Europäischen Parlaments für das Stabilisierungsabkommen mit Mazedonien. Ich war Wahlbeobachter in diesem Land unter anderem in Komanova. Und ich unterstütze auch eine eigene vor allem – aber nicht nur- für die Albaner zuständige Universität in Tetovo. Deshalb wollte ich mich auch über die Entwicklung dieser Universität informieren.

So besuchte ich den heutigen Rektor, einen Professor für öffentliche Finanzen. Ja, die Universität funktioniert mit etwa 4500 StudentInnen. Allerdings sind das weniger als angepeilt und auch in den ersten Jahren verwirklicht. Aber sie bekommt keine öffentliche Unterstützung durch die Regierung in Skopje. Sie muss sich ausschließlich durch internationale Unterstützung und Studienbeiträge der StudentInnen finanzieren. Angesichts der wirtschaftlichen Lage im Lande und der Region können sich nicht viele StudentInnen und deren Eltern diese Universität leisten.

Auch was der Rektor hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage generell und der öffentlichen Finanzen sagte, klang nicht sehr optimistisch. Und das betrifft auch seine Erfahrungen als Chef einer regionalen Tochterholding mit Hauptsitz in Düsseldorf. Angesichts der Situation in der unmittelbaren Nachbarschaft und der Türkei muss man schon zufrieden sein, wenn die Korruptionszahlungen voraussehbar und berechenbar sind. Albanien ist in dieser Hinsicht derzeit das beste Land für ihn.

Verglichen mit meinen jüngsten Besuchen in Tirana und Belgrad haben mich die Besuche in Skopje, Tetovo und Kumanovo geradezu deprimiert. Wenn es nicht bald zu politischen Änderungen kommt, wird das Land wirtschaftlich und politisch noch weiter zurückfallen. Während meines Aufenthalts besuchte ich auch das sehr gut aufbereitete Holocaust Museum in Skopje. Eine sehr anschauliche Darstellung der Flucht der sephardischen Juden aus Spanien in den Balkan und des  Lebens dieser Bevölkerungsgruppe in dieser Region geben einen guten Überblick über die Verankerung der Juden im Balkan inklusive Saloniki. Dann allerdings kam der Zweite Weltkrieg und die Besatzung durch das mit Nazideutschland verbündete  Bulgarien. Zu Hause drangsalierte Bulgarien die Juden, lieferte sie allerdings nicht an die Nazi Schergen aus und so konnten sie überleben. Allerdings lieferte es die Juden Mazedoniens aus, die nach Treblinka verschickt und dort Großteils ermordet wurden.

Das Holocaust Museum in Skopje ist eine sehr objektive Auseinandersetzung mit der Geschichte des Landes und der Region. Die nationalkonservativen Regierenden von heute sollten sich diese Art der historischen Auseinandersetzung zum Beispiel nehmen.