Rede zu den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 29. und 30. Oktober 2009

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© European Community 2009

Hannes Swoboda, im Namen der S&D-Fraktion  – Herr Präsident! Herr Ratspräsident! Herr Kommissionspräsident! Vielleicht ist es ein Zufall – aber ein glücklicher Zufall –, dass diese Debatte unmittelbar nach der Rede von Václav Havel stattfindet. Ein Mann, der uns vor Augen geführt hat, wie wichtig dieser Prozess vor zwanzig Jahren war. Ich bin nur wenige Kilometer westlich des Eisernen Vorhangs geboren, es hätte genauso umgekehrt sein können. Ich war damals in der sowjetischen Besatzungszone, ich habe die ungarischen Flüchtlinge von 1956 gesehen, die Flüchtlinge vom Prager Frühling 1968, z. B. meinen Kollegen Libor Rouček. Und ich sehe in dem Vertrag von Lissabon eine Ergänzung dieses Prozesses, der Europa zusammenführt.
Es war wahrscheinlich nicht die Absicht von Václav Klaus, die Ratifizierung gerade in dem Monat zu beenden, in dem wir den 20. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer feiern. Aber es ist ein glücklicher Zufall, dass dieser Vertrag gerade jetzt de facto Gültigkeit erlangt, wenn auch juristisch etwas später.
Und jetzt müssen wir die personellen Entscheidungen treffen. Ich beneide Sie, Herr Präsident des Rates, nicht um diese Aufgabe. Aber ich habe eine Bitte oder eine Frage an Sie: Sind Sie bereit, in den nächsten Tagen in einem Gespräch mit den Regierungschefs dafür zu sorgen, dass wir in diesem Europa auch eine einigermaßen geografische Balance bekommen, die dem neuen Europa entspricht? Sind Sie bereit, auch dafür zu sorgen, dass vielleicht auch stärker Frauen vertreten sind? Ich sage das nicht nur wegen der Kolleginnen Malmström und Wallström, die hier sitzen. Kann es sich Europa heute leisten, Spitzenpositionen zu besetzen – und das ist auch an meine eigene Fraktion gerichtet –, in denen so wenige Frauen vertreten sind? Ist das das Bild, das Europa heute seiner Bevölkerung gegenüber vertritt? Der Präsident des Parlaments hat das auch schon zum Ausdruck gebracht. Sie sind natürlich nicht schuld, wenn es nicht dazu kommt, aber ich bitte Sie, zumindest in den Gesprächen darauf hinzuweisen, dass wir eine bessere geografische und vor allem auch geschlechtliche Vertretung in Europa brauchen, um zu signalisieren, dass wir die gesamte europäische Bevölkerung vertreten.
Sie haben vom Hohen Beauftragten gesprochen. Sind Sie bereit, Herr Ratspräsident, auch dafür zu sorgen, dass klargestellt ist, dass, wenn Sie einen Hohen Beauftragten nominieren, er erst mit der Ratifizierung oder mit der Entscheidung dieses Parlaments seine volle Funktion übernimmt? Ich weiß, das ist natürlich ein zeitlicher Unterschied, aber klar muss sein, dass der Hohe Beauftragte in dieser gemeinsamen Funktion als Vizepräsident der Kommission der Zustimmung des Parlaments bedarf. Wir werden das sehr genau und gewissenhaft machen müssen. Es muss klar sein, dass wir gerade auf diesem Gebiet unsere Aufgaben wahrnehmen, und überhaupt, Herr Kommissionspräsident, – ich glaube, das können wir versprechen – wollen wir diese Anhörungen zwar ordentlich und sorgfältig durchführen, aber auch im Hinblick darauf, dass wir möglichst rasch zu Entscheidungen kommen, denn die Bürgerinnen und Bürger dieses Europas verlangen, dass wir arbeiten und rasch zu Entscheidungen kommen und uns nicht über Monate über Personen unterhalten.
Der letzte Punkt, den ich hier auch anschneiden möchte, ist die genannte Finanzkrise, die Sie erwähnt haben, weil das auch etwas ist, was uns große Sorgen bereitet. Sie haben mit Recht die Arbeitslosigkeit erwähnt, die auch weiter steigen wird. Sie haben auch gesagt, dass wir die Unterstützungsmaßnahmen nicht einstellen können, solange die Arbeitslosigkeit in diesem Ausmaß vorhanden ist. Denn die Bürgerinnen und Bürger erwarten auch, dass wir in diesem neuen Europa eine dermaßen hohe Arbeitslosigkeit, wie wir sie jetzt haben, nicht akzeptieren.
Da ist auch die Debatte über die Finanztransaktionssteuer. Ich weiß, sie ist schon fünfmal an andere vergeben worden, aber es ist wahrscheinlich auch eine wichtige Debatte, um zu signalisieren, dass wir es mit der Kontrolle ernst meinen, nicht weil wir jetzt hohe Steuerbelastungen herbeiwünschen. Aber wir sollten klar sagen, dass wir all jene Instrumente verwenden wollen, die dazu beitragen, die Spekulationen einzudämmen, und dass vor allem Ressourcen da sind, um jenen Banken zu helfen, die dann trotzdem in Schwierigkeiten kommen, um eine neuerliche Krise zu verhindern. Und da müssen wir klare Signale setzen.
Der Chef von Goldman Sachs hat vor kurzem gesagt – man muss sich das schon langsam auf der Zunge zergehen lassen: Ich bin nur ein Banker, der Gottes Werk verrichtet. Das ist sicherlich ein besonders zynischer und vielleicht gotteslästerlicher Ausdruck, aber er zeigt, in welchem Bewusstsein manche dieser Leute agieren. Sie spekulieren im Namen Gottes, um es sehr primitiv auszudrücken. Wir wollen nicht behaupten, dass wir durch unsere Finanzregulierung Gottes Werk vollbringen, aber Menschenwerk, das die Menschen in diesem Kontinent vor Arbeitslosigkeit und Spekulation schützt, das ist es, was wir tun müssen. Ich hoffe, dass Sie noch während der schwedischen Präsidentschaft einige Zeichen in diese Richtung setzen können.

 Brüssel, 11.11.2009