Rede zu den Beiträgen der Kommission für den Europäischen Rat im Juni 2006

Herr Präsident, Frau Kommissarin! Was Sie heute gesagt haben, kann ich voll unterstreichen, und ich kenne auch Ihr großes Engagement beim Plan D. Nur steht das, was Sie heute zur Verfassung gesagt haben, nicht in den Papieren. Ich beziehe mich insbesondere auf die bürgernahe Agenda. Daher kann ich die Kritik von Martin Schulz und vielen anderen teilen, die sagen, wenn man diese Papiere liest, dann kommt man zu der Auffassung, dass die Kommission aufgegeben hat, für die Verfassung zu kämpfen. Das finde ich sehr schade, weil Sie nicht nur viele Bürgerinnen und Bürger, die auch für die Verfassung gekämpft haben – zum Beispiel in den Referenden – grob enttäuschen. Das muss man wirklich kritisieren. Es gibt zwei große Defizite, die Sie in diesem Papier fast nicht ansprechen. Das erste ist das institutionelle Defizit. Dies könnte durch die Verfassung entsprechend geregelt werden, und ich stimme mit Herrn Méndez de Vigo darin überein, dass die Kosten der Nichtverfassung wirklich nicht angegeben sind. Das zweite Defizit betrifft die mangelnde finanzielle Ausstattung. Auch dies ist kaum erwähnt worden.
Da komme ich zu meinem wesentlichen Problem. Ich gebe Ihnen Recht, Frau Vizepräsidentin, dass es absolut notwendig ist, nicht nur einfach zu warten und für die Verfassung und für eine bessere finanzielle Ausstattung zu kämpfen, sondern auch jetzt schon zu handeln. Ich greife das Problem der Arbeitslosigkeit heraus. Sie zitieren hier schöne Sätze, denen ich zustimmen kann, aber wo sind die konkreten Vorschläge über das hinaus, was wir bisher bei Lissabon usw. behandelt haben? Wo sind konkrete Vorschläge z.B. zu einer wirtschaftspolitischen Koordination, die absolut notwendig ist, insbesondere im Euro-Raum, aber auch darüber hinaus, um bessere wirtschaftspolitische Voraussetzungen zu schaffen?
Der Kommissionspräsident hat zugesagt, er werde sich bemühen, dass die öffentlichen Investitionen in die Infrastrukturen besser koordiniert werden, weil wir nicht genug Geld haben, alles aus Europa heraus zu finanzieren, und vieles national finanziert werden muss. Nichts davon steht in den Papieren! Energiepolitik: Wir haben darüber gesprochen, dass es unabhängig von der Verfassung – durch die Europa auch in der Energiepolitik mehr Kompetenzen erhielte – notwendig ist, wesentliche Schritte zu tun, gerade auch in Zusammenhang mit der Infrastruktur. Nichts davon steht konkret in den vorgelegten Papieren. Bei der Außen- und Sicherheitspolitik ist es ähnlich, wo man einerseits sagen kann, wir müssen an die Grenze dessen gehen, was ohne Verfassung möglich ist, aber gleichzeitig darauf hinweisen, wie wichtig es wäre, eine Verfassung zu haben, um hier weitere Schritte zu tun.
Sie verlangen eine europäische Antwort auf die Globalisierung. Aber auch hierzu gibt es viel zu wenige Ansätze, wie diese europäische Antwort aussehen könnte, um ein europäisches Sozialmodell zu entwickeln und dennoch gleichzeitig die Modernisierung voranzutreiben und im Wettbewerb bestehen zu können. Auch das ist bürgernahe Politik, und gerade das erwarten viele Bürgerinnen und Bürger von uns. Daher bitte ich noch einmal: Machen Sie die Haltung der Kommission zur Verfassung deutlich! Wir sollen nun nicht dabei stehen bleiben, ich bin absolut dafür, parallel dazu entsprechende Schritte zu unternehmen. Verzichten Sie aber nicht auf die institutionellen Voraussetzungen, denn Sie werden die Bürger enttäuschen, wenn Sie ihnen nicht klar sagen, dass eine Verfassung auch notwendig ist, um die Interessen der Bürger Europas global umsetzen zu können.