Der britische Kampf gegen den Rechtsextremismus

Delegation - Barking - Margaret Hodge MPIm Zuge unserer Beratungen des „Arbeitskreises gegen Rechts“ kamen wir auf die Idee, die Rechte Szene und den Kampf dagegen in England an Ort und Stelle zu besuchen.

Protestaktion

Die erste Station unserer Factfinding Mission war Luton. Diese Stadt ist wahrhaft multikulturell – das Straßenbild wird vor allem durch viele verschiedene AsiatInnen geprägt. Wir wurden allerdings vor dem Rathaus von sehr gering kulturell interessierten VertreterInnen der rechtsextremen EDL, also der England Denfense League, empfangen. Sie wandten sich gegen den islamischen Extremismus, den sie auch durch den örtlichen Vertreter der Labour Party im EU-Parlament unterstützt sahen. Ohne die Bedenken der Bevölkerung lächerlich machen wollen, schienen mir einige der etwa 50 DemonstrantInnen schon mehrere Biere intus gehabt zu haben und nahmen zum Teil ihre Protestaktion nicht sehr ernst.

„Harmonie“-Aktion

Im Rathaus selbst hatten wir eine Vorstellung der sogenannten „Harmonie“-Aktion, die von der Zivilgesellschaft und allen Parteien des Stadtrats getragen wird. Alle Schulen und viele gesellschaftliche Organisationen, unter anderem die Religionsgemeinschaften, nehmen daran teil. Dem Hass der Rechtsextremen soll ein Konzept des friedlichen und damit harmonischen Zusammenleben gegenübergestellt werden. Dieses Konzept scheint etwas naiv zu sein, aber vielleicht sind gerade solche „naiven“ Ideen und Programme überzeugender als manch ausgefeilte, aber komplizierte Überlegungen.

Im Anschluss an diese Präsentation trafen wir die VertreterInnen der verschiedenen Religionsgemeinschaften. Sie alle, von den Juden über die Hindus und Sikhs bis hin zu den Muslimen, bekannten sich zur Harmonie-Aktion und haben generell eine intensive Zusammenarbeit begonnen. Sie kooperieren gegen jegliche Art des Extremismus – vom Rechtsextremismus bis zum islamisch begründeten Extremismus. Mich haben die ReligionsvertreterInnen unterschiedlichen Alters besonders beeindruckt. Sie alle bekennen sich als britische StaatsbürgerInnen zu ihrer neuen Heimat. Ja, sie wollen sogar mit den Rechtsextremen, die ja auch Kinder der Stadt Luton sind, einen Dialog, aber diese verweigern ihn. Ein Zeichen des Klimas in dieser Stadt ist auch die unaufgeregte Art, wie uns die Polizei gegen mögliche Angriffe von Rechts schützte. Nachdem die bestellten Taxis nicht rechtzeitig kamen, fuhren sie uns wohlgelaunt selbst zum Bahnhof.

„Einheitsfront“ gegen Rechts

Am nächsten Tag ging es vom Zentrum Londons aus nach Barking im Osten der Stadt. Dort berichteten uns die – neuen – örtlichen Funktionäre der Labour Party, wie sie durch intensive Gespräche mit den BürgerInnen den rechtsextremen Funktionären der Britisch National Party, die schon etliche Mandate in der Bezirksvertretung hatten, wieder das Wasser abgegraben haben. Auch hier gibt es, ähnlich wie in Luton, eine Allparteienkoalition und eine aktive Zivilgesellschaft gegen die Rechtsextremen der BNP. Diese „Einheitsfront“ gegen Rechts und eine neue junge Truppe, die aktiv mit den BürgerInnen deren Sorgen und Ängste bespricht, konnte einerseits der BNP eine deutliche Niederlage verpassen und anderseits die VertreterInnen der Sozialdemokraten stärken.

Interessant war auch das Gespräch mit der örtlichen Abgeordneten zum britischen Unterhaus. Margaret Hodge ist in der letzten Labour-Regierung Ministerin gewesen, sie ist also eine durchaus prominente Abgeordnete. Aber sie bekannte, dass sie die Zeichen der Zeit fast zu spät erkannt hat. Nur durch einige jüngere MitarbeiterInnen wurde ihr klar, dass die Rechtsextremen stärker das Ohr am Mund der Bevölkerung hatten und die Zuwanderung aus Übersee, aber auch aus Osteuropa für ihre politischen Ziele missbrauchten.

Adäquate Vertretung

Bewundernswert ist, dass in beiden besuchten Gemeinden/Bezirken die Vertretung in den Bezirskräten ziemlich proportional zu der Bevölkerungsstruktur ist, also einen „Ausländeranteil“ von über 30% hat. Davon sind wir in Österreich leider noch weit entfernt. Auf der anderen Seite war interessant, dass die linke Abgeordnete Margaret Hodge sich eindeutig für gleichen Lohn für alle aussprach, aber doch meinte, dass bestimmte Sozialleistungen an ZuwanderInnen erst nach einer gewissen Zeit gewährt werden sollte. Denn jene, die von Außen in eine Gesellschaft kommen, sollten der Gesellschaft zuerst auch etwas geben, bevor sie etwas von ihr erhalten. Andernfalls würden sie die anderen, die schon einige Zeit in der Schlange warten, immer wieder überholen, zum Beispiel bei den Sozialwohnungen.

Genau aus diesem Grund war unsere vorsichtige Vergabepolitik bei den Gemeindewohnungen auch klug und richtig. Generell halte ich diese Politik der starken Vertretung der zugewanderten Bevölkerung einerseits und eine vorsichtige, stufenweise Anerkennung von Sozialleistungen sehr sinnvoll.

Alle Gespräche, die wir mit VertreterInnen der Zivilgesellschaft und Mitgliedern des Unterhauses in London geführt haben, haben die große Entschlossenheit signalisiert, den Rechtsextremismus schon in den Anfängen zu bekämpfen. Sie haben aber vor allem gezeigt, dass eine wachsende Bereitschaft besteht, mit den Menschen über deren Ängste und Sorgen zu reden, unabhängig von den Gründen und der „Berechtigung“ für diese Ängste. Ohne diese Einstellung wird der Kampf gegen den Rechtstrend in Europa nicht gelingen.

P.S.: Wo man in Großbritannien anscheinend erfolgreich etwas gegen rechtsextreme Einflüsse gemacht hat, ist der Fußballsektor. Ich hatte das Privileg, Karten für das Champion League Match Manchester United gegen FC Barcelona zu ergattern (ohne Beziehungen und gegen Entgelt!!). Abgesehen davon, dass wir ein wunderbares Match gesehen haben, war ich über die Gelassenheit und Disziplin der Fußballfans vor, während und nach dem Spiel erstaunt. Ich hab keinen einzigen Hooligan und keinerlei Anzeichen von Aktivitäten der rechtsextremen Szene gesehen.

London, 29.5.2011