Auf historischem Boden

Ich kann manche Kritik an der Gestaltung der Europäischen Union nachvollziehen und verstehen. Aber das Projekt Europa als solches ist für mich unverzichtbar.
Mein Urlaubsziel des heurigen Sommers war Korfu. Korfu ist eine sehr grüne griechische Insel, die sich hervorragend zum Erholen und Ausspannen eignet. Unser Ziel war dabei nicht, eine Insel besuchen, die gerade auch für Österreich eine große Bedeutung hat – es hat sich ganz einfach so ergeben.

Österreich-Bezug

Auf Korfu ließ sich Kaiserin Elisabeth „Sisi“ eines der sehenswertesten Gebäude mit einem exponierten Ausblick bauen – das Achilleion. Unweit der Hauptstadt gelegen stellt es auch heute noch eine große Touristenattraktion dar. Und in Korfu wurde der Vertrag zwischen Österreich und der Europäischen Union unterzeichnet.
Mir ist bewusst, dass bei uns mittlerweile zunehmend Skepsis gegenüber der EU besteht. Gerade während meines Aufenthaltes auf Korfu wurde die sinkende Akzeptanz gegenüber der Europäischen Union in österreichischen Zeitungen und Medien kolportiert. Konkreter Anlassfall war die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes bezüglich des Universitätszuganges. Aber auch viele andere Entwicklungen der Vergangenheit haben dazu beigetragen.

Unverständliches EUGh-Urteil

Ich kann das nachvollziehen. Auch für mich ist etwa die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes unverständlich. Deutschen StudentInnen, denen im eigenen Land der Zugang zu den Universitäten aufgrund schlechter Studienergebnisse verwehrt wird, müssen in Österreich, wo es keine Zugangsbeschränkungen und keinen Numerus Clausus gibt, Zugang zu den Unis haben. Dieses Erkenntnis hängt aus meiner Sicht auch damit zusammen, dass Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof sehr schlecht vertreten war und sich nicht durchsetzen konnte.
Die österreichische Regierung hatte in dieser Frage ganz offensichtlich gar kein großes Interesse daran, eine klare Ablehnung der Klage durch deutsche StudentInnen zu erzielen. Jedenfalls wäre es nicht notwendig gewesen, das Urteil von Heute auf Morgen durchzusetzen. Dahinter scheint der Wunsch gestanden zu sein, zu Studienbeschränkungen zu kommen und diese Entscheidung einmal mehr der „bösen“ EU in die Schuhe zu schieben.

Wir brauchen europäische Antworten

Ich bin mir darüber im Klaren, dass die euphorischen Momente der Unterzeichnung des Vertrages hier auf Korfu nicht ihre permanente Fortsetzung finden konnten. Es folgten jede Menge Kritik und Enttäuschungen. Dennoch zeigt sich immer mehr, dass für etliche brennende Fragen europäische Antworten gefunden werden müssen. Ich denke beispielsweise an den Terrorismus, der in diesen Tagen in London, aber auch an anderen Orten, immer wieder neu aufflammt – insbesondere in der Türkei und anderen islamischen Ländern.

Terrorismus unter dem Namen des Islam

Der unter dem Namen des Islam geführte Terrorismus ist in erster Linie ein Terrorismus gegen islamische Länder bzw. deren Regierungen selbst. Auf diesen Aspekt hat kürzlich ein israelischer Experte hingewiesen. Die Regierungen der islamischen Länder sind zwar zum Teil durchaus undemokratisch und korrupt und wurden leider in der Vergangenheit von den USA und einigen europäischen Ländern oft kritiklos unterstützt, sie sind aber dennoch Opfer.
Auch der Irak-Krieg hat zweifellos eine ausschlaggebende Rolle zumindest bei der Mobilisierung des Terrorismus gespielt. Ich glaube aber nicht, und das ist eigentlich eindeutig belegt, dass er die Entstehungsursache des Terrorismus ist – das wäre schon rein zeitlich nicht möglich. Und trotzdem hat der Irak-Krieg dem Terrorismus ganz zweifellos eine neue Motivation verliehen.

Projekt Europa ist unverzichtbar

Aus allen diesen Fragen können wir uns nicht heraushalten, sondern müssen mithelfen, sie einer Lösung zuzuführen. Dazu müssen wir versuchen, eine vernünftige europäische Außenpolitik zu betreiben, die uns nicht in kriegerische Abenteuer stürzt. Und es muss im Kampf gegen den Terrorismus ebenso eine gemeinsame europäische Linie gefunden werden wie bei der Bewältigung wirtschaftlicher Herausforderungen.
Ich kann manche Kritik an der Gestaltung der Europäischen Union nachvollziehen und verstehen. Aber das Projekt Europa als solches ist für mich unverzichtbar. Verzichtbar hingegen sind manche sture politische und ökonomische Vorgangsweisen, die das Bisherige fortsetzen bzw. dem Markt einen absoluten Wert einräumen, ohne darauf zu achten, welche konkreten Ergebnisse die Marktentwicklungen bringen.
Wir brauchen kein Zurück zum alten, früheren System – das ist endgültig vorbei. Aber wir brauchen eine Kombination von Marktentwicklungen einerseits und politischen demokratischen Entscheidungen andererseits.

Korfu, 29.7.2005