Der Balkan braucht Stabilität, nicht Chaos

Verläuft die Entwicklung in Mazedonien grundsätzlich positiv , stehen in Albanien die Zeichen auf Sturm. 
Heute hat – in Brüssel – Soros, seines Zeichens Währungsspekulant, Kritiker des unbändigen und unregulierten Kapitalismus und Förderer von Demokratie und Toleranz in Osteuropa, einige Europaparlamentarier zum Mittagessen eingeladen. Unter anderen war auch der Generalsekretär des österreichischen Außenministeriums, Albert Rohan, der derzeit am Balkan sehr aktiv ist, bei diesem Essen mit dabei.
Soros kritisierte stark die unkoordinierte Vorgangsweise des Westens am Balkan. Ihm gehen die klare Zielvorstellung und ein stringentes Umsetzen eines regionalen Ansatzes am Balkan ab. Dabei hat er nicht unrecht.
So hatten wir die vergangenen zwei Tage ein Hearing im Parlament, das diese Zersplitterung der internationalen Aktivitäten am Balkan deutlich machte. Carl Bildt sprach als UN-Vertreter, Bernard Kouchner als Leiter der UN-Verwaltung im Kosovo, Bodo Hombach als Koordinator des Stabilitätspaktes, Marc Franco berichtete als Leiter der EU Task Force im Kosovo. Für die wirtschaftliche Seite sprachen Vertreter der Europäischen Investitionsbank und der Weltbank sowie von USAID, und ein Vertreter der Bank für Wiederaufbau und Entwicklung hätte sicher auch noch einiges beizutragen gehabt. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe weiterer Initiativen und Organisationen, die am Balkan aktiv sind.

Verstärkte Zusammenarbeit mit den Ländern am Balkan

Es bestehen allerdings mit Recht Zweifel, ob sich diese Aktivitäten nicht manchmal eher behindern als gegenseitig fördern. Hinzu kommen noch die Aktivitäten einzelner Staaten. Und die wollen, soweit sie Mitgliedsstaaten der EU sind, natürlich auch bei der EU-Hilfe einiges mitzureden haben. Und so haben sie bei der Agentur, die die EU Task Force im Kosovo ablösen soll, sogar zwei Leitungs- und Kontrollgremien mit je 15 Vertretern der Mitgliedsstaaten vorgesehen, die deren Einfluß auf Entscheidungen der Agentur garantieren sollen.
Das war uns jedoch im Parlament „zu viel des Guten“. So machten wir Gegenvorschläge zur Vereinfachung und verzögerten die Schlußabstimmung über den Vorschlag des Rates, um diesen zu Veränderungen zu bewegen. Bisher allerdings hat sich der Rat der Mitgliedsstaaten noch nicht sehr bewegt. Trotz allen Drängens auf einen koordinierten Ansatz muß allerdings die verstärkte Zusammenarbeit auch mit den einzelnen Ländern am Balkan weitergehen. Ein Land, das dafür vorrangig vorgesehen ist, ist Mazedonien. Ich wurde erst letzte Woche zum Berichterstatter der EU für den Vertrag mit Mazedonien ernannt.
So hatten wir auch unseren September-Besuch im Kosovo mit einem Aufenthalt in Mazedonien kombiniert und waren unmittelbar mit dem Hubschrauber von Mitrovica aus nach Skopje geflogen. Vom Staatspräsidenten über den Ministerpräsidenten und Parlamentspräsidenten sahen wir die neuen politisch entscheidenden Politiker des Landes. Mazedonien oder FYROM, wie es auch immer offiziell im Rahmen der EU heißt, hat ja viel getan, um die Krise in der Nachbarregion, insbesondere den starken Flüchtlingsstrom, gut zu bewältigen. Und das ist für Mazedonien nicht leicht gewesen, hat es doch eine bedeutende albanische Minderheit von über 30 Prozent.
Und dieses Land fühlt sich auch etwas von der EU im Stich gelassen und vor allem gegenüber den offiziellen Kandidaten Rumänien und Bulgarien benachteiligt. Aber wir konnten ihnen keine optimistischere Aussicht bieten als einen Sondervertrag mit der EU, der die Mitgliedschaft als Endziel hat. In naher Zukunft Mazedonien als Beitrittskandidaten zu erklären, ist unrealistisch.

In Albanien stehen die Zeichen auf Sturm

Während die Entwicklung in Mazedonien grundsätzlich positiv verläuft, stehen die Zeichen in Albanien auf Sturm. Die Geister der Vergangenheit sind wieder auferstanden und machen sich im politischen Leben neuerlich bemerkbar. Nachdem bei der demokratischen Partei der frühere Staatspräsident, unter dem das Land im Chaos versank – Berisha – als Vorsitzender wiedergewählt wurde, da sein junger Gegenspieler Gens Pollo aufgrund von Morddrohungen auf eine Kandidatur verzichtete, zog die Sozialistische Partei gleich.
Der frühere Vorsitzende Fatos Nano, der Gegenspieler von Berisha, der auch von diesem ins Gefängnis gesteckt wurde, kandidierte gegen den jungen, aber international anerkannten und geachteten Ministerpräsidenten Majko und gewann diese Wahl – wenngleich äußerst knapp.
Ich hoffe, die EU und der Westen generell werden den albanischen Politikern klar machen, daß eine Wiederholung der Streitigkeiten der Vergangenheit eine sofortige Einstellung der Hilfe und Unterstützung zur Folge hatte. Wir geben kein Geld her, damit sich die rivalisierenden Gruppen mit Kalaschnikows versorgen können. Wir wollen Stabilität und nicht Chaos, und das sollten mit der Zeit alle am Balkan einsehen.
 
Brüssel, 14.10.1999