Der Countdown läuft

Am 9. Oktober hat die EU-Kommission ihre Fortschrittsberichte zur Erweiterung der Europäischen Union vorgelegt und empfohlen, alle 10 Länder, mit denen verhandelt wird, in die EU aufzunehmen. 
Am 9. Oktober legte die EU-Kommission ihre Fortschrittsberichte zur Erweiterung der Europäischen Union vor. Die Kommission empfiehlt, alle 10 Länder, mit denen verhandelt wird, in die EU aufzunehmen. Das heißt, dass beim Gipfel in Kopenhagen Anfang Dezember der Rat dieser Aufnahme zustimmen und nach „Paraphierung“ im Jänner 2003 das Vertragswerk dem Europäischen Parlament zuleiten sollte. Dieses sollte dann im im März oder April 2003 dem Vertragsergebnis – getrennt nach jedem einzelnen Land – zustimmen. In der Folge wären schließlich die Mitgliedsländer bzw. die Kandidaten selbst an der Reihe, diesem Ergebnis zuzustimmen.

Noch kein endgültiges Ja

Durch die eindeutige Empfehlung der EU-Kommission sind wir nun in eine schwierige Sizuation gelangt. Stellen wir dieses Ergebnis in Zweifel, dann werden wir als Skeptiker oder gegner der Erweiterung angesehen. Dem Ergebnis jetzt zuzustimmen, würde allerdings den Verzicht auf eine genaue und detaillierte Überprüfung der Kommissionsempfehlungen bedeuten. Überdies sind noch entscheidende Fragen der Finanzierung sowie der Agrar- und Regionlapolitik zu klären, bevor wir zur Erweiterung Ja sagen können.
Vor allem aber würde ein Ja hier und heute bedeuten, dass die Kandidaten die Hände in den Schoss legen würden und die Fortsetzungen der notwendigen reformen unterbleiben könnten. Das würde letztendlich die Erweiterung blockieren bzw. in den Folgejahren mit großen Problemen belasten. In diesem Sinn habe ich auch in meinem kurzen Redebeitrag zur Vorlage des Fortschrittsberichtes im Europäischen Parlament gemeint:

„Der Bericht der Kommission enthält viel Optimismus, aber auch viel Realismus. Ich gebe Kommissar Verheugen Recht, vieles ist geschehen, aber vieles an Reformen muss noch geschehen, und gerade wir als Parlamentarier müssen sowohl mit Visionen als auch mit Genauigkeit und Pragmatismus die Berichte studieren und beurteilen, so wie wir auch die Verhandlungsergebnisse überprüfen müssen. Ich möchte gleich jetzt sagen: Ohne weitere Anstrengungen zur Herstellung des Binnenmarktes, zur Integration der Minderheiten – zum Beispiel der Roma und Sinti – und zur Durchsetzung des Rechtsstaates kann die Erweiterung sicherlich nicht gelingen. Ich möchte aber auch dazu sagen, dass es an uns liegt, jene Verhaltensweise an den Tag zu legen, die geeignet ist, Brücken zu schlagen.

Wenn das Wort Benes-Dekrete schon gefallen ist: Ich bin sehr froh über die Studien, die im Auftrag dieses Parlaments erstellt wurden und die zum Ausdruck bringen , dass es keine rechtlichen Hindernisse für den Beitritt der Tschechischen Republik gibt. Gleichzeitig sage ich, es wäre für das Klima der Verhandlungen und Entscheidungen dienlich, wenn die Tschechische Regierung den Mut zu einer Klärung hätte, die eine Neubewertung der Benes-Dekrete aus heutiger Sicht mit sich bringen würde, aber nicht als Forderung, als Bedingung, sondern als Angebot.

Lassen Sie mich noch eine Bemerkung als ehemaliger Berichterstatter für die Türkei machen. Ich verstehe, dass viele in der Türkei, vor allem auch proeuropäische Kräfte, enttäuscht sind über die Vorschläge der Kommission, soweit sie eben nicht ein fixes Verhandlungsdatum für den Beitritt benennen. Ich verstehe und unterstütze die Kommission jedoch in ihrer Haltung, und sehe auch eine große Chance für die Türkei, wenn sie nicht nur starr auf ein solches mögliches Datum schaut, sondern wenn sie bereit ist, mit der Europäischen Union an einer echten wirtschaftlichen und politischen Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der Türkei zu arbeiten, bis ein Beitritt möglich wird. Die Vorschläge der Kommission sind ein Ansatz dafür. Es kann noch mehr getan werden, und das können wir in den nächsten Monaten gemeinsam erarbeiten.

Ich bin heute gefragt worden: Was sage ich meinen Bürgerinnen und Bürgern? Was bedeutet dieser Vorschlag der Kommission? Ich würde sagen, er bedeutet Ja zum Beitritt, Ja zum Beitritt 2004. Er bedeutet aber auch, dass es an den Ländern selbst liegt, ob sie die Hände in den Schoß legen oder ob sie bereit sind, an den Reformen weiter zu arbeiten. Ich hoffe, dass alle Kandidaten bereits sind, an den notwendigen Reformen weiter zu arbeiten.“
Brüssel, 9.10.2002