Rede zu Kroatien: Fortschrittsbericht 2006

Hannes Swoboda, Berichterstatter – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zuerst bei meinen Kolleginnen und Kollegen, insbesondere aus dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, für die wirklich sehr gute und fruchtbare Zusammenarbeit bedanken.

Auch allen kroatischen Vertretern, die sehr viel dazu beigetragen haben, den Weg Kroatiens in die Europäische Union vorzubereiten, möchte ich danken – dem Botschafter bei der Europäischen Union, dem Chefverhandler, der Außenministerin, vor allem aber Premierminister Sanader, der in den letzten Jahren seiner Regierungszeit sehr viel dazu getan hat, um die Vorbereitungen voranzutreiben. Mein Dank gilt aber auch dem ehemaligen Premierminister Račan – einem persönlichen Freund – der leider sehr schwer krank ist: Er hat damit begonnen, den Weg Kroatiens in die Europäische Union entsprechend vorzubereiten. All diese Personen sind nicht nur kroatische Persönlichkeiten, sondern europäische Persönlichkeiten, weil sie den Weg dafür ebnen, dass die gesamte Region Südosteuropa in die Europäische Union kommen kann, wenn die entsprechenden Kriterien erfüllt sind.

Manche haben mir die Frage gestellt, ob ich nicht zu freundlich zu Kroatien sei. Ja, ich bin diesem Land emotional sehr verbunden, aber ich sehe auch die kritischen Elemente – die Dinge, die noch zu erledigen sind. Ich bin somit dagegen, dass wir aus dem Bericht, so wie wir ihn vorliegen haben, manche kritischen Elemente einfach streichen. Wir sollen ehrlich sein zu Kroatien. Wir helfen Kroatien nicht, indem wir Dinge vertuschen, sondern wir helfen, indem wir auf die noch offenen Fragen aufmerksam machen.

Es ist schon viel begonnen worden, aber manche Reformen stehen noch aus, insbesondere was die Justizverwaltung, aber auch, was die Wirtschaftsreformen betrifft. Ich hoffe, dass trotz der Wahlen, die heuer stattfinden, diese Reformen voranschreiten. Ich freue mich über die erfolgte Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Das war ein wesentlicher Schritt, den Kroatien hier vollzogen hat, und ich würde mir wünschen, dass auch der Nachbar Serbien diesen Schritt tut. Dennoch muss diese Arbeit in der nächsten Zeit entsprechend fortgesetzt werden.

Auch die Flüchtlingsrückkehr ist noch nicht ganz abgeschlossen. Wenn man weiß, dass einige Dörfer weder Wasser- noch Stromversorgung haben, versteht man auch, dass eine Rückkehr für Flüchtlinge nicht unbedingt attraktiv ist. Da ist noch einiges zu tun.

Es gibt auch Grenzprobleme. Es ist kein Wunder, dass nach dem Zerfall Jugoslawiens die Grenzen nicht von vornherein zu 100 % festgelegt sind. Das Beste ist, wenn es bilaterale Lösungen gibt, d. h., wenn Kroatien mit seinen Nachbarn jeweils eine Lösung finden kann. Wenn aber eine solche Lösung mit dem einen oder anderen Land nicht möglich ist, so sollte man auch Dritte heranziehen, die vermitteln können, die auch einen Schiedsspruch treffen können, um die Probleme in einer europäischen Art und Weise zu lösen: nicht als einen Grundsatzstreit, sondern als eine konkrete wirtschafts- und staatspolitische Frage.

Ich habe in meinem Bericht ganz bewusst darauf hingewiesen, dass Kroatien alles daran setzen soll, die Verhandlungen bis 2008 abschließen zu können, damit dieses Parlament noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2009 seine grundsätzliche Zustimmung geben kann. Ob es möglich sein wird, dass wir wirklich aus Überzeugung zustimmen können, ist sicherlich eine Frage, die primär Kroatien zu lösen hat.

Die kroatischen Politikerinnen und Politiker der Regierung und der Opposition wissen, dass es heute immer schwieriger wird, die Zustimmung zu einer Erweiterung, zur neuen Mitgliedschaft zu bekommen, weil natürlich eine gewisse Müdigkeit eingetreten ist, was Erweiterungsfragen betrifft. Aber wir müssen ehrlich und anständig sein. Wir haben im Thessaloniki-Prozess klar und deutlich gesagt: Wenn die Kopenhagener Kriterien erfüllt werden und die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof gegeben ist, dann haben diese Länder auch einen Anspruch auf Mitgliedschaft. Kroatiens Mitgliedschaft könnte ein gutes Signal an die anderen Länder sein. Nicht, dass sie dann automatisch oder leichter Mitglied werden können. Aber sie können sehen, dass es, wenn ein Land seine Hausaufgaben erfüllt, möglich ist, Mitglied der Europäischen Union zu werden. Niemand von uns kann ein Interesse daran haben, in dieser Region ein Schwarzes Loch zu schaffen.

Wir bekennen uns eindeutig dazu, dass auch die Europäische Union ihre Hausaufgaben machen und durch eine entsprechende institutionelle Reform den Verfassungsprozess abschließen muss. Ich kann nur wiederholen, was Martin Schulz in seiner letzten Rede zu Frau Merkel in Brüssel gesagt hat: Der Rat und die Kommission müssen alles daran setzen, dass gleichzeitig und parallel zu den Verhandlungen mit Kroatien auch dieser Prozess abgeschlossen wird, so dass es Kroatien ermöglicht und nicht verwehrt wird, Mitglied der Europäischen Union zu werden. Wir dürfen auf die Vertiefung, auf die institutionelle Reform der Europäischen Union nicht verzichten. Beides sollte Hand in Hand geben, so dass wir dann wirklich als eine gestärkte Europäische Union Kroatien als neues Mitglied in diese Union aufnehmen können.

(Beifall)