USA VI: Der Geist von Silicon Valley

5245795865_16f693b86e_oVollgestopft mit Informationen sitze ich am Flughafen San Francisco. Die Informationen stammen von den Betriebsbesuchen bei Cisco, eBay und PayPal sowie Intel und Google. Und die Präsentationen und Diskussionen waren in der Tat sehr spannend. Man muss ja nicht alles glauben, was einem da im Laufe des Tages berichtet wurde, aber es war jedenfalls eindrucksvoll.

Bei Google

Silicon  Valley wurde ja schon mehrmals tot gesagt, aber mein Eindruck ist, dass es lebt  – und zwar deutlich. Immer neue Produkte werden entwickelt und neue Systeme werden auf den Markt gebracht. Dabei kommt der Druck sowohl aus den Weiterentwicklungen der Technologien als auch von der Nachfrage her. Wahrscheinlich  kann man die Wurzeln der Neuentwicklungen von Produkten und Systemen nicht immer klar erkennen.
In allen Firmen, die wir besuchten, gab es klare Vorgaben und Anerkennung der Führungspersönlichkeiten, insbesondere dann, wenn es sich um den Gründer handelt. Anderseits dürften im Wesentlichen flache Hierarchien die Kreativität und das Engagement fördern. Besonders auffällig waren die Arbeitssituation und das Arbeitsklima bei Google, im Konkreten beim Campus der von den kreativen Ingenieuren „beherrscht“ wird. Mikroküchen, Billardtische, Schwimmbecken, Massageankündigungen etc. beherrschten den optischen Eindruck.  Nach der 150 Meterregel sollte alle 150 Meter eine Essensstation, also eine Mikroküche vorhanden sein. Es herrscht auch  ein 24-Stunden Betrieb, 7 Tage die Woche. Meine Frage nach Selbstausbeutung und Burn out-Syndromen wurde als nicht relevant angesehen. Vielleicht hängt das auch mit dem jugendlichen Alter der MitarbeiterInnen zusammen. Und im Übrigen besteht Google erst seit 12 Jahren.

Bei eBay

Eine ähnliche Dynamik, wenngleich etwas disziplinierter, war bei eBay und der aufgekauften Firma PayPal zu bemerken. Letztere führt bereits für 90 Millionen Menschen den Zahlungsverkehr durch. eBay allein bildete letzten Sonntag die Plattform für den Verkauf bzw. Kauf von 6,5 Millionen Gegenständen. Und in den letzten 12 Monaten machte eBay einen Umsatz von 60 Milliarden Dollar.

Was aber jenseits der Zahlen von Interesse ist, ist der Aufbau grenzüberschreitender Netzte, die man durch unsere „antiquierte“ Gesetzgebung kaum in den Griff bekommt. Wenn Käufer und Verkäufer, Zahler und Empfänger direkt in Kontakt treten und „nur“ bestimmte, weltweit agierende Plattformen verwenden, dann ist eine staatliche und selbst eine europäische Regulierung schwer möglich. Aber dennoch gilt es, den Handel mit gefälschten Produkten genauso zu verhindern wie Geldwäsche und Finanzierung von Terrorismus. Da muss man sich vor allem auf das Interesse der Betreiber der diversen Plattformen verlassen, die ja kein Interesse haben, in einen schlechten Ruf zu kommen.

Regulierungen sind notwendig

Interessant ist auch, dass diese Netzte zunehmend durch die gleichen Faktoren gekennzeichnet sind: erstens geht es um eine Verbindung von Lokalem und Globalem. Die Kunden wollen globale Informationen haben, aber dann doch wieder vielleicht lokal einkaufen und ihre Umgebung persönlich durchforsten. Dabei spielt das Mobiltelefon als Iphone etc. eine immer größere Rolle, aber auch soziale Netzwerke wie Facebook. Das Urteil von Freunden wird sehr geschätzt. Und natürlich spielt bei all dem die digitale Welt die entscheidende Rolle. Es ist wirklich eine neue Welt entstanden, die nicht unbedingt die alte Welt ersetzt, aber neue Verknüpfungen und Vernetzungen herstellt, die das Regulieren zweifellos schwieriger macht.
Wenn man von Regulierung spricht, dann fällt einem natürlich der Schutz der Privatsphäre und Cyberkriminalität ein. Was die Privatsphäre betrifft, so ist sie schwer zu schützen, wenn die Privaten oder die kommerziellen Nutzer unvorsichtig sind. Das gilt nicht zuletzt für viele jugendlichen Benutzer von Facebook. Dennoch muss es Regeln geben, die die unautorisierte Weitergabe von Daten verhindert bzw. nicht autorisierte Aufnahmen wie bei Google Street View verhindert. Da müssen die europäischen und amerikanischen Aufsichtsbehörden genau aufpassen.

Wie weit soll die Sicherheit gehen?

Die Verhinderung von Cyberattacken ist da schon schwieriger. Da beteiligen sich unter Umständen einzelne private Hacker, berufsmäßige Piraten, Unternehmungen, aber auch Staaten. Viele Unternehmungen wie auch Cisco und Intel arbeiten an der Abwehr solcher Attacken.

Dabei stellt sich die Frage wie weit die Sicherheit gehen soll. Welche Attacken sind vorrangig abzuwehren und wie schnell soll eine angegriffenes System wieder funktionieren? Das wird sicher auch von der Bedeutung solcher Systeme, zum Beispiel für die allgemeine Versorgung oder für die nationale Sicherheit, sein. Dabei gehe ich davon aus, dass die Großmächte, aber nicht nur sie, sowohl an der Abwehr von Attacken als auch an der Planung von möglichen Attacken gegenüber anderen arbeiten, also an der Verteidigung als auch am Angriff interessiert sind. Die jüngsten Versuche, das iranische Atomprogramm lahm zu legen, haben dies deutlich gemacht.

Europa braucht mehr Freude am Experimentieren

In diesem Sinn hat die Cyberwelt nicht nur mehr Sicherheit gebracht, sondern auch mehr Unsicherheit. Auf alle Fälle bedarf es einer intensiven Zusammenarbeit auf globaler Ebene, wollen wir die größten Risken ausschalten. Aber auch der Schutz der Privatsphäre und der Konsumenten generell ist am besten durch globale Regeln zu gewährleisten. Jedenfalls sollten die EU und die USA versuchen, zu gleichen Regeln zu kommen. Ob das mit der neuen Mehrheit im Kongress möglich ist, kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden.

Einerseits sind einige konservative Republikaner besonders heiß auf den Schutz der Privatsphäre, anderseits gibt es eine Gruppe von Marktradikalen, die am liebsten überhaupt keine Regeln wollen. Was mir und auch einigen anderen KollegInnen klar geworden ist, ist, dass wir bei der Regulierung der neuen Cyberwelt viel innovativer vorgehen müssen und vor allem die jungen Menschen erziehen müssen, überlegt und mit entsprechender Vorsicht umzugehen. Wir sollten aber auch in Europa dazu übergehen, uns zu überlegen, wo überhaupt Regeln angebracht sind und wo wir auf die Vernunft der KomsumentInnen setzen sollen. Vor allem aber brauchen wir auch in Europa ein Klima der Innovation und der Freude am Experimentieren. Da werden wir die USA nicht einholen können. Aber ein wenig von dem Geist von Silicon Valley könnte Europa schon  vertragen. Wie brauchen vor allem mehr junge Leute, die neue Unternehmungen wagen. Und solche, die auch mit mehr Lust und Glauben an die Zukunft versuchen, Ideen zu verwirklichen.

San Palo, 6.12.2010