Rede zu den Leitlinien der Strategieplanung

Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle haben mit einem großen Widerspruch zu rechnen, der in Europa zutage tritt, aber insbesondere die Kommission ist natürlich aufgefordert, das ihre dazu beizutragen, diesen Widerspruch zu verringern. Da ist nämlich einerseits die Attraktivität der Europäischen Union nach außen hin – denken wir an die Ukraine, an den Südkaukasus, an die Türkei, die soeben auch angesprochen worden ist, denken wir aber auch an die Migration, daran, dass alle oder viele nach Europa wollen, als Staat oder auch als einzelne Bürger. Und andererseits haben wir die Missstimmung, die Enttäuschung, die schlechte Stimmung in Europa selbst. In vielen Fällen wird die Vizepräsidentin der Kommission das in ihrer starken Öffentlichkeitsarbeit selbst zu behandeln haben. Aber auch die gesamte Kommission und das Parlament müssen daran arbeiten, diesen Widerspruch aufzuheben. Das hängt natürlich damit zusammen, dass viele Bürgerinnen und Bürger – das ist von meinen Vorrednern schon angesprochen worden – vielfach der Meinung sind, dass an dem europäischen Modell nicht im positiven Sinn gearbeitet wird, indem es gestärkt und modernisiert wird, wie wir es in der Entschließung, über die wir abstimmen werden, formulieren wollten, sondern dass es eher abgebaut wird.
Ob es tatsächlich so ist, will ich dahingestellt lassen. Aber das Empfinden ist, soziale Rechte werden geschmälert, soziale Möglichkeiten werden beschnitten, und auf der anderen Seite gibt es nicht genügend Arbeitsplätze, um auch für das eigene Leben, das Leben der eigenen Familie genügend Mittel und finanzielle Ressourcen zu verdienen. Ich glaube, die Gefährdung des sozialen Modells oder des europäischen Modells in den Augen des Bürgers gefährdet die gesamte Europäische Union. Selbst dort, wo Globalisierung oder neue Wettbewerbsverhältnisse, die eigentlich mit der Europäischen Union nichts unmittelbar zu tun haben, diese Situation, diese Lebensbedingungen der Menschen gefährden, wird es oft der Europäischen Union zugeschrieben. Deshalb müssen wir alles in unserer Kraft Stehende tun, um Lissabon wirklich zu einem Erfolg zu machen, so dass sich der Bürger und die Bürgerin in diesem europäischen Modell wiederfinden. Daher geht es nicht nur um abstrakte, sondern um sehr konkrete Werte.
Weil die Dienstleistungsrichtlinie schon angesprochen worden ist: Ich glaube, so, wie sie vorgelegt worden ist, ist sie sehr wohl ein Beispiel dafür, wie die Bürgerinnen und Bürger zu einer solchen Meinung kommen können. Viele Menschen haben Angst, dass jetzt nicht nur ihre Sozialrechte bzw. ihre Arbeitnehmerrechte, sondern auch ihre Konsumentenrechte abgebaut werden, weil sich eben das Prinzip durchsetzen könnte, dass der niedrigste Konsumentenstandard in Zukunft herrscht und zum europäischen Standard wird und nicht ein mittlerer oder vielleicht der höchste Konsumentenstandard.
Daher bitte ich auch Sie, sich zu überlegen, auch wenn es jetzt unsere Aufgabe ist, daran zu arbeiten, ob man nicht in Zukunft anders vorgehen soll als mit den Prinzipien, die in der Dienstleistungsrichtlinie stehen. Eine letzte Bemerkung dazu: Wir alle sind uns einig, wir müssen Bürokratie und Überregulierung abbauen. Wenn Sie sich aber allein die Rechtsgutachten zur rechtlichen Interpretation dieser Dienstleistungsrichtlinie ansehen, sehen Sie, dass das reine Sonntagsreden sind und das andere die Realität. Und daher, Herr Präsident Barroso, bitte ich Sie und Ihre Kommission sehr eindringlich, diesem europäischen Modell der Sozial- und Wirtschaftspolitik wieder mehr Unterstützung und mehr Kraft zu geben.