Rede zur Erklärung von José Barroso, Präsident der Kommission

Herr Präsident Barroso! Ich möchte Ihnen zuerst zu einer viel besseren Kommission gratulieren, die Sie nicht zuletzt durch unsere Mithilfe bekommen haben. Sie können uns dafür durchaus dankbar sein. Ich glaube, dass Sie als Person gewonnen haben, aber auch die Kommission, dieses Parlament und auch – was ganz wichtig ist – die Bevölkerung, die Wählerinnen und Wähler in diesem Europa. Denn nicht wenige Wählerinnen und Wähler haben mir und sicherlich auch anderen Kolleginnen gesagt: Jetzt weiß ich, warum ich mich an der Wahl zum Europäischen Parlament beteiligt habe. Ich hoffe, sie, die das sagen, waren alle bei der Wahl, weil sie gemerkt haben, dass es einen Unterschied macht, wie man abstimmt und ob man zur Wahl zum Europäischen Parlament geht. In dem Sinn, glaube ich, ist es nicht ein Sieg für Einzelne, sondern ein Sieg für uns gemeinsam, und ich glaube auch, dass die Kommission und das Parlament gemeinsam gestärkt aus diesem Prozess hervorgehen.
Zweitens, Herr Kollege Pöttering, lassen Sie mich noch ganz kurz auf die Geschichte mit Buttiglione eingehen, weil da auch viele Mythen entstanden sind. Einer Ihrer Stellvertreter hat bei einer Diskussion in Wien gesagt: Es ist schon erstaunlich, ein Kommunist kann Mitglied der Europäischen Kommission werden, ein Katholik nicht. Und genau das halte ich für sehr, sehr problematisch, nämlich was da an Mythen gesponnen wird. Wir alle kennen und schätzen viele der Kommissionspräsidenten, die Katholiken waren, und ich gehe davon aus, dass in früheren Kommissionen – sicherlich auch in dieser Kommission, ich habe das nicht nachgeprüft – viele Katholiken und gläubige Menschen saßen bzw. sitzen. Das ist durchaus zu akzeptieren. Darum ging es nicht. Es ging genau darum, ob Buttiglione für das Amt, für das er vorgesehen war, auch entsprechend geeignet war.
Ich muss Ihnen noch etwas sagen, Kollege Pöttering, weil Sie viel von Toleranz gesprochen haben und ich weiten Teilen Ihrer Rede durchaus zustimmen kann: Wenn dann dieser selbe Kollege in den Anhörungen von Herrn Kovács – gegenüber einem Mann, der mitgeholfen hat, das kommunistische Regime zu überwinden, der tatkräftig mitgeholfen hat, dass es ein einiges und gemeinsames Europa gibt – in einer solchen Art und Weise argumentiert, dann gibt es auch unter Ihren Kollegen einige, die diese Argumentation ihres Fraktionskollegen als Schande empfinden. Ich hoffe – der Kollege ist nicht hier -, dass mit dem heutigen oder morgigen Tag, wenn wir dieser Kommission in breitem Ausmaß unsere Zustimmung geben, diese Art von Untergriffen beendet sein wird und dass wir konstruktiv mit dieser neuen Kommission zusammenarbeiten. Ich hoffe, dass das auch Ihre Zustimmung zu dieser Kommission bedeutet.
(Beifall)
Lassen Sie mich noch auf zwei inhaltliche Punkte eingehen: Der erste betrifft den sozialen Aspekt. Kollege Schulz hat das schon im Detail gesagt: Wir haben bei diesen Wahlen gesehen, wie viele Bürgerinnen und Bürger – nicht alle haben unbedingt uns die Stimme gegeben, aber die meisten davon – betroffen sind von einem hohen Ausmaß an Arbeitslosigkeit, davon, dass in diesem Kontinent die Armut wieder steigt, und daher ist es eine Verpflichtung dieser Kommission, alles zu tun, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen und auch die Systeme der sozialen Sicherheit dauerhaft zu gestalten. Das spricht nicht gegen Reformen, aber wir haben eine tiefe Skepsis gegen manches, was zum Beispiel in der Arbeitszeitrichtlinie, in der Dienstleistungsrichtlinie steht. Dass es mehr Wettbewerb gibt, ist nicht das Problem, aber wenn der Wettbewerb durch eine Verschlechterung der sozialen Leistungen oder eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen erkauft wird, dann ist dies problematisch.
Und als letzte Bemerkung: Von besonderer Bedeutung ist die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Vereinigten Staaten von Amerika bekommen eine neue Regierung, die zum Teil die alte ist. Sie bekommen auch eine neue Außenministerin. Unsere für Außenbeziehungen zuständige Kommissarin wird mit Condoleezza Rice viel zusammenarbeiten müssen. Aber ich möchte an das erinnern, was Sie, Herr Präsident, am Anfang Ihrer Präsidentschaft gesagt haben: Wir wollen in gleicher Augenhöhe mit Amerika zusammenarbeiten. Und wir erwarten von Ihrer Kommission nicht etwa eine antiamerikanische Politik, das wäre dumm, wohl aber eine selbständige Politik, eine Politik, bei der wir als Europäer stolz sein können, selbstbewusst mit Amerika zusammenzuarbeiten und Amerika auch dort, wo es Fehler begeht, zu korrigieren und das offen und ehrlich und deutlich zu sagen. Das erwarten wir von Ihrer Kommission, und ich hoffe, Sie können das erfüllen.