Rede zur Lage im Mittelmeerraum, insbesondere in Tunesien und Ägypten

EU_Parlament_Strassburg_Zinner-064Herr Präsident! Frau Hohe Beauftragte! Es gibt Leute, die sagen, aus der Geschichte kann man nicht lernen, aber dennoch sollten wir es versuchen. Bezüglich des Zwischenrufs zum Iran – und der Kollege Cohn-Bendit hat ja schon einige Antworten darauf gegeben – möchte ich nochmals darauf hinweisen, wie es damals gelaufen ist im Iran. Wir haben ein schmutziges Regime unterstützt. Wir haben die Sawak-Polizei, die damals gegen Leute vorgegangen ist und Menschen gefoltert hat, mehr oder weniger geduldet. Und Amerika und auch Großbritannien haben Mossadek gestürzt, der eine friedliche Revolution wollte.

Wir sind heute schon ein bisschen weiter, aber wir sind noch nicht weit genug. Ich glaube, wir müssen ganz klar sagen – und da kann ich mich den Kollegen anschließen, die das bereits erwähnt haben –, dass wir auf der Seite der Leute stehen müssen, die diese Revolution begonnen und vorangetrieben haben. Und das waren eben nicht die Islamisten! Seien wir doch froh über diese große Chance, dass die Revolution nicht von den Islamisten ausgegangen ist, sondern von den Leuten auf der Straße, von den einfachen Bürgern, die mit dem sozialen Unrecht, mit der wirtschaftlichen Situation und mit dem Mangel an Demokratie unzufrieden waren. Das ist das, was dort geherrscht hat.

Frau Hohe Beauftragte und liebe Kolleginnen und Kollegen, seien wir doch selbstkritisch, ein Teil unserer Nachbarschaftsstrategie ist damit zusammengebrochen. Und ein Teil unserer Nachbarschaftsstrategie hat darauf beruht, dass es Stabilität gibt. Wir brauchen Frieden im Nahen Osten. Wir haben damit gerechnet, dass der Friede im Nahen Osten auf den Schultern der Diktaturen und der Diktatoren lebt und das ist nicht möglich und das ist nicht akzeptabel.

Daher müssen wir eine klare Meinung vertreten und eine klare Sprache sprechen. Dauerhaft ist der Friede im Nahen Osten nur, wenn er auf Demokratie beruht und nicht auf Diktaturen. Und daher, Frau Ashton, müssen wir laut unsere Meinung sagen. Ich weiß, Sie sind bekannt für das Sanfte, aber da stimme ich den Kolleginnen und Kollegen zu: laut und deutlich! Sie müssen so laut reden, dass wir manche Stimmen unserer Außenminister nicht hören, vielleicht manchmal auch so laut, dass man die Stimme von Hillary Clinton nicht hört, sondern die Stimme von Catherine Ashton. Das erwartet dieses Parlament. Nehmen Sie es auch als Vertrauensbeweis, dass wir von Ihnen erwarten, eine deutliche Sprache zu sprechen.
Brüssel, 2.2.2011