Rede zur Bilanz des belgischen Ratsvorsitzes

EU_Parlament_Strassburg_Zinner-039Hannes Swoboda, im Namen der S&D-Fraktion; Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, liebe Kollegen vom Ratsvorsitz, Herr Barroso! Wir haben in dieser Woche die Gelegenheit, zwei Präsidentschaften miteinander zu vergleichen, die abgelaufene und die schon begonnene Präsidentschaft. Von der belgischen Präsidentschaft muss ich sagen, dass sie eine ausgezeichnete Arbeit geliefert hat – dafür herzlichen Dank! Trotz schwieriger Bedingungen – die politische Lage zu Hause ist ja nicht ganz leicht, Lissabon ist neu, auch das Verhältnis zum Europäischen Rat ist nicht ganz leicht zu finden. Aber es gab eine klare Orientierung zu Europa hin. Sie wollten Europa voranbringen.

Auf der anderen Seite haben wir – bisher jedenfalls – eine ungarische Präsidentschaft gesehen, die sich mehr um das kümmert, was zu Hause passiert, nämlich im Sinne der Machterhaltung zu Hause, und zwar mit einem sehr umstrittenen Mediengesetz, über das wir noch diskutieren werden. Ich hoffe, Herr Orbán schaut sich noch genau an, wie die belgische Präsidentschaft gelaufen ist, und nimmt sich vielleicht ein bisschen ein Beispiel an dieser Präsidentschaft.

Sie haben, Herr Ministerpräsident, Herr Ratspräsident, von der Wirtschaftsregierung gesprochen. Hier kann ich nur dem voll zustimmen, was Herr Präsident Barroso gesagt hat. Es gibt nur ein Entweder-Oder. Es gibt entweder eine weitere krisenhafte Entwicklung in Europa – nicht nur in der Eurozone –, oder es gibt den Versuch einer effizienten Wirtschaftsregierung auf der Basis der Zusammenarbeit aller Mitgliedstaaten, aber auch auf der Basis einer starken europäischen Kommissionsaktivität. Sie wissen, Herr Präsident Barroso, da unterstützen wir sie voll. Sie haben auf diesem Gebiet Großes geleistet, Her Leterme, aber wir müssen jetzt weitergehen, und wir müssen die weiteren Schritte verfolgen.

Sie haben gesagt, es geht vor allem um eine steuerliche, fiskalische und soziale Zusammenarbeit. Damit bin ich beim zweiten Punkt, den diese belgische Präsidentschaft sehr ausgezeichnet hat, nämlich der sozialen Dimension. Ich glaube, wir alle sind daran interessiert – vielleicht mit unterschiedlichen Schwerpunkten –, dass diese soziale Dimension noch entsprechend ausgebaut wird. Soziales Europa heißt nicht, dass alles und jedes auf dem sozialpolitischen Gebiet von Europa gemacht wird, aber zum Beispiel was Sie gesagt und getan haben zur Bekämpfung der Armut. Es ist eine Schande, wenn ich sehe, dass die die Armut in Europa zum Teil steigt. Auch was Sie gesagt haben zur ungleich werdenden Einkommensverteilung. Sie haben in Ihrer Präsidentschaft deutlich gemacht: Das ist nicht nur eine soziale Frage, das ist auch eine wirtschaftliche Frage. Mehr Armut, mehr soziale Ungleichheit bedeutet auch Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. Das ist wirtschaftlich, ökonomisch und empirisch nachgewiesen. Es ist ganz wichtig, was Sie gesagt haben.

Ebenso wichtig ist, was Sie zum Europa der Bürger gesagt haben. Sie haben einen konkreten Beitrag geliefert, gemeinsam mit Vizepräsident Šefčovič und unseren Kolleginnen und Kollegen bei der europäischen Bürgerinitiative. Das ist ein großer Schritt nach vorne, wenn dieser Schritt auch von den proeuropäischen Kräften entsprechend genützt wird, um Europa den Bürgern näher zu bringen.

Wir wünschen Belgien natürlich auch weiterhin alles Gute. Es ist nicht unwichtig, wie sich die politische Lage verhält. Ich hoffe, dass alle politischen Kräfte in Belgien versuchen, einen wirklichen Konsens zu finden. Es ist schwer, in Krisenregionen den Leuten zu sagen: „Findet doch einen Konsens, arbeitet doch in wichtigen Fragen zusammen!“, wenn das in Belgien – einem Herzland der Europäischen Union – nicht möglich ist.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute, Sie waren in vielen Fällen eine vorbildliche Präsidentschaft. Ich hoffe, andere Präsidentschaften, die folgen, nehmen sich ein Beispiel daran!

(Beifall)

Straßburg, 18.1.2011