Rede zur Erweiterungsstrategie und den wichtigsten Herausforderungen für den Zeitraum 2006-2007

Institutionelle Aspekte der Fähigkeit der Europäischen Union zur Aufnahme neuer Mitgliedstaaten
Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion . – Herr Präsident! Ich möchte zuerst den Kollegen Brok und Stubb sehr herzlich für den Bericht danken. Wenn ich mir allerdings die beiden Kollegen und Kollege Méndez de Vigo, anschaue, komme ich zu dem Schluss: Eineiige Zwillinge sind sie offensichtlich nicht, aber das Ergebnis ist sehr gut. Bei aller Wertschätzung für Sie persönlich, Herr Kommissar: Das Ergebnis der beiden Berichte ist aus meiner Sicht besser als der Bericht der Kommission. Wir bringen die Sache deutlicher und klarer zum Ausdruck, und ich glaube, die Kommission sollte sich in diesem Fall ein Beispiel daran nehmen.

Es gibt auch in diesem Haus viele Kollegen, die die kleineuropäische Lösung vertreten und sagen: je kleiner die Europäische Union, desto besser und homogener. Auf der anderen Seite gibt es jene, die sagen: je größer desto besser, weil wir dann für alle sprechen können. Wir können aber nicht für alle sprechen, wenn wir nicht zu einer gemeinsamen Stimme finden. Dafür müssen folglich die Voraussetzungen geschaffen werden. Nicht die Quantität schafft Europa, sondern die Qualität. Zu den Voraussetzungen dafür -hier gebe ich dem Kollegen Méndez de Vigo völlig Recht – gehört z.B. die europäische Verfassung.

Es muss nicht genau die derzeitige Verfassung sein, wahrscheinlich wird sie es auch nicht sein. Aber die wesentlichen Elemente dieser Verfassung müssen umgesetzt werden, um Europa handlungsfähig zu machen. Eine zweite Voraussetzung ist sicherlich auch eine entsprechende finanzielle Basis. Schon jetzt sind wir – seien wir doch ehrlich – nicht fähig, die Wünsche und Vorstellungen unserer Bevölkerung zu erfüllen, die berechtigterweise von Europa erfüllt werden müssten. Wie soll denn eine erweiterte Europäische Union funktionieren, wenn wir nicht auch die finanziellen Voraussetzungen dafür schaffen?

Wir müssen unseren Regierungen sagen: Ihr könnt nicht auf der einen Seite schöne Zusagen zur Erweiterung machen und auf der andere Seite, wenn es um die finanzielle Basis geht, sagen, wir hätten kein Geld dafür. Das ist nicht akzeptabel, und dieses Parlament muss das ganz klar zum Ausdruck bringen.

Noch ein Wort zur Verfassung: Es geht natürlich vor allem um die Reform der Institutionen und zwar nicht nur um kleine Retuschen, sondern um fundamentale Reformen. Ganz so ähnlich geht es auch bei der Finanzierung um Finanzierungsmodelle, die eine fundamentale Änderung der finanziellen Basis der Europäischen Union herstellen.

Es geht also um die Integrationsfähigkeit. Ich möchte für meine Fraktion ganz klar sagen: Die Integrationsfähigkeit dient nicht als Barriere gegen zukünftige Erweiterungen, sondern als Voraussetzung für zukünftige Erweiterung, aber als notwendige Voraussetzung und nicht nur als Nebenprodukt unserer Überlegungen, wo man dann in einem Beitrittsvertrag das eine oder andere Detail ändert. Das ist in Zukunft nicht mehr akzeptabel.

Parallel dazu müssen natürlich auch die Gespräche über Südosteuropa und den Balkan fortgesetzt werden – nicht nur über Kroatien, wo ich die Ehre habe, Berichterstatter zu sein. Auch nach Kroatien kann keine neue Grenze gezogen werden, sondern es muss schrittweise weitergehen. Zur Türkei wird Kollege Wiersma wird noch mehr sagen. Die Türkei muss ihre Verpflichtungen erfüllen, aber auch wir müssen die Integrationsaufgabe auf Zypern, die uns dort noch zu leisten bleibt, politisch erfüllen.

Zum letzten Punkt: Wir müssen den Ländern in unserer Nachbarschaft, insbesondere im Bereich des Schwarzen Meeres, eine realistische Vision geben. Dazu ist es notwendig, eine Zwischenform zu schaffen, die wir uns im außenpolitischen Ausschuss gemeinsam überlegt haben. Kollege Wiersma und ich haben die Idee einer EU-Schwarzmeer-Gemeinschaft eingebracht, um die Länder stärker an die Europäische Union zu binden. Es handelt sich dabei um eine Art Vorbereitungsstufe, die nicht zwangsweise, aber möglicherweise zur Mitgliedschaft führt, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

Wir müssen die Wünsche unserer Nachbarn erfüllen, aber wir können sie nur erfüllen, wenn wir die Wünsche unserer eigenen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Europa erfüllen. Das ist derzeit nicht der Fall, dafür müssen wir die Voraussetzungen schaffen. Erst dann wird es wieder möglich, die Vision eines großen erweiterten Europas in die Tat umzusetzen.

(Beifall)