Dialog und Zusammenarbeit

Die Arabische Liga könnte dazu beitragen, den Dialog zwischen Europa und der islamischen, vor allem der arabischen Welt zu ermöglichen und zu forcieren.
Gestern abends kamen wir von Belgrad aus in Brüssel an. Ich selbst traf um 21.30 Uhr noch eine Besuchergruppe aus Tirol, mit der ich über einige Probleme und Entwicklungen in der Europäischen Union diskutierte. In dieser Gruppe waren auch viele FreundInnen, die ich aus dem EU-Walkampf in Tirol kenne und die sich in diesem Wahlkampf sehr engagiert gezeigt haben. Es war nett, jetzt hier mit ihnen in Brüssel zusammen zu sitzen.

Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa

Heute hat mich wieder die alltägliche Ausschussarbeit in Anspruch genommen. An vorderster Stelle stand dabei der Außenpolitische Ausschuss. Wir führten dort eine spannende Diskussion mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa. Er amtierte ca. 10 Jahre als Außenminister von Ägypten und wurde dann als Generalsekretär der Arabischen Liga „abgeschoben“. In dieser Funktion ist er allerdings äußerst aktiv.
Worin die Gründe für seine Abschiebung liegen, kann ich nicht beurteilen. Manche meinen, Moussa habe in einigen Fragen eine zu harte Linie vertreten, insbesondere hinsichtlich der Politik Sharons. Moussas Haltung war jedenfalls eindeutig: Er hat sich für das Recht Israels auf eine friedliche Existenz in der Region ausgesprochen. Er forderte aber auch, dass sich Israel auf die Grenzen von 1967 zurückziehen muss, was ja auch dem UNO-Beschluss entspricht.

Karikaturenstreit und Hamas

Auch in der Frage des Karikaturenstreits hat Moussa versucht, für Verständnis zu werben. Er hat klar gemacht, dass es darüber in der arabischen Welt Unruhe und Unmut gibt, aber er hat auch zum Ausdruck gebracht, dass alle Proteste nur auf friedliche Art und Weise geäußert werden können.
Moussa bezog auch zur Hamas Position. Er plädierte dafür, die Hamas in der Europäischen Union nicht von Haus abzulehnen. Das käme einer Bestrafung für die Bevölkerung gleich, die sich in einer demokratischen Wahl für die Hamas ausgesprochen hat. Und zwar nicht deshalb, weil die Hamas eine terroristische Organisation ist, sondern weil sie gegenüber ihrem Vorgänger – der Fatah-Bewegung – wenig Vertrauen gezeigt hat und Korruption und Zwiespältigkeit den Kampf ansagte. Auch Israel hat die Fatah nicht als Partner anerkannt. Aus diesem Grund hatte die Fatah gar nicht die Möglichkeit, glaubhaft zu machen, eine starke Regierung bilden und mit Israel verhandeln und konkrete Ergebnisse erzielen zu können.

Atomwaffen

In einer kleinen Gesprächsrunde, an der meine Kollegin Napoletana, Moussa und ich selbst teilnahmen, haben wir über die Möglichkeiten der Zusammenarbeit und des Dialoges mit der arabischen Welt, insbesondere mit der Arabischen Liga reflektiert. Moussa ist ein erfahrener Diplomat. Zwar sollte die Arabische Liga in ihrer Position nicht überschätzt werden. Aber sie kann doch dazu beitragen, den Dialog zwischen Europa und der islamischen, vor allem der arabischen Welt zu ermöglichen und zu forcieren.
Die Arabische Liga vertritt keine islamischen, nicht-arabischen Staaten wie beispielsweise den Iran – auch wenn sich dieser in der arabischen Region befindet. Die Frage der atomaren Bewaffnung ist entscheidend für Stabilität oder Instabilität in der Region. Aus diesem Grund sprach sich Moussa dafür aus, dass kein Land der Region über Atomwaffen verfügen sollte. Im Prinzip ist das eine richtige Forderung. Wir alle würden uns wohler fühlen, wenn weder Israel noch der Iran oder ein anderes Land in dieser Region Atomwaffen besitzen würde. Dieses Ziel zu erreichen, wird allerdings sehr schwierig sein.

