CIA-Bilanz

Der CIA-Abschlussbericht ist kritisch gegenüber den Versuchen der USA, Regierungen in Europa dahingehend zu beeinflussen, dass sie verschiedenen Entführungen zustimmen.
Heute früh bin ich nach Brüssel geflogen – und bin einmal mehr mit Verspätung angekommen, die vor allem durch die angespannte Verkehrslage in Brüssel bedingt war.

Kritischer Abschlussbericht

Im Parlament angekommen eilte ich sofort zur Sitzung des CIA-Sonderausschusses, bei der zum Bericht des zuständigen Berichterstatters Claudio Fava etwa 480 Abänderungsanträge abgestimmt worden sind – einige auch von mir selbst eingebracht. Der Bericht ist kritisch. Kritisch gegenüber den Versuchen der USA, Regierungen in Europa dahingehend zu beeinflussen, dass sie verschiedenen Entführungen zustimmen. Er ist kritisch gegenüber jenen Regierungen, die genau das zugelassen haben und vielleicht auch daran beteiligt gewesen sind. Und er ist kritisch gegenüber jenen Regierungen, die nicht bereit waren, intensiv mit dem zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments zusammenzuarbeiten.
Der Bericht kann aber nicht feststellen, dass es in Europa geheime, von der CIA geführte Gefängnisse gegeben hat oder gibt. Und er kann auch nicht feststellen, dass es notwendig wäre, nach Artikel 6 oder 7 des Vertrages der Europäischen Union Maßnahmen gegen einzelne Länder zu setzen. Es wird in dem Bericht außerdem eine bessere Zusammenarbeit der Geheimdienste im Kampf gegen den Terrorismus gefordert – wobei diese Zusammenarbeit auch einen europäischen Rahmen der Kontrolle in Form eines Monitorings verlangt.

Auch Österreich kommt vor

Österreich ist in diesem Bericht kein besonderer Fall. Es haben zwar einige Entführungen stattgefunden – allerdings weder von Österreichern noch von österreichischem Boden aus. Dennoch bleibt kritisch anzumerken, dass die Regierung beim Bekanntwerden von Entführungen von Menschen nicht österreichischer Staatsbürgerschaft, die sich legal in Österreich aufgehalten haben, nichts unternommen hat, um diesen Menschen zu helfen und sich dafür einzusetzen, dass sie nicht gefoltert werden.
Das österreichische Parlament hat diesbezüglich auch keine Untersuchungen eingeleitet. Das ist aus meiner Sicht problematisch. Aber wie schon erwähnt: Österreich zählt nicht zu jenen Ländern, die in diesem Bericht besondere kritisch durchleuchtet worden sind.

Der Fall Kurnaz

Besonders heftige Wellen schlägt hingegen derzeit in Deutschland der Fall Kurnaz. Es gibt Behauptungen, dass mehrere Minister der früheren Regierung, unter anderen der derzeit amtierende Außenminister und damalige Kanzleramtsminister Walter Steinmeier, aktiv daran beteiligt gewesen sind, dass Murat Kurnaz nicht nach Deutschland zurückkehren sollte, weil man befürchtete, dass ein aus Deutschland entführter Terrorist wieder zurückkommt.
Am Nachmittag berichtete Außenminister Steinmeier im Außenpolitischen Ausschuss des Europäischen Parlaments über die jüngste Ministerratssitzung. Natürlich wurde er bei dieser Gelegenheit auch zu diesen Behauptungen befragt. Seine Antwort fiel aus meiner Sicht etwas ambivalent und diffus aus. Einerseits meinte Steinmeier, dass in der schwierigen Situation nach den Attentaten in New York auf die beiden Türme des World Trade Centers zu heftig reagiert wurde und eine verständliche Angst aufgetreten sei, dass der Terrorismus auch auf Deutschland überschwappen könnte. Andererseits bezeichnete er die Behauptung, er sei daran beteiligt, dass Kurnaz nicht frühzeitig nach Deutschland zurückgekehrt ist, als infame Lüge.

Außenpolitische Kompetenz

Mir persönlich täte es leid, wenn ein Fehlverhalten Steinmeiers festgestellt werden würde, das in der Folge zu seinem Rücktritt führt. Er ist aus meiner Sicht ein ausgezeichneter Außenminister, der seine Außenpolitik sachlich, klug, prägnant und präzise betreibt und beschreibt. Er ist zweifellos nicht der Mann der größten Ideen und Fantasien. Trotzdem steht er für ein äußerst stimmiges außenpolitisches Konzept und Vorgehen.
Das hat Steinmeyer an diesem Nachmittag im Außenpolitischen Ausschuss einmal mehr belegt – ob es sich um den Nahen Osten oder um die Situation im Kosovo und nach den serbischen Wahlen am Balkan generell handelt. Die Wahlen, die am vergangenen Sonntag stattgefunden haben, sind gottlob so ausgegangen, dass zwar die Rechten die stärkste Partei geblieben – und das ist traurig genug -, dass aber trotzdem die demokratischen Parteien eine Regierung bilden können.

Serbien nach den Wahlen

Ich habe Außenminister Steinmeyer in diesem Zusammenhang gebeten, die Führer der beiden großen demokratischen Parteien – Präsident Boris Tadic, den Chef der demokratischen Partei, die mit den Sozialdemokraten verbunden ist und Vojislav Kostunica – einerseits klar dazu zu bewegen, eine gemeinsame Regierung zu bilden, die den Weg nach Europa vorbereitet. Andererseits muss auch signalisiert werden, dass im Fall einer derartigen Regierungsbildung das Wohlwollen Europas garantiert ist.
Das würde auch bedeuten, dass die Verhandlungen über das Stabilisierung- und Assoziierungsabkommen tatsächlich weitergeführt werden könnten. Manche wollen die Weiterführung dieser Verhandlungen mit der Auslieferung von Verdächtigen in Zusammenhang mit Jugoslawienkriegen nach Den Haag koppeln. Es muss allerdings festgestellt werden, dass wir diese Bedingungen im Fall Kroatiens nur vor dem Abschluss der Verhandlungen und nicht schon zu deren Beginn oder in deren Verlauf gestellt haben.

Positives Signal setzen

Angesichts der Relevanz, die Entwicklungen in Serbien positiv voranzutreiben und keine neuen Rückschläge zu erleben, muss im Fall eines Zustandekommens einer demokratischen Regierung in Serbien ein unmissverständlich positives Signal gesetzt werden. Das liegt im Interesse Serbiens, im Interesse des Kosovo, aber natürlich auch im Interesse der Europäischen Union.
Man kann kaum von einem Land verlangen, dass es freiwillig auf ein Kerngebiet verzichtet – und genau das ist der Kosovo für Serbien. Man kann aber sehr wohl verlangen, dass ein Land, das über viele Jahre hindurch den Kosovo auch durch andere Regime dermaßen diskriminiert hat, zumindest akzeptieren muss, dass es den Verlust des Kosovo gibt und dass man dem Land dabei hilft, diesen schmerzlichen Verlust auch zu verkraften, gut zu bewältigen und sich letztendlich auf die wahren Probleme im eigenen Land im wirtschaftlichen und sozialen Bereich zu konzentrieren.

Brüssel, 23.1.2007