Rede zu den Prioritäten des Europäischen Parlaments für das Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2009

Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion . – Herr Präsident, Frau Vizepräsidentin! Die Europäische Kommission hat in den letzten Jahren in vielen Bereichen – so in der Umwelt- und Klimapolitik – Hervorragendes geleistet, und wir sind in diesem Parlament dabei, dies in Gesetze umzusetzen. Was aber die Ausgestaltung des gemeinsamen Marktes betrifft, sehen wir große Mängel, insbesondere, was die soziale Dimension betrifft.
Die aktuelle Finanzkrise gibt ja genug Anlass, darüber zu diskutieren, und wir haben das beim Bericht Rasmussen auch getan. Nicht nur ich, meine Fraktion und viele andere sind tief enttäuscht über das, was Kommissar McCreevy hier gesagt oder eben nicht gesagt hat. Das ist das große Problem.
Wenn man heute die Leitartikel konservativer Zeitungen liest – ob das jetzt die Financial Times oder die Frankfurter Allgemeine ist -, so könnten die Schlagzeilen von sozialdemokratischen Fraktionen in diesem Haus geschrieben worden sein, sicherlich nicht vom Kommissionspräsidenten und schon gar nicht von Herrn McCreevy.
In der Financial Times zum Beispiel ist zu lesen:
`Modern history´s greatest regulatory failure´ or `After the crash: why global capitalism needs global rules´.
Und während das Golden Calf des Künstlers Damien Hirst einen Aktionsrekordpreis erzielt hat, haben die Finanzinstitute Rekordpleiten erzielt, was die Financial Times zu der Aussage führte:
`How we were all blinded by the golden calf´.
Das gilt leider auch für die Kommission, zumindest für die Mitglieder der Kommission, die für diese Fragen zuständig wären. Der nicht sehr linke Chefredakteur Frank Schirrmacher hat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung geschrieben: „Die neoliberale Ideologie hat einen Vernunft- und Glückszusammenhang zwischen Individuum und Globalisierung hergestellt, der ausschließlich ökonomisch begründet war“, und er beklagt „die Selbstzerstörung des sozialen Wohlfahrtsdiskurses“.
Nur ein bisschen von dem aus den Worten des Kommissionspräsidenten oder des Herrn Kommissar McCreevy wäre ganz gut gewesen. Ich verlange ja gar nicht so viel linke Kritik oder Selbstkritik, aber was wir immer wieder verlangen, was auch Martin Schulz vor kurzem ganz deutlich gesagt hat, ist, dass die soziale Dimension gestärkt wird und dass alle Kommissionsvorhaben auf ihre sozialen Konsequenzen hinterfragt werden. Das passiert leider noch immer nicht. Hier gibt die Kommission keine Antwort.
Was wir auch verlangen, ist eine stärkere gemeinsame Wirtschaftspolitik in Europa, die auch helfen könnte, solche Krisen, wie sie jetzt von Amerika herüberkommen, eher abzuschwächen oder zu vermeiden. Auch hier ist die Kommission etwas säumig. Und wo die Kommission – es tut mir leid, dass ich Sie anspreche, die Sie am wenigsten dafür können – auch versagt, ist, dass sie angesichts der wachsenden Ungleichheit in Europa entweder selbst nichts macht oder die nationalen Regierungen nicht zum Handeln auffordert. Wir werden das am Nachmittag auch bei der Frage der Energiearmut diskutieren, die wir immer wieder angesprochen haben und bei der wir von der Kommission keine Antwort bekommen, bei der es keine wirklichen Initiativen gibt.
Es kann nicht sein, dass die Kommission, die für die Inklusion, den Einschluss, und für soziale Gerechtigkeit im Prinzip eintritt, dann zuschaut, wie in dieser Phase des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens die Ungleichheit in Europa immer stärker wächst. Das kann nicht sein, das darf nicht akzeptiert werden!
Die Bürgerinnen und Bürger unseres Europas erwarten, dass die Kommission diese Nöte und diese Sorgen ernst nimmt, aufnimmt, entsprechende Vorschläge macht und – wie zum Beispiel bei der Finanzkrise – auch als moralische Autorität auftritt. Es sollte nicht dem Ratspräsidenten, dem französischen Präsidenten Sarkozy, überlassen werden, hier klare Worte zu sprechen, sondern das sollte auch von der Kommission, vom Kommissionspräsidenten und auch vom zuständigen Kommissar kommen.
Sie, Frau Vizepräsidentin, bemühen sich sehr redlich – und wir unterstützen und anerkennen das voll -, dem Bürger die Arbeit der Kommission zu vermitteln. Aber der Inhalt muss auch stimmen. Die Kommissare müssen Ihnen auch die entsprechenden Inhalte geben. Was die Finanzkrise, die Regulierung, die soziale Dimension betrifft, so liefert Ihnen die soziale Marktwirtschaft zu wenig Inhalte. Daher werden Sie immer wieder Schwierigkeiten haben, das den Bürgern gegenüber mit Glaubwürdigkeit zu vertreten.
Wir sagen Ja zur ökologischen Neugestaltung unserer Wirtschaft und Gesellschaft, da sind wir voll an Ihrer Seite und werden das auch umsetzen. Aber ich bitte Sie wirklich eindringlich: Wir brauchen, wenn Sie so wollen, ein Zurück oder ein Voran zu einer Politik der sozialen Verantwortung, auch im Rahmen der Kommission, denn es kommt auf diesem Gebiet zu wenig, und das zu spät. Schauen Sie, dass Sie das in den nächsten Monaten noch korrigieren können!