Arbeitsprogramm der Kommission 2012

EU_Parlament_Strassburg_Zinner-042Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident! Wir wollen nicht um den Brei herumreden. Wir sind in einer schwierigen Lage, und es kommt auf die Kommission und das Europäische Parlament an, gerade im nächsten Jahr sehr eng zusammenzuarbeiten, um jene Attacken abzuwehren, denen Europa heute ausgesetzt ist.

Die erste Attacke sind die Finanzmärkte. Die Finanzmärkte mögen uns nicht bzw. sie mögen sich und ihre eigenen Profite. Herr Kommissionspräsident, ich finde es absolut wichtig, mit all den Regulierungsvorhaben, insbesondere von Kommissar Barnier, rasch voranzuschreiten. Ich finde es wichtig, mit der Finanztransaktionssteuer weiterzufahren, weil das auch eine Umlenkung von Finanzinvestitionen in die Realinvestitionen mit sich bringen würde, was gerade für das Wachstum sehr wichtig ist.

Zweitens, Herr Präsident, konzentrieren wir uns auf die Budgetdefizite und auf Sanktionen dagegen. Das ist ein wichtiger Aspekt, aber es ist nicht der einzige Aspekt. Wenn es um Wachstum geht, wie Sie gesagt haben, dann muss vielmehr ein Gesamtkonzept dahinterstehen, worum es bei Wachstum geht. Wir brauchen Investitionen. Wir brauchen auch z. B. die Mittel, die im Budget übrig bleiben. Wir wissen doch genau, dass von unserem gemeinsamen Budget viele Mittel gar nicht abgerufen werden. Da erwarte ich mir einen Vorschlag der Kommission, wie diese Mittel – gerade auch für Investitionen z. B. in Griechenland oder in anderen Ländern – verwendet werden können.

Drittens die institutionellen Fragen: Es gibt ja einen berühmten Aufsatz eines Ex-Grünen – oder ist er noch Grün, das weiß ich nicht –, Herrn Joschka Fischer, der sagt: Vergesst dieses Europa. Ich möchte dieses Europa nicht vergessen mit all seinen Mängeln und all seinen Problemen. Die Alternative dazu, eine Zweiteilung oder eine Aufteilung Europas in die Euro-Zone, mit einer Euro-Regierung und einem Euro-Parlament und unserem Parlament und unserer Kommission, ist nicht akzeptabel. Wir lehnen dieses Konzept ab. Das ist kein Weg nach vorne. Die wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge sind ja auch zu groß. Ich schließe nicht aus, dass man besondere Regelungen für die Eurozone braucht. Aber von dieser Trennung, dieser Spaltung und diese Teilung Europas, von der haben wir genug, und wir müssen den Weg nach vorne gehen. Es ist nur ein gemeinsames Europa, und gerade die Europäische Kommission und das Europäische Parlament sind dazu berufen, das auch wirklich zu sagen.

Einige sagen auch: Vergesst die soziale Frage. Das ist nicht unser Standpunkt, gerade was die sozialen Elemente angeht. Wenn wir sehen, wie die Einkommensschere und die Vermögensschere auseinandergehen – auch das ist, à propos Konsumenten, eine wichtige Wachstumsfrage – weil immer mehr zunehmen die Gehälter der Menschen ganz oben an der Spitze zunehmen, die eine geringe Konsumneigung haben, und die Unteren relativ immer weniger an Einkommen haben.

Daher ist es sehr wichtig, dieser Verteilungsfrage Aufmerksamkeit zu schenken. Und es ist nicht nur eine Frage der ….-Bewegung, sondern es führt in manchen Ländern zu rechten antieuropäischen Stimmungen, und das müssen wir, glaube ich, gemeinsam bekennen.

Herr Kommissionspräsident, eine Vertragsänderung steht an. Viele von uns sind sehr, sehr skeptisch, ob das der Weg nach vorne ist. Aber eins muss klar sein. Erstens, die Gemeinschaftsmethode muss auch bei einer Vertragsänderung im Mittelpunkt stehen. Wir beide müssen zusammen für diese Gemeinschaftsmethode stehen.

Und zweitens, es kann nicht nur um Budgetprobleme gehen. Es gibt in diesem Europa auch andere wirtschaftliche und soziale Probleme. Bleiben wir daher bei jeglicher Vertragsänderung zusammen, um zu sagen: Gemeinschaftsmethode und wirtschaftliche und soziale Probleme müssen wir gemeinsam in diesem Europa lösen, und zwar in einem vereinten Europa und nicht in einem gespaltenen Europa.