Außenpolitische Dauerbrenner

Drei Themenbreiche stehen dezeit auf der außenpolitischen Agenda: die Beziehungen der EU zu Russland, der Kosovo und die Entwicklung im Nahen Osten.
Heute Vormittag haben wir uns auf der Konferenz der Fraktionsvorsitzenden in Berlin mit internationalen Fragen beschäftigt. Martin Schultz berichtete zuerst über die Beziehungen der EU zu Russland, einen enorm wichtigen Aspekt in dieser Debatte.

Beziehungen EU-Russland

Es herrschte große Einigkeit darüber, dass man in dieser Frage äußerst pragmatisch und möglichst unideologisch vorgehen sollte. Es sollte durchaus die Möglichkeit geben, Kritikpunkte gegenüber Russland zu äußern, permanente Verbalattacken gegen Russland sollten aber weitestgehend vermieden werden. Überraschend war eine relativ einheitliche Skepsis gegenüber einer angestrebten Stationierung von Raketenabwehrsystemen, die die Amerikaner mit den Regierungen in Polen und in der Tschechischen Republik vereinbaren wollen. Es bestand weitgehend Konsens darüber, dass es sich dabei um europäische Themen handelt, die auch europäisch behandelt werden sollten.
Diese Einschätzung wird auch durch jüngste Aussagen amerikanischer Generäle bestätigt, die besagen, dass es um Systeme geht, die dem Schutz und der Sicherheit Europas dienen. Wenn es allerdings Systeme sind, die dem Schutz Europas dienen, dann müsste auch die Europäische Union entsprechend involviert werden. Die EU müsste zudem sicherstellen, dass diese Vorgangsweise mit Russland akkordiert ist und aus ihr kein neuer Konflikt entstehen kann, sondern dass es im Gegenteil dem gemeinsamen Dialog und letztendlich der gemeinsamen Sicherheit dient.

Europäische Energiepolitik

Es ging heute auch um andere Konfliktsituationen und den entsprechenden Beitrag der Europäischen Union. Ich habe dazu im Anschluss an das Referat des deutschen Außenministers Frank Walter Steinmeier drei Themenbereiche behandelt. Zum einen war das die Energiepolitik. Aus meiner Sicht besteht eine Diskrepanz zwischen der Forderung nach einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik und den Versuchen einzelner Länder und Ländergruppen, ihre Energiepolitik individuell zu gestalten.
Ich denke in diesem Zusammenhang etwa an den polnischen Präsidenten, der mit der Ukraine und den kaspischen Ländern Diskussionen über die Energieversorgung beginnen möchte oder an jüngste Vereinbarungen zwischen Griechenland, Bulgarien und Russland hinsichtlich einer neuen Öl-Pipeline, ebenso wie an avisierte Vereinbarungen mit der ungarischen Energiegesellschaft über die Gasversorgung.

Kosovo

Zum zweiten ging ich auf den Kosovo ein. Hier war es wichtig, alle Parlamentarier-KollegInnen zu ermuntern, bestehende Kontakte mit Serbien zu intensivieren. Wir müssen den Serben ein Signal geben, dass sie in ihren Bedenken und ihren Sorgen sowie in ihrer schwierigen Lage verstanden werden, ihnen aber gleichzeitig auch signalisieren, dass sie sich auf eine Unabhängigkeit des Kosovos vorbereiten müssen.
Und wir müssen verdeutlichen, dass eine solche Lösung letztlich auch Serbien und sich das Land dann stärker auf die wirtschaftlichen und sozialen Probleme der eigenen Bevölkerung konzentrieren kann.

Naher Osten

Der dritte Themenbereich, den ich behandelt habe, war der Nahe Osten. Hier habe ich versucht, die bestehenden Differenzen aufzuzeigen. Ich selbst, wie auch die Mehrheit meiner Fraktion im Europäischen Parlament, bin der Meinung, dass wir die Palästinenser mehr unterstützen sollten, nachdem sie eine nationale Regierung gebildet haben und relativ klar zum Ausdruck kommt, dass sie die ausgehandelten Vereinbarungen mit Israel anerkennen. Wenn sich die jetzige Regierung auch noch bemüht, dem Terrorismus Einhalt zu gebieten, gilt dies umso mehr.
Es gilt zu berücksichtigen: Wir verlangen auch von Israel nicht, dass es gegenüber Palästina die Grenzen von 1967 anerkennt und dass es seine Siedlungspolitik aufgibt. Tagtäglich wird den Palästinensern in palästinensischen Gebieten Grund und Boden weggenommen und israelischen Siedlern überantwortet. Aus meiner Sicht handelt es sich dabei um eine äußerst ungleiche Behandlung, bei der wir von den einen mehr verlangen als von den anderen.

Ungleiche Behandlung

Frank Walter Steinmeier, den ich prinzipiell sehr schätze, meinte, in den jüngsten Erklärungen des Quartetts erkenne man eine gewisse Nuance, dass auch gegenüber Israel entsprechende Forderungen gestellt werden. Der Unterschied besteht für mich allerdings darin, dass an Israel Forderungen gestellt werden, die es nicht erfüllt und das ohne Konsequenzen bleibt. Bei den Palästinensern hingegen gibt es sehr wohl die Konsequenz, dass sie über die humanitäre Hilfe hinausgehend nicht mehr unterstützt werden. Außerdem wird akzeptiert, dass Israel nach wie vor nicht bereit ist, jenes Geld, das aus dem internationalen Handel den Palästinensern zu Verfügung gestellt werden müsste, ganz einfach nicht überwiesen wird.
Ich kenne die persönliche Einstellung von Frank Walter Steinmeier. Aber ich weiß, dass in der Europäischen Union viele Außenminister sehr einseitig agieren und dass es schwierig ist, eine gemeinsame Linie zu finden. Wir dürfen trotzdem nicht die Chance verpassen, rechtzeitig eine Regierung zu unterstützen, die möglicherweise bereit ist, in Verhandlungen einzutreten. Wobei ja keinesfalls sichergestellt ist, dass auch Israel bereit ist, zu verhandeln.

Zwiespalt und Zynismus

Ein Vertreter der israelischen Botschaft in Österreich, der mich in dieser Woche in Straßburg besucht hat, meinte auf meine Frage, warum Ministerpräsident Olmert mit dem palästinensischen Präsidenten Abu Mazen verhandelt: Olmert sei dermaßen unbeliebt, dass ihm gar nichts anderes übrig bliebe, als auf irgendeine Weise einen Erfolg einzuheimsen, und deshalb suche er eben diesen Erfolg in den Gesprächen mit Abu Mazen zu erzielen.
Allerdings haben die Regierung in Israel und Olmert selbst es für Wert befunden klarzulegen, dass sie nicht bereit sind, mit einer Regierung zusammenzuarbeiten, in der die Hamas vertreten ist – es sei denn, die Hamas anerkennt Israel in vollem Ausmaß. Andererseits gibt es auch keine volle Anerkennung eines palästinensischen Staates durch Israel. Und genau das bringt den Zwiespalt und Zynismus der Situation zum Ausdruck. Vor diesem Hintergrund sehe ich leider nach wie vor wenige Chancen für eine Friedenslösung im Nahen Osten.

Berlin, 17.3.2007