Rede zu Europäischem Rat / Regierungskonferenz / Italienischer Ratsvorsitz

Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Angesichts des Scheiterns des Verfassungsentwurfs ist untergegangen, dass auf dem Gipfel von Brüssel noch einiges Positive entschieden worden ist, z. B. die europäische Sicherheitsstrategie. Wie aber soll eine solche Strategie umgesetzt werden, wenn es weder den gemeinsamen politischen Willen dafür gibt noch gemeinsame Institutionen, z. B. einen europäischen Außenminister?
Herr Ratspräsident, Sie haben heute mit Recht erklärt, dass wir uns in einer sehr, sehr prekären Wettbewerbssituation mit den Vereinigten Staaten von Amerika und mit Asien befinden, und Sie haben auch von einer fast anarchischen Situation im Fernen Osten gesprochen. Mit Recht! Wie sollen wir in diesem Wettbewerb bestehen, wenn wir nicht einen gemeinsamen Willen und gemeinsame Institutionen haben, wenn wir nicht gemeinsam als Europäer dafür sorgen, dass z. B. Kyoto insgesamt umgesetzt wird? Ich höre schon viele Industrielle in Europa sagen: "Alleine können wir Kyoto nicht umsetzen, sonst verlieren wir an Wettbewerbsfähigkeit." Das ist nicht möglich, wenn nicht ein Minimum an Sozialrechten, an Menschenrechten, an Umweltschutz durchgesetzt wird, wenn es nicht dieses gemeinsame Verfassungseuropa gibt. Dass die Gemeinsamkeit etwas erreichen kann, haben wir beim Verzicht der Amerikaner auf Stahlzölle gesehen. Dort, wo Europa gemeinsam handelt, gemeinsam auftritt, haben wir auch die Möglichkeit und Fähigkeit, gemeinsam Dinge umzusetzen.
Und so stimme ich mit dem Kollegen Poettering durchaus überein: Wir brauchen eine europäische Verfassung als ein Symbol und ein Instrument, um diese Gemeinsamkeit auch global umzusetzen. Daher meine ich, es ist auch kein Ausweg, jetzt ein Kerneuropa zu schaffen. Im Übrigen ist ja meistens an der Frucht nicht der Kern interessant, sondern das Fleisch; es ist daher kein Ausweg, ein kleines Kerneuropa zu schaffen. Es muss vielmehr ein großes, gemeinsames Europa sein. Wenn einige wenige nicht mitmachen wollen, müssen wir uns überlegen, wie wir zu diesem Verfassungseuropa kommen als einem Europa, an dem möglichst viele teilnehmen, das auch offen ist für alle.
Daher muss jetzt von der italienischen und der irischen Präsidentschaft die Botschaft weitergegeben werden: Wir müssen daran arbeiten, dass wir zu einem gemeinsamen Europa mit einer gemeinsamen Verfassung, mit möglichst vielen Mitgliedsländern kommen. Uns darf die Phantasie nicht ausgehen, wir dürfen auf ein gemeinsames Europa mit einer gemeinsamen Verfassung auf keinen Fall verzichten!
(Beifall)