Die geteilte Insel

Wir müssen die für Europa so schändliche Trennung Zyperns und einzelner Städte schrittweise überwinden.
Von Telaviv aus flog ich direkt nach Larnaca auf Zypern. Die Maschine war voll von Israelis, die offensichtlich zu einem – sicheren – Urlaub nach Zypern aufbrachen.

„Türkische“ Besetzung

Am Flugplatz wurde ich bereits von einer Mitarbeiterin unserer Schwesterpartei EDEK vom griechischen Teil der Insel empfangen. Gleich im Auto begannen wir, über das Verhältnis der Griechen und Türken auf der Insel zu diskutieren. Die Tatsache, dass die Insel von den Türken besetzt wurde, wog schwer in den Argumenten gegen den Wiedervereinigungsplan des UN-Generalsekretärs Kofi Anan. Denn in diesem war ein kleines symbolisches Kontingent der türkischen Armee auch weiterhin vorgesehen. Noch mehrmals im Laufe der Diskussion mit unseren griechisch-zypriotischen Freunden sollte dies zur Sprache kommen.
Die erste „türkische“ Besetzung geht allerdings auf das Jahr 1570 zurück. 1573 fiel die Insel im Rahmen eines venezianisch-osmanischen Sonderfriedens „legal“ in die Hände des osmanischen Reiches. 1878 übernahmen die Briten die Verwaltung und im Frieden von Lausanne 1923 die vollen Besitzrechte an der Insel.

Nordzypriotische „Republik“

1960 wurde die Insel – unter der Präsidentschaft des legendären Erzbischofs Makarios unabhängig. Allerdings setzte die EOKA unter dem Guerillakämpfer Georgios Grivas den Kampf um die Vereinigung mit Griechenland (ENOSIS) fort und 1963 wurden die Rechte der Türken, die ihnen durch die Verfassung 1960 garantiert worden waren, einseitig aufgehoben bzw. wesentlich eingeschränkt. Es kam zum Bürgerkrieg und zur Einschaltung der UNO.
1974 besetzten dann türkische Truppen die Insel und 1975 kam es zur Ausrufung einer eigenen nordzypriotischen Republik, ab 1976 mit Rauf Denktasch als „Staatspräsident“. Außer der Türkei hat jedoch kein Staat die „Republik“ jemals anerkannt. Das ist aber nur ein grober Abriss der komplizierten und wechselhaften Geschichte Zyperns. Für die „Griechen“ ist die Abwesenheit türkischer Soldaten und die kontinuierliche Zuwanderung von Türken aus dem Festland ein klarer Fall von Aggression. Die „Türken“ sehen darin eine gerechtfertigte Verteidigung ihrer Lebensinteressen.

Der „Annan-Plan“

Jedenfalls wurde der Annan-Plan, der der türkischen Minderheit eine – fast – gleichberechtigte Position gegenüber der griechischen Mehrheit gibt, allerdings mit der Eigenstaatlichkeit des Nordens Schluss macht, im türkischen Nordteil klar angenommen, im griechischen Süden jedoch ebenso klar abgelehnt. Dabei war sowohl der nordzypriotische „Präsident“ gegen den Plan wie auch der Präsident der Republik Zypern, Papadopoulos, den wir auch zu einem ausführlichen Gespräch besuchten.
Er brachte viele rechtliche und politisch-pragmatische Einwände gegen den Annan-Plan vor, jeder Einwand für sich hatte einen hohen Grad an Plausibilität. Insgesamt hatte ich – und nicht nur ich – den Eindruck, dass Papadopoulos seine Macht nicht mit türkischen Vertretern teilen möchte. Er setzte die Latte so hoch, dass eine Wiedervereinigung eine klare Kapitulation der nord-zypriotischen Seite bedeuten würde.

Gegenargumente

Das Gespräch mit dem früheren Chef der Sozialdemokraten, Vassos Lyssarides, hatte bei mir einen ähnlichen Eindruck hinterlassen. Allerdings war für ihn das wichtigste Gegenargument die verbleibende Anwesenheit des türkischen Militärs.
Lyssarides, den ich schon mehrmals in seinem schönen Haus in der Mitte der Hauptstadt Nicosia besucht habe, ist ein sehr angenehmer, kultivierter Gesprächspartner, aber dennoch ein vehementer griechisch-zypriotischer Nationalist, der seine Partei auch wesentlich in Richtung eines Nein zum Annan-Plan bei der Abstimmung im Frühjahr des vergangenen Jahres beeinflusste.

Mithilfe zur Annäherung

In den Gesprächen am Nachmittag sowie am nächsten Tag mit Vertretern der türkischen Sozialdemokraten unter Führung des nord-zypriotischen „Ministerpräsidenten“ Mehmet Ali Talat ging es um unseren Beitrag zu einer Annäherung der beiden Teile, zumindest der beiden sozialdemokratischen Bewegungen. Ich glaube nämlich nicht, dass die Wiedervereinigung der Insel so schnell Wirklichkeit werden wird. In der Zwischenzeit müsste es aber zu mehr Öffnungen der unmenschlichen Grenze zwischen Nord und Süd kommen und die gemeinsamen Gespräche müssten intensiviert werden.
Das Europäische Parlament, und insbesondere unsere Fraktion, hat sowohl einer größeren finanziellen Unterstützung für die Nordzyprioten als auch dem direkten Handel mit diesem Inselteil zugestimmt. Die Griechischzyprioten allerdings wittern immer und überall in solchen „Zugeständnissen“ eine zumindest indirekte Anerkennung der „nordzypriotischen Republik“. Das will ohnedies niemand, aber überdies hat auch die Anerkennung der DDR nicht die Wiedervereinigung verhindert. Und es hilft auch nicht, über den Norden permanent als „türkisch besetztes Gebiet“ zu sprechen.

Trennung muss überwunden werden

Viele unserer Gesprächspartner im Norden wären froh, könnten sie das türkische Militär und dessen Einfluß los werden. Andererseits möchte sie Garantien haben, dass sie nicht wieder ihrer Rechte verlustig gehen und von der griechischen Mehrheit „unterdrückt“ werden. Allerdings ist genau das nur durch die Mitgliedschaft der Insel mit ihren beiden Teilen in der EU möglich, und dies war ja im Annan-Plan vorgesehen. Aber um es nochmals zu betonen: Nach dem Scheitern des Annan-Planes kommt es jetzt darauf an, die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen dem „griechischen“ Teil, der in die EU integriert ist und dem „türkischen“ Teil, der sich de facto – wenngleich nicht de jure – außerhalb der EU befindet, nicht weiter wächst.
Letztendlich kommt alles, was wir dem nördlichen Teil als Hilfe angedeihen lassen, der gesamten Bevölkerung des Inselstaates Zypern zugute! Und in diesem Sinn wollen wir mit beiden Teilen und den politischen Vertretern in Zukunft enger zusammenarbeiten. Schrittweise müssen wir die für Europa so schändliche Trennung der Insel und einzelner Städte überwinden.

Nicosia, 5.2.2005