Außenpolitisches Potpourri

Intensive außenpolitische Debatten und Vorentscheidungen stehen am Jahresende im Mittelpunlkt der europapolitischen Geschenens.
Die vergangene Woche war geprägt durch intensive außenpolitische Debatten und Vorentscheidungen.

Ja zu Verhandlungen mit der Türkei

Im zuständigen Ausschuss des Europaparlaments stimmten wir über eine Resolution über die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ab. Mit einer großen Mehrheit wurde die Eröffnung solcher Verhandlungen verlangt, allerdings mit dem Hinweis, dass diese nicht automatisch zu einem Beitritt führen, sondern ergebnisoffen sind. Überdies ist noch viel zu tun – in der Türkei selbst aber auch in der EU -, um einen Beitritt in 10 bis 15 Jahren überhaupt erst möglich zu machen. Und vor allem in den nächsten Jahren muss sich die Türkei um die Festigung und Durchsetzung der Demokratie, der Menschenrechte und vor allem der Minderheitsrechte kümmern. Mitte Dezember, wenige Tage vor der entscheidenden Sitzung der Regierungschefs im Rat, wird schließlich das Plenum des Europäischen Parlaments darüber abstimmen, ob es die Vorgaben des außenpolitischen Ausschusses – eventuell mit Ergänzungen – gutheißt.

Wille des ukrainischen Volkes muss gelten

Besonders intensiv beschäftigten wir uns in dieser Woche mit der Entwicklung in der Ukraine und dem Verhältnis der EU zu Russland. Ich selbst hielt dazu eine Rede im Plenum des Parlaments und nahm an einer Fernsehdiskussion im BBC-Worldservice teil, nachdem ich schon in der vergangenen Woche von BBC-Radio interviewt worden war.
Wir müssen alles daran setzen, dass der Wille des ukrainischen Volkes zum Ausdruck kommt. Natürlich habe ich viel Sympathie für die Opposition. Aber ich sah mit gemischten Gefühlen, dass viele Abgeordnete mit orange-farbenen Schals (der Farbe der Opposition) erschienen, um ihre Unterstützung für den Oppositionskandidaten Juschtschenko auszudrücken. Vor allem für die Abgeordneten aus den neuen osteuropäischen Mitgliedsländern ist diese entscheidende Geste durchaus verständlich. Aber wir müssen unseren Prinzipien treu bleiben und in erster Linie dem Wählerwillen zum Durchbruch verhelfen, ohne dabei eine Spaltung des Landes und blutige Unruhen herbeizuführen. Eine derartig klare Haltung muss auch Russland akzeptieren, wenngleich dort Angst herrscht, wieder einen „Partner“ aus der eigenen Einflusssphäre zu verlieren.

Wahlkampfstimmung in Albanien

Donnerstag und Freitag nahm ich einerseits an einer der routinemäßigen Begegnungen mit unseren albanischen Kollegen teil, bei der wir vor allem die Fortschritte im Rechts- und Polizeibereich diskutierten. Zweifelsohne gibt es bei der Unterbindung des Menschenschmuggels, vom illegalen Transport von Flüchtlingen bis zur Prostitution, deutliche Fortstritte. Allerdings bestehen noch gravierende Probleme beim Drogenschmuggel.
Was nun die politische Situation betrifft, hat sich der Ton zwischen Regierung und Opposition angesichts der Wahlen im Frühjahr 2005 leider wieder verschärft, und die Opposition hat auch unser Treffen dazu missbraucht heftige Angriffe gegen die Regierung zu führen. Hoffentlich wird nach den Wahlen – wie immer sie ausgehen – wieder ein vernünftiges Klima einkehren.

Abtasten EU – USA

Parallel dazu tagte das „Transatlantic Policy Network“, ein Treffen von EU-Parlamentariern und Abgeordneten zu US-Senat und Repräsentantenhaus unter Beteiligung von politischen ExpertInnen und Wirtschaftsleuten, die nicht in der EU und den USA tätig sind.
Das Treffen diente auch dem gegenseitigen Abtasten, inwieweit nach dem Wahlsieg von Präsident Bush und angesichts der bevorstehenden Reise Bushs nach Brüssel gemeinsame Ziele und Wege gefunden werden können. Ich selbst führte mit dem US-Abgeordneten Dennis Cadoza aus Kalifornien den Vorsitz bei einer außenpolitischen Debatte. Dabei meinte unter anderem der während der Bombardierung Jugoslawiens bekannt gewordene NATO-Mitarbeiter Jamie Shea, dass die USA Alliierte, aber keine Allianz wollen und eigentlich die NATO immer mehr zur Seite schieben. Er forderte ein verstärktes Engagement der EU, aber auch eine stärkere Anerkennung und Unterstützung der EU inklusive der EU-Verfassung seitens der USA.

Strategie für den Iran

Insgesamt waren die Vertreter der Bush-Administration jedoch nach wie vor zu sehr in die militärische Strategie der USA verliebt und durch die militärische Stärke der USA dazu verführt, dieser blind zu vertrauen. Auch am Beispiel des Iran und der Kritik an der „nachgiebigen“ Haltung der EU war dies deutlich sichtbar. Sie konnten oder wollten nicht verstehen, dass gegenüber dem Iran nur eine Strategie der Einbindung in ein Sicherheitskonzept für die Region unter Anerkennung dieses Landes als Regionalmacht funktionieren kann.
Angesichts der Tatsache, dass der Iran von Atommächten umgeben ist (Russland, Pakistan, Indien, Israel), gefällt mir das Streben des Irans nach atomarer Bewaffnung nicht, liegt aber in der traditionellen Machtlogik. Mir gefällt auch das Regime des Iran nicht – und erst vor wenigen Tagen hat mich ein Vertreter der iranischen Widerstandsbewegung (Muhajedin) – vergeblich – um Unterstützung gebeten. Für mich als EU-Abgeordneten ist es entscheidend zu versuchen, den Iran aus seiner Isolation herauszuholen, eine Isolation, die zum Teil selbst gewählt ist und zum Teil von den USA betrieben wird. Parallel müssen wir natürlich im Bereich der Menschenrechte und der Demokratie auf Veränderungen drängen und mit zivilen Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, mit den zum Teil militärisch organisierten Freiheitskämpfern zusammen zu arbeiten, die sogar von den USA auf die Terrorismusliste gesetzt worden sind.
Wien, 4.12.2004