Vorsitzender der ukrainischen Sozialdemokratie, Olexandr Moros

Am Abend lud ich zu einem Essen für den Vorsitzenden der ukrainischen Sozialdemokratie, Olexandr Moros, ein. Ich kenne Moros schon seit vielen Jahren und habe auch an einer Konferenz teilgenommen, die die ukrainische Sozialdemokratie in Kiew veranstaltet hat. Vor wenigen Wochen habe ich Moros beim Treffen der Sozialistischen Internationale in Athen wieder gesehen. Moros ist gerade durch die Aufnahme in die Sozialistische Internationale unser offizieller Partner in der Ukraine geworden.
Wenn man in einem Land nicht alle Interna kennt und beobachten kann – wie es bei der Ukraine und der Partei, deren Vorsitzender Moros ist, der Fall ist -, ist es immer schwierig, verlässliche Partner zu finden. Letztendlich schien er uns aber angesichts der schwierigen Situation in der Ukraine der beste Partner zu sein.

Euphorie ist verpufft

Wir wissen, dass dieses Land keine leichten Zeiten durchmacht. Die Euphorie, die bei unzähligen Menschen mit der Orangen Revolution verbunden war, hat sich in der Realität nicht umgesetzt. Die führenden Kräfte der Orangen Revolution, Juschtschenko und Timoschenko, sind mittlerweile verfeindet bzw. können sich nicht auf eine gemeinsame Plattform einigen. Janokowitsch, der sehr stark an Russland orientierte Kandidat, ist wieder im Aufwind. Das könnte zur Folge haben, dass er als Ministerpräsident eingesetzt werden müsste.
Es wird jedenfalls für Präsident Juschtschenko nicht leicht sein, nach der Wahl mit PolitikerInnen zu regieren, die ihm weder persönlich noch politisch nahe stehen. Die Energiekrise, aber auch etliche Ungereimtheiten und Ungeschicklichkeiten, denen Juschtschenko in den vergangenen Monaten ausgesetzt war, haben sein Image in der Ukraine zudem nicht gerade verbessert.

„Europa in der Ukraine bauen“

Moros selbst hofft, dass er zumindest 15% der Stimmen erhalten wird – das ist nicht viel, könnte seiner Partei aber doch eine Regierungsbeteiligung sicherstellen. Ich wünsche ihm sehr, dass das gelingt. Bisher jedenfalls hat sich seine Partei durch Geradlinigkeit und den Kampf gegen die Oligarchien, durch vernünftige wirtschaftliche Reformen und ein korrektes, nicht unterwürfiges, aber auch nicht unnötig provozierendes Verhältnis zu Russland ausgezeichnet. Und Stabilität und Fortschritt kann die Ukraine zweifellos gut gebrauchen.
Der Wahlslogan von Moros´ Partei lautet „Europa in der Ukraine bauen“. Dadurch wird deutlich, dass die Ukraine zuallererst einmal europäisch werden muss, bevor man überhaupt darüber diskutieren kann, ob und wann sie Mitglied der Europäischen Union wird. Viele der Normen und Standards, die wir in der EU erarbeitet haben, müssen dort erst erreicht werden.

Perpetuum Mobile

In diesem Zusammenhang muss man allerdings eingestehen, dass heute viele dieser Normen und Standards in einigen Ländern, von Italien bis Polen, von entscheidenden politischen Kräften, die sogar über Mehrheiten verfügen, wieder in Frage gestellt werden. Wir haben aber schon länger die Erkenntnis gewonnen, dass nichts von diesem Fortschritt und den erreichten Standards selbstverständlich und auf Dauer hergestellt werden kann. Es bedarf immer wieder neuer Auseinandersetzungen, um die Akzeptanz und die Einhaltung der entsprechenden demokratischen Normen Standards zu erzielen.

Brüssel, 22.2.2206