Begegnung in Griffen

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Diskussion in Griffen

Für PolitikerInnen, besonders diejenigen, die einen Großteil ihrer politischen Tätigkeit in Brüssel/Straßburg verrichten, ist der Kontakt mit den BürgerInnen „zu Hause“ besonders wichtig. Nicht, dass diese Begegnungen die Möglichkeit bieten, die eigenen Ideen und Vorstellungen einem breiten Publikum zu präsentieren. Es geht eher um den umgekehrten Effekt, um die Möglichkeit, die Meinungen, Vorstellungen und Ängste der Bevölkerung aus neue zu erfahren. Die Diskussion, die vergangenen Donnerstag vom Europahaus Klagenfurt, dem ehemaligen österreichischen Botschafter in Madrid und regionalen und lokalen Politikern gemeinsam mit der „Kärntner Woche“ in Griffen in der Gemeinde Völkermarkt organisiert wurde, war eine solche Gelegenheit.

Überraschungen

Das Thema dieser Begegnung war die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise und insbesondere der Euro. Alexander van der Bellen und ich waren eingeladen, unsere These dazu zu präsentieren und mit den BesucherInnen der Veranstaltung zu diskutieren. Die erste Überraschung betraf den Besuch. Fast 100 Menschen waren gekommen – an einem schönen und heißen Sommerabend. Die zweite Überraschung war die enorme Kenntnis der TeilnehmerInnen an der Diskussion. Schließlich hat sich wieder bewahrheitet, dass die gegenwärtige Krise auch eine Chance bietet, die Bedeutung von Europa und eines gemeinsamen Vorgehens zu vermitteln. Aber eigentlich war das gar nicht mehr notwendig. Denn davon waren die Menschen in Griffen überzeugt, zum Unterschiede vieler nationaler PolitikerInnen in Europa.
Ein entscheidender Punkt der Diskussion war die Frage des Sparens bei den öffentlichen Haushalten. Angesichts des hohen Schuldenstandes des Landes Kärnten mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Gemeindehaushalte war das hier ein besonders heikles Thema. Die Budget- und Schuldenpolitik Kärntens ist ein besonders „gutes“ Beispiel für eine unverantwortliche Haushaltspolitik. Da Österreich insgesamt von den Marktkräften bewertet wird, wirkt sich die Kärntner Überschuldung nicht auf das „Rating“ Österreichs aus. Wären wir nur ein Staatenverbund à la Europäischer Union, würde die Budgetsituation Kärntens eine Instabilität innerhalb Österreichs bewirken.

Weitgehende Einigkeit

Apropos Marktkräfte und Spekulationen. In weiten Strecken waren van der Bellen und ich uns einig, was die Ursachen der Finanz- und Wirtschaftskrise betrifft und auch über die unterschiedlichen Auswirkungen in Griechenland und Spanien. Auch darüber, dass bestimmte Sparmaßnahmen notwendig sind, aber wir eine offensive Strategie des nachhaltigen Wachstums brauchen. Und das war ja auch gut so, ging es bei dieser Begegnung mit den BürgerInnen nicht um einen politischen Wettkampf, sondern um eine Darstellung von Krisenursachen und Maßnahmen zur Krisenbekämpfung.
Und beide waren wir uns einig, dass Griechenland kaum um eine Entschuldung herumkommt. Allerdings wäre es gut, dass die anderen Länder mit Schwierigkeiten, wie Spanien, zuerst eine Lösung für ihre eigenen Probleme finden, um nicht einen Dominoeffekt von Entschuldungsmaßnahmen mit entsprechenden Schwierigkeiten für den Bankensektor in Gang zu setzen.

Legaler Beitrag zum Bankrott

Eine Differenz gab es interessanter Weise bei der Beurteilung von Spekulationen und insbesondere bei den CDS, also den Versicherungen auf Papiere, die man gar nicht besitzt. Meinem Vergleich mit einer Feuerversicherung auf das Nachbarhaus, bei der man die Versicherungsprämie kassiert, wenn es abbrennt, stimmte van der Bellen noch zu.
Allerdings meinte er, es gehe dabei eigentlich um eine „Wette“, wie beim Verkauf eines Hauses auf Leibrente. Lebt der Verkäufer lange, ist das für den Käufer ein schlechtes Geschäft, lebt er kurz, ist es ein gutes Geschäft. Allerdings, im Normalfall hilft der Verkäufer nicht nach, um das Leben des Verkäufers zu verkürzen, jedenfalls würde er ein Verbrechen begehen. Im Falle der CDS hingegen ist der Besitzer dieser Papiere eifrig daran beteiligt, einen Staat in Richtung Bankrott zu treiben, und das ist dann auch noch legal.

Bessere Regulierungsmaßnahmen

Einig waren wir uns wieder darin, dass diese Spekulationen nur einen Teil der Krisenursachen darstellen und man sich nicht einem populistischen Bankenbashing hingeben sollte. Ja, die Banken müssen ihren finanziellen Beitrag zur Krisenbekämpfung leisten. Aber im Vordergrund müssen das krisenfeste Funktionieren der Banken und die Vergabe von günstigen Krediten für den Wirtschaftsaufschwung und die Schaffung von Arbeitsplätzen stehen. Und zur Vermeidung von Krisen brauchen wir vor allem einen verbesserten Regulierungsrahmen, auch auf europäischer Ebene.

 

Klagenfurt, 2.7.2010