Rede zur Strategie der Kommission zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse

Herr Präsident, lieber Herr Kommissar! Ich gebe zu, ich diskutiere mit Ihnen lieber über Außenpolitik, weil das bei Ihnen mehr aus dem Herzen kommt. Aber Sie müssen halt auch diese Gelegenheit wahrnehmen. Ich glaube, was mir an dieser Erklärung, die Sie vorzutragen hatten, nicht gefällt, ist die Nichtzurkenntnisnahme, dass es ein europäisches Gesellschaftsmodell ist, das von der Mehrheit dieses Hauses vertreten wird. Es ist eine knappe Mehrheit, aber es ist eine Mehrheit. Ich glaube, es ist auch die Mehrheit der europäischen Bevölkerung, die eben Dienstleistungen anders sieht als andere Güter und Leistungen, die erbracht werden. Ich glaube, dass man gerade bei diesen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse davon ausgehen muss, was die Bürgerinnen und Bürger – da schließe ich mich Herrn Karas durchaus an – für konkrete Interessen haben. Sie haben hier auch die Möglichkeit im Unterschied zu anderen Bereichen, vor allem wenn solche Dienstleistungen auf regionaler und lokaler Ebene angeboten werden, durch ihre Wahlentscheidung mit zu beeinflussen, welche Leistung angeboten wird, was ja in vielen anderen Bereichen nicht der Fall ist.
Sie wollen ausreichende, qualitativ gute öffentliche Dienstleistungen zu einem angemessenen Preis. Der Markt mag durchaus ein Instrument sein – ich schließe das gar nicht aus, dass der Markt auch ein Instrument zur Erreichung dieses Ziels ist -, wenn die Rahmenrichtlinien stimmen. Die Rahmenrichtlinien müssten eben durch einen Rechtsakt mit der vollen Mitentscheidung in diesem Parlament gesetzt werden. Da kann man aus meiner Sicht auch von Seiten der Kommission einfach nur Ja sagen. Da kann man jetzt noch diskutieren, welcher Rechtsrahmen das im Detail ist, aber es muss ein Rechtsrahmen sein, der die besonderen Situationen und Bedürfnisse im Zusammenhang mit den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse berücksichtigt. Uns wäre natürlich jener Rahmen am liebsten gewesen, der durch die Verfassung angedacht wurde. Die haben wir zwar noch nicht, aber in diese Richtung muss es gehen. Viel zu viele Bürger erleben, dass Liberalisierung, zugegebenermaßen oftmals verbunden mit Privatisierung, zu einer Aufsplitterung der Dienstleistungen – ich höre zum Beispiel, in Manchester gibt es nach der Liberalisierung 28 Buslinien in einer Stadt – und zu oft nur kurzfristigen Preissenkungen geführt hat, und dass oft neue Monopole – diesmal private Monopole – entstanden sind, die nicht besser sind als öffentliche Monopole. Im Gegenteil, die sind schlechter, weil sie durch Wahlentscheidungen nicht beeinflusst werden können.
Ich glaube auch, dass genau in dem Sinne des Subsidiaritätsprinzips, das ja ein Prinzip ist, das Ihnen eigentlich sehr willkommen ist, nur eine Aufforderung an die Kommission gerichtet werden sollte, einen rechtlichen Rahmen zu setzen für öffentliche Dienstleistungen, und ansonsten würde ich – analog dem Ausspruch: Geben Sie Gedankenfreiheit! – sagen: Geben Sie Gestaltungsfreiheit! Geben Sie sie jenen lokalen und regionalen Gemeinschaften und Körperschaften, die am besten wissen, wie öffentliche Dienstleistungen bürgernah angeboten werden können. Dazu sollte sich die Kommission bekennen.
(Verhaltener Beifall)