Amerikanische Machtdemonstration

Wer Krieg führen will, findet immer Argumente und ist notfalls sogar bereit, Dokumente zu fälschen. Die USA tun beides.
Gestern gab es weltweit, und so auch in Österreich, große Demonstrationen gegen die Bestrebungen der US-Regierung, einen Krieg gegen den Irak zu führen. Viele Parolen gaben naturgemäß eine zu simple Erklärung – wenn überhaupt – für das US-Verhalten wieder, und die Kritik am Regime von Saddam Hussein war kaum wahrzunehmen.
Dennoch: Es gab schon Zeiten auf unserem Kontinent, in denen für einen Krieg bzw. Kriegseintritt demonstriert wurde. Da ist mir das Europa, das gegen einen Krieg demonstriert, allemal lieber!

Kriegstreiber Amerika

Wenn dies die größten Demonstrationen seit dem Vietnamkrieg waren, dann ist das jetzige Kriegsbestreben durchaus mit dem damaligen amerikanischen Verhalten vergleichbar. Wie viele Menschen sind damals, zum Teil qualvoll, gestorben, weil Amerika die freie Welt retten wollte! Und was ist aus der Dominotheorie geworden, die besagte, dass, fiele Vietnam in die Hände der Kommunisten, ein Land nach dem anderen kommunistisch werden würde? Vietnam ist gefallen und kein Land in Asien, das vorher nicht schon kommunistisch war, ist es nach der Wiedervereinigung Vietnams unter kommunistischer Herrschaft geworden.
Und der Kalte Krieg konnte ohne Krieg und Gewaltanwendung überwunden werden – trotz massivem Besitz von Massenvernichtungswaffen in kommunistischen Ländern.

Die Welt ist eine andere geworden

Man sollte lieber diese Beispiele studieren und zitieren, wenn es um die Frage geht, ob ein Krieg im und gegen den Irak gerechtfertigt ist. Denn die Zeit in Europa vor dem Zweiten Weltkrieg und zu Zeiten des Münchner Abkommens ist eine andere. Frankreich und das Vereinigte Königreich gaben einer aktiven, ja aggressiven Expansionspolitik Hitlers nach. Damals gab es keine Waffeninspektoren, keine Luftraumüberwachung, kein Zurückschlagen bei der Besetzung eines kleinen Landes (z.B. Österreich im Vergleich zu Kuwait).
Die Fehler des Münchner Abkommens können also überhaupt nicht mit der französisch-deutschen Haltung von heute verglichen werden. Aber wer Krieg führen will, findet immer Argumente dazu und ist notfalls sogar bereit, Dokumente zu fälschen. Die USA tun beides, nachdem sie Ende des 19. Jahrhunderts die Politik der Nichteinmischung aufgaben und sich ein Interventionsrecht im „nationalen Interesse“ zuerkannten. Und diese Grundeinstellung der USA macht es so schwer, in den USA heute die Nation der Befreier zu sehen, die sie nach 1945 eindeutig gewesen sind.
So macht auch der jüngere Bush den Ruf, den der ältere Bush bei den Nachbarn des Irak hat, durch seine Politik kaputt. Aber es geht im konkreten Fall eben mehr um eine Machtdemonstration der USA und den Willen, die Weltordnung zu ändern. Und da kann man eben nicht auf den Ruf des Vaters Rücksicht nehmen…
Wien, 16.2.2003