Rede zur Vorstellung des Programms des österreichischen Vorsitzes

Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Herr Bundeskanzler, Sie haben eigentlich relativ wenig zur zukünftigen Erweiterung gesagt, obwohl das doch ein Schwerpunkt der österreichischen Ratspräsidentschaft ist, einerseits, was Bulgarien und Rumänien betrifft, und andererseits in Bezug auf die Vorbereitung der nächsten Schritte in Südosteuropa. Betreffend Bulgarien und Rumänien möchte ich Sie an das Versprechen des Rates erinnern, mit diesem Parlament genau zu beraten, ob – was ich hoffe – der Beitritt 2007 oder erst 2008 möglich ist. Wir erwarten von der Präsidentschaft die Einhaltung der Verpflichtung, uns in dieser Sache zu konsultieren.
Was Südosteuropa betrifft, so erachte ich diese Region als einen ganz wichtigen Schwerpunkt. Sagen Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen im Rat, dass es nicht darum geht, diese Länder von heute auf morgen, par force, in die Europäische Union aufzunehmen, sondern vielmehr darum, die Vision und die Möglichkeit eines Beitritts aufrechtzuerhalten, damit die jungen Menschen in dieser Gegend einen Sinn darin sehen, in ihrer Region zu bleiben, und nicht auswandern und dieses Gebiet ausdünnen. Viele Tests sind zu bestehen. Ein Test ist z.B. auch, wie sich die Länder in dieser Region zu ihren Minderheiten verhalten. Das Verhalten gegenüber Minderheiten ist für uns im Parlament immer ein wichtiger Aspekt. Herr Bundeskanzler, ich bin schon sehr enttäuscht: Wie wollen Sie als Ratspräsident für die Wahrung der Minderheiten eintreten, wenn Sie im eigenen Land Ihren Koalitionspartner Jörg Haider nicht davon überzeugen können, ein Minimum an Respekt für die slowenische Minderheit in Österreich zu zeigen und gemeinsame, zweisprachige Ortstafeln aufzustellen? Ich wünsche mir auch, dass Sie gerade in dieser Präsidentschaft alles daran setzen, dass Österreich sich vorbildlich und nicht rückschrittlich verhält, gerade auch, um international Vertrauen zu gewinnen.
Im Zusammenhang mit der Erweiterung haben wir manchmal den Eindruck, dass die Regierungschefs – und da sind Sie sicherlich nicht allein – sehr schnell zu Entscheidungen kommen. Aber wenn es dann darauf ankommt, der eigenen Bevölkerung zu vermitteln, warum die Schritte der Erweiterung notwendig sind und welche Vorteile die Erweiterung bringt, bleibt es bei wenigen Reden. Der Rat muss gemeinsam mit dem Parlament und der Kommission überlegen – wir können das nur gemeinsam leisten -, wie wir den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber dieses große historische Projekt der Erweiterung gemeinsam vermitteln, denn Sie haben Recht, die Vertrauenslücke, von der Sie gesprochen haben, besteht. Wir müssen uns gemeinsam überlegen, was wir tun können, um diese Vertrauenslücke zu überwinden.
Zum Thema wirtschaftliche Probleme und Arbeitslosigkeit: Ich kann Sie nur voll unterstützen. Wir werden Sie auch daran messen, wie das, was Sie zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit richtigerweise gesagt haben, in dieser Präsidentschaft umgesetzt wird, und inwieweit Sie bereit sind, entsprechende Schritte zu setzen. In diesem Zusammenhang ist es besonders bedauerlich, dass wir zwar für Forschung und Entwicklung mehr Mittel zur Verfügung haben, dass dies jedoch – wie Sie ganz genau wissen – zum Teil auf Kosten des Ausbaus der Infrastruktur geht. Das europäische Bahnnetz, das für uns alle so wichtig ist – gerade auch für unser Land – wird darunter leiden, dass wir hier massiv die Mittel gekürzt haben. Das ist für uns nicht akzeptabel, und wir sollten versuchen, hier noch eine Korrektur herbeizuführen.
Herr Ratspräsident, wir als Sozialdemokraten werden Ihre Präsidentschaft objektiv beurteilen. Wir werden Sie auf der Basis dessen, was Sie heute zugesagt haben, messen. Wir wünschen der österreichischen Präsidentschaft einen vollen Erfolg. Europa ist uns zu wichtig, als dass wir uns etwas anderes wünschen könnten!