Rede zum neuen Abkommen EU-Russland

Frau Präsidentin! Ich möchte mich zuerst bei Herrn Minister Vondra und auch bei Frau Kommissarin Ferrero-Waldner für ihre Stellungnahmen herzlich bedanken, die weitaus realistischer und aus unserer Sicht zielführender waren als der Bericht des Kollegen Onyszkiewicz, wie er jetzt vorliegt, was mir Leid tut, weil ich den Kollegen Onyszkiewicz persönlich sehr schätze. Darum verstehe ich auch nicht ganz, warum hier ein Bericht vorgelegt wird, der nicht diese gemeinsame Basis – Kritik auf der einen Seite und Kooperationsbereitschaft auf der anderen Seite – auf einen Nenner bringt, wie das von Rat und Kommission getan worden ist.

Lassen Sie mich unsere Kritikpunkte nochmals sagen, nämlich unsere Kritikpunkte auch gegenüber Russland, damit das nicht unklar ist:

Die Nachbarschaft. Wir verstehen nicht und kritisieren das Verhalten Russlands gegenüber Georgien. Aber die Welt weiß längst, dass Russland nicht der Alleinschuldige ist. Nur in manchen Kreisen hier will man das nicht zur Kenntnis nehmen. Man muss schon beide Seiten sehen. Wenn ich mir anschaue von Surabischwili bis Burdschanadse, wie die ehemaligen Alliierten des Präsidenten Georgiens heute in Opposition zu Präsident Saakaschwili stehen und wie man auch dort die Menschenrechte nicht gerade sehr pfleglich behandelt, dann frage ich mich, warum nur Russland kritisiert wird, und nicht zum Beispiel auch Georgien. Oder bei der Energiekrise, wo es um die Ukraine geht. Wir wissen doch heute ganz genau – und Sie wissen es genau so wie wir -, dass auch die Ukraine eine Mitschuld trägt, die innenpolitische Situation in der Ukraine. Aber es wird immer nur Russland herangezogen.

Wenn Kollege Horáček, der jetzt anscheinend die Regierungskrise in der Tschechischen Republik lösen möchte, hier meint, wir sollten die Energiefrage nicht über die Menschenrechte stellen: Niemand tut das. Aber sagen Sie konkret: Sollen wir jetzt sagen „Wir wollen euer Gas nicht, solange ihr nicht die Menschenrechte achtet“? Da muss man offen, ehrlich und klar sagen, was man will, und darf nicht nur Schlagworte in die Diskussion werfen.

Drittens: Menschenrechte: Wir sind zutiefst enttäuscht über die Behandlung der Menschenrechte in Russland. Absolut. Das ist für uns inakzeptabel. Dazu werden wir nie schweigen, wo auch immer die Menschenrechte missachtet werden. Wie ich bereits sagte, ob in Georgien, ob in Russland, ob in einem unserer Mitgliedstaaten, dort, wo Menschenrechte verletzt werden, vielleicht in dem einen oder anderen Land gegenüber russischen Staatsbürgern oder Nichtstaatsbürgern – das haben wir leider auch in unserer Europäischen Union -, dort müssen wir klar dagegen angehen. Selbstverständlich. Aber bitte mit demselben Augenmaß! Mit demselben Maßstab und mit denselben Kriterien müssen wir das tun.

Viertens: Ich bin sehr traurig darüber, dass Russland – und die führenden Kräfte in Russland – zu ihrer eigenen Geschichte nicht ein Verhältnis entwickeln, wie es viele unserer Länder entwickelt haben. Da beziehe ich mich auch auf die Debatte, die wir schon gehabt haben, und auf die morgige Abstimmung über die Entschließung zur Geschichte. Russland würde massiv an Image gewinnen, würde es mit der eigenen Geschichte kritischer umgehen, würde es den Stalinismus nämlich nicht als eine große vaterländische Leistung darstellen, sondern als ein Verbrechen, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Selbstverständlich, da gibt es ganz klare Worte auch von unserer Seite. Aber man muss das für alle Länder, für alle totalitären Regime gleichermaßen sagen, dass wir nicht bereit sind, totalitäre Regime zu akzeptieren und nicht bereit sind, dass man sich mit der Geschichte nicht auseinandersetzt.

Daher ist es vielleicht noch eine Möglichkeit, wenn wenigstens der eine oder andere Änderungsantrag von unserer Seite angenommen wird, der versucht, wieder eine Balance hineinzubringen und genau diese doppelte Strategie zu fahren: massive Kritik an Russland, aber auch Bereitschaft, eine Partnerschaft mit Russland einzugehen.