Der Kosovo nach der Unabhängigkeit

kosovoIn den Debatten im Europäischen Parlament, aber auch bei diversen Diskussionsveranstaltungen, wird der EU immer wieder eine mangelhafte bzw. verfehlte Strategie für den Balkan vorgeworfen. Sicherlich kann man einiges seitens der EU besser machen und es ist zu hoffen, dass der neue Kommissar, der für die Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik verantwortlich sein wird, einige neue Initiativen setzen wird. Aber man muss immer wieder klar zum Ausdruck bringen, dass die Hauptverantwortung zur Verbesserung der Lage bei den verantwortlichen PolitikerInnen der Region selbst liegt. Sie müssen begreifen, dass sie ohne eigene Anstrengungen und Reformen den Zug in Richtung EU versäumen und jedenfalls auf den nächsten warten müssen.

Studienpräsentation

Anlässlich einer Diskussion über die Studie: „Kosovo nach der Unabhängigkeit“ der beiden von mir geschätzten Autoren Vedran Dzihic und Helmut Kramer wurde wieder einmal die gesamte Schuld der EU zugeschoben. Schon die Studie selbst, die vor allem die „EULEX“-Mission der EU zur Sicherung der Rechtsstaatlichkeit und vor allem zur Wahrung der Minderheitenrechte eingesetzt wurde, zum Gegenstand hatte, ging diesen gefährlichen Weg. Besonders unterstrichen wurde diese Ansicht von einer Vertreterin der kosovarisch-albanischen Mehrheit. Alles Übel kommt von der Intervention der internationalen Gemeinschaft, insbesondere der EU. Nun, jede Intervention von Aussen, noch dazu von einer komplexen multinationalen Organisation, schafft Probleme und Ablehnung – jedenfalls bei einem Teil der Bevölkerung, vor allem der Mehrheit, die sich in ihrer Freiheit etwa gegenüber der Minderheit beschränkt fühlt. Aber je verantwortlicher sie sich gibt, desto rascher kann die internationale Gemeinschaft auf ihre „Intervention“ verzichten.

Ich verstehe schon, dass die Erwartungen der albanisch-kosovarischen Bevölkerung vor und zum Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärung sehr hoch gesteckt waren. Aber ich habe in all meinen Gesprächen mit kosovarischen PolitikerInnen vor der Illusion gewarnt, die Unabhängigkeit löse alle Probleme. Und das haben sicher andere auch getan. Aber natürlich hat man eher jenen Stimmen geglaubt, die sie in ihrer Illusion bestärkt haben. Zum Beispiel wäre es vernünftig, sich jetzt mehr um die wirtschaftlichen Probleme dieses Landes zu kümmern. Vor allem sollte man sehen, dass die Landwirtschaft und ihre Produkte Zugang zum inneren Markt haben und nicht soviel um teures Geld importiert werden muss.

Auf sich selbst konzentrieren

Immer wieder wird beklagt, dass wir versuchen, einen Konsens mit Serbien herzustellen – so auch durch ein Arbeitsübereinkommen mit Serbien hinsichtlich der EULEX-Mission vor allem im nördlichen, „serbischen“ Teil des Kosovo. Nun: Wer in dieser Region Frieden haben möchte, der kann das grösste Land nicht missachten. Und der Kosovo war nun einmal ein Teil Serbiens, bevor er mit Zustimmung des grössten Teils der europäischen Staaten und der USA von Serbien „abgetrennt“ wurde und die Unabhängigkeit empfohlen oder zumindest akzeptiert wurde. Dass Serbien das nicht so einfach schluckt, ist verständlich, auch wenn sich heute ausserhalb Serbiens kaum jemand vorstellen kann, dass der Kosovo jemals wieder in Serbien integriert werden kann. Dafür haben sich die Dinge in den letzten Jahren zu sehr auseinander entwickelt. Endgültig können diese Fragen erst dann gelöst werden, wenn beide in der Zielgeraden zum Einlauf in die EU sind. Das aber wird noch einige Zeit dauern.
Bis dahin allerdings wäre es gut, würde sich der Kosovo mehr auf die Reformen im Lande selbst konzentrieren, und dabei sollte die EU sicherlich behilflich sein. Und Serbien sollte sich ebenfalls auf seine internen Probleme konzentrieren und den Serben im Kosovo nicht von einer Teilnahme an den Regionalwahlen abraten, wie das zuletzt geschehen ist. Wer das Interesse des serbischen Bevölkerungsteils des Kosovo wirklich vertritt, der muss auf alle Fälle für eine gute Zusammenarbeit aller Bevölkerungsschichten eintreten. Wahlen sind ein gutes Instrument zur Integration und zur Interessensvertretung in gemeinsamen Institutionen, unabhängig vom Status des Landes. Und im Übrigen sollten sich Albaner und Serben im Kosovo um die katastrophale Lage der kleinen Minderheiten, vor allem der verschiedenen Gruppen der Roma und Sinti kümmern.

 Wien, 29.11.2009