Die Hearings gehen weiter

Der Italiener Rocco Buttiglione ist aufgrund seiner Aussagen ungeeignet für die Bereiche Justiz und Inneres und damit auch für die Grund- und Freiheitsrechte und für die Antidiskriminierungspolitik, für die er verantwortlich wäre.
Diese Woche gingen die Anhörungen der Kommissars-Kandidaten im Europäischen Parlament weiter. Wieder zeigte sich ein sehr unterschiedliches Bild von schwachen und starken KandidatInnen. Und es bestätigte sich der Eindruck einer mehrheitlich neoliberal geprägten Kommission.

Berlusconi-Kandidat Rocco Buttiglione

Allerdings spitzte sich die politische Auseinandersetzung auf einen Kandidaten besonders zu: Rocco Buttiglione. Er ist der Europaminister von Berlusconi, ein Christdemokrat und war bisher nicht besonders aufgefallen. Schon im Vorfeld der Anhörungen allerdings ließ Buttiglione mit Vorschlägen zur Asylpolitik aufhorchen. Man sollte nach seiner Ansicht den Zuwandererstrom bereits in Nordafrika zu kanalisieren und zu selektionieren beginnen. Dazu schlug er die Schaffung von „Auffanglagern“ in den nördlichen Staaten Afrikas sowie Einwanderungsstellen Europas in diesen Staaten vor, um den Zuwanderungsstrom nach Europa gezielt und je nach Bedarf zu lenken.

„Auffanglager“ vor den Toren Europas

Je nachdem, wie man den Begriff Auffanglager definiert und welches Bild man damit verbindet, sind dies durchaus diskussionswürdige Ideen oder Horrorvorstellungen. Und ich muss hinzufügen, dass auch der britische Premierminister Toni Blair und der deutsche Innenminister Otto Schily ähnliche, allerdings weniger ausgereifte Ideen in die Welt gesetzt haben. In einem Gespräch, das ich mit Buttiglioni in der italienischen Residenz in Straßburg geführt habe, habe ich seine Interpretation seiner Vorschläge durchaus akzeptieren können und sie den Mitgliedern meiner Fraktion übermittelt.

Katholisch-fundamentalistisches Weltbild

War dieser Sprengstoff zumindest zum Teil entsichert, so zündete Buttiglione in der Anhörung im Europaparlament aber eine anderen Anlass für Auseinandersetzungen. Er bezeichnete Homosexualität als Sünde und vertrat ein extrem konservatives Frauenbild. Die diesbezüglichen Aussagen und sein Verhalten beispielsweise auch als Mitglied des Verfassungskonvents zeugen von einem katholisch-fundamentalistischen Weltbild. Ich muss ein solches Weltbild durchaus tolerieren und akzeptieren, und es macht Buttiglioni auch nicht ungeeignet, Mitglied der EU-Kommission zu sein.

Ungeeignet!

Aber es macht ihn aus meiner Sicht und letztendlich auch aus der Sicht der Mehrheit des zuständigen Ausschusses, der die Anhörung organisierte, ungeeignet für die Bereiche Justiz und Inneres und damit auch für die Grund- und Freiheitsrechte und für die Antidiskriminierungspolitik, für die er verantwortlich wäre. Darauf fußt auch unsere Forderung an den Kommissionspräsidenten Barroso, Buttiglioni entweder ein anderes Ressort zu geben oder zumindest die heiklen Bereiche der Antidiskriminierungs- und der Gleichstellungspolitik jemand anderem zu übertragen. Ich hoffe, Barroso kann rasch reagieren, andernfalls wird er große Schwierigkeiten bekommen.
Brüssel, 11.10.2004