Schlussfolgerungen der informellen Tagung des Europäischen Rates vom 30. Januar 2012

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Medien kann man heute entnehmen, dass in der Euro-Zone die Arbeitslosenquote auf den höchsten Stand seit dreizehn Jahren klettert. Und was bietet uns der Rat? Einen Vertrag außerhalb der regulären Gemeinschaftsmethode, falsch in seiner Zielrichtung und unsicher, ob er überhaupt jemals in Kraft tritt. Die Gespaltenheit und die Kakofonie in der Europäischen Union gehen

weiter. Besonders wenn ich daran denke, dass es die abstruse Idee gab, einen EU- oder Staatskommissar für Griechenland zu benennen, der die demokratischen Institutionen in Griechenland aushebelt. Meine Fraktion ist vehement dagegen, Demokratie und die Bürgerinnen und Bürger in Griechenland durch einen Staatskommissar zu bevormunden. Das sollte klar sein.

Die Situation ist allerdings auch die Konsequenz der Art und Weise, wie Frau Bundeskanzlerin Merkel die Führungsrolle Deutschlands missversteht. Ich bekenne mich zur Führungsrolle Deutschlands als ein großes, starkes, politisches und wirtschaftliches Land. Aber die Führungsrolle sollte heißen, die EU zusammenzuschweißen und nicht weiter zu spalten.

Wie das Handelsblatt – wahrlich kein linkes Medium – schreibt: „Der deutsche Weg führt derzeit nicht nach Europa, er sollte aber nach Europa führen!“

Wenn ich Frau Merkel einen Rat geben darf: Sie sollte sich nach einem neuen Partner umschauen, denn der zukünftige Präsident Frankreichs heißt François Hollande. Wir unterstützen den zukünftigen Präsidenten und vor allem auch seine Absicht, diesen Vertrag neu zu verhandeln. Wahlkampfauftritte für Herrn Sarkozy helfen ihm ohnedies nicht mehr und schaden nur Frau Merkel. Eine Neuorientierung wäre hier also angesagt.

Aber es sind auch die Inhalte, die nicht stimmen. Wenn ich daran denke, wie sich gerade die letzte Entwicklung in Portugal abgezeichnet hat. Diese Ratsbeschlüsse helfen nicht den Ländern, und sie helfen auch nicht den Märkten, zu mehr Stabilität zu kommen. Wir müssen Geld aus den Finanzmärkten in die Realwirtschaft bringen, vor allem durch eine Finanztransaktionssteuer. Wir müssen der Europäischen Investitionsbank mehr Möglichkeiten zur Kreditvergabe geben.Wir müssen auch den unteren Einkommensschichten Geld geben. Die brauchen das Geld und würden es auch ausgeben. Das ist die Zielrichtung!

Herr Ratspräsident, ich will nicht leugnen, dass es auch einige positive Elemente gegeben hat. Sie beschäftigen sich endlich auch mit der Arbeitslosigkeit, vor allem der Jugendarbeitslosigkeit. Aber können Sie mir erklären, warum man gegenüber Defizitsündern verbindliche Verträge und Sanktionen hat? Wenn es um Jugendarbeitslosigkeit geht, gibt es lahme Erklärungen und Empfehlungen. Das ist ein Ungleichgewicht, das wir nicht akzeptieren können!

Zum Abschluss möchte ich Präsident Buzek herzlich danken, dass er darauf gedrängt hat, dass ein Team des Parlaments mitverhandeln kann. Ich möchte den Verhandlern herzlich danken. Sie haben einige große Fehler vermeiden können. Ich möchte aber vor allem unserem Präsidenten Martin Schulz danken: Sie haben die richtigen Worte und den passenden Ton gefunden, damit wir in der Europäischen Union auch gehört werden, wie es der Präsident der Kommission auch gesagt hat.

So können wir gemeinsam verhindern, dass der Irrweg dieses Vertrags zur Regel wird. Wenn er überhaupt jemals angenommen und in Kraft treten wird, muss er die Ausnahme bleiben. In diesem Sinne, lieber Martin Schulz, bedauert man ja, wen man gewählt hat. In diesem Sinne müssen jene, die Martin Schulz nicht gewählt haben, bedauern, dass sie es nicht getan haben. Mit einer starken Stimme wird dieses Parlament in Zukunft auch noch stärker gehört werden!