Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in Russland (14. März 2012)

Hannes-lächelndHerr Präsident! In der Tat haben wir in der letzten Zeit zwei Wahlen in Russland gesehen, die wir nicht als fair und frei bezeichnen können. Es hat Fortschritte gegenüber früheren Wahlen gegeben, diese Fortschritte sind aber gering und zum Teil durch das Verhalten mancher führender Funktionäre wieder korrigiert und verschlimmert worden.

In beiden Fällen hat es mit der Registrierung der Kandidaten begonnen. Viele Kandidatinnen und Kandidaten, die in anderen Ländern zweifelsohne zugelassen worden wären, konnten gar nicht bei den Wahlen antreten. Ich glaube, das ist nicht gerechtfertigt, denn die Bedingungen, die hier gestellt werden, sind Bedingungen, die von vornherein so angelegt sind, dass einige Kandidaten gar nicht zur Wahl antreten können.

Zweitens müssen wir die Berichterstattung in verschiedenen Medien kritisieren, die keineswegs ausgewogen war, insbesondere natürlich in den elektronischen Medien – denn heute ist ja vor allem das Fernsehen wichtig –, auch wenn die reinen formalen Wahlsendungen einigermaßen vernünftig aufgeteilt waren. Aber wenn Putin bei jeder Gelegenheit als Tierfreund, als Retter der sibirischen Tiger, ich weiß nicht in welchen Funktionen auch immer, auftritt, dann ist das natürlich auch eine indirekte Wahlwerbung.

Drittens hat es auch verschiedene Pressionen bei der Stimmabgabe gegeben, so dass wir eben leider dieses kritische Urteil über die Wahlen fällen müssen. Das ist – und das ist auch ein Fortschritt der Demokratie, auch ein Fortschritt in der Entwicklung Russlands – auf Unwillen, Unverständnis und Widerstand gestoßen. Denn was auch immer wir kritisieren, immerhin getrauen sich die Menschen heute in Russland in einem größeren Ausmaß als je zuvor, auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren. Dass dann manche Reaktionen von uns abzulehnen und zurückzuweisen sind, ist klar. Wir müssen daher durchaus kritisieren, wenn zum Beispiel Demonstrantinnen und Demonstranten brutal behandelt werden oder zumindest auf Zeit verhaftet werden, das ist etwas, was wir nicht tolerieren können. Aber ich möchte es als positives Zeichen sehen, dass viele Demonstrationen stattgefunden haben und in vielen – nicht in allen – Fällen die Polizei durchaus korrekt gehandelt hat.

Jedenfalls geht es jetzt nicht darum, wieder eine der x-ten Bewertungen der Wahlen zu veranlassen, sondern es geht darum, die Chance zu erwähnen und zu unterstreichen, die jetzt in Russland besteht. Darum, glaube ich, geht es. Eine weitere Entschließung zur Verurteilung der Wahlen, das ist nicht der Zweck dieser Entschließung – obwohl wir einiges natürlich auch scharf kritisieren –, sondern jetzt gilt es, alle Seiten aufzurufen, endlich ein Reformpaket zu beschließen. Es ist die Chance für Medwedjew, letztendlich doch noch als Präsident aufzustehen und zu sagen: Ich habe etwas bewegt in diesem Land! Bei all den Hoffnungen, die in mich gesetzt worden sind und über Jahre nicht erfüllt wurden, jetzt habe ich gezeigt, es geht was! Es ist die Chance für Putin, seine neue Präsidentschaft mit einem Reformprogramm zu beginnen und zu sagen, gut, ich bin viel kritisiert worden, aber jetzt zeige ich, dass ich auch fähig bin, dieses Russland in Sachen Demokratie und Modernisierung voranzubringen. Und es ist auch eine Chance für die Opposition zu zeigen, dass sie nicht nur opponieren kann, sondern die Dinge auch beeinflussen kann. Das sollte die Botschaft aus diesem Hause sein! Wir wollen gemeinsam die Kräfte in Russland unterstützen, die Reformen wollen, die sagen wollen, Russland muss einen neuen Weg in das neue Jahrtausend, das schon begonnen hat, gehen. Russland muss seine Reformen durchführen. Russland muss demokratischer werden. Denn eines muss auch klar sein, Modernisierung ohne Demokratie kann nicht funktionieren und daher braucht es mehr Demokratie in Russland gemeinsam mit mehr Modernisierung.