Rede zur Lage in Georgien

Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion – Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Frau Kommissarin! Seit einigen Tagen gibt es Inserate mit dem Text „Lenin – Stalin – Putin“ und der Frage „give in?“. Nun ist das etwas einfach, denn es war doch zu Lenins Zeiten, als Südossetien zu Georgien kam, wobei es etwa 18.000 Tote und etwa 50.000 Vertriebene gab. Abchasien kam zu Georgien zu Stalins Zeit. Hier sollte man bei der Wahrheit bleiben und alle Seiten berücksichtigen. Der ehemalige erste Präsident Georgiens, Swiad Gamsachurdia, der jetzt wieder groß in Mode ist, hat gesagt: „Das ossetische Volk ist ein Unrat, den wir durch den Roki-Tunnel hinauskehren müssen.“ Man sollte auch diese Seite des georgischen Nationalismus sehen.

Aber nichts davon – das sage ich ganz klar, und Martin Schulz hat es bei mehreren Gelegenheiten gesagt – nichts davon rechtfertigt die russische Intervention, die ja schon seit Jahren läuft. Sie ist Ausdruck eines imperialistischen Gehabes, und wir haben immer wieder gesehen, wie Russland die bestehenden Minderheitenkonflikte entsprechend ausgenützt hat. Wir haben immer wieder Drohungen und Boykotte erlebt, die wir absolut nicht akzeptieren können. Damit will ich keine Fehler – weder vom Westen noch von Saakaschwili – leugnen. Aber Russland hat bezüglich seiner Nachbarn immer wieder versucht, interne Konflikte für sich auszunützen.

Auch die Anerkennung Kosovos ist keine Rechtfertigung für diese Aktion. Denn die Europäische Union hat immer klar und deutlich versucht, eine internationale multilaterale Lösung zu bekommen. Russland hat das nicht versucht. Die Europäische Union hat immer klar und deutlich auch die serbische Minderheit im Kosovo unterstützt und wird das auch weiterhin tun. Was hat Russland getan? Es hat zumindest zugeschaut bei der Vertreibung von Georgiern aus Südossetien und Abchasien, und ich hoffe, dass Monsieur Kouchner Recht hat, wenn er sagt, dass es jetzt eine andere Politik geben wird.

Jetzt muss sich die Politik der Europäischen Union klar und deutlich darauf konzentrieren, unseren Nachbarn Unterstützung und Rückhalt zu geben. Wir haben schon seit einiger Zeit eine Union für das Schwarze Meer vorgeschlagen. Wie immer man auch diese Konstruktion bezeichnet, es ist klar, dass die gegenwärtige Nachbarschaftspolitik gestärkt und verstärkt werden muss und dass wir alle in der Region einladen müssen, von der Türkei bis Kasachstan, die ein Interesse an der Integrität und der Stabilität dieser Region haben.

Wenn Russland bereit ist, zu einer Politik der Zusammenarbeit und des Respekts gegenüber den Nachbarn zurückzukehren, ist auch Russland eingeladen, hier mitzumachen. Derzeit fühlt sich Russland durch die hohen Energiepreise besonders stark. Aber wir alle wissen, dass dies keine gesunde wirtschaftliche Basis ist, die Russland da hat, und dass Russland gerade von der Partnerschaft und der Zusammenarbeit mit Europa viel zu gewinnen hat. Wir jedenfalls müssen uns darauf konzentrieren, unseren Nachbarn eine klare Unterstützung zu geben. In diesem Sinne, Herr Ratspräsident, darf ich sagen: Die Schlussfolgerungen, die Sie beschlossen haben, sind gute Schlussfolgerungen, und sie bilden eine gute Basis, weil sie klar zum Ausdruck bringen, was realistisch ist, was wir durchhalten können. Ich hoffe, dass wir in diesem Parlament eine ähnlich klare konsensuale Lösung finden können wie der Rat, damit wir gestärkt mit einer Stimme in der Europäischen Union sprechen können.

(Beifall)