Die Ukraine zwischen der EU und Russland

Wenn wir unsere Interessen umsetzen und für Russland und die Ukraine ein respektierter Partner sein wollen, brauchen wir eine geschlossenere EU.
Eine anstrengende Woche in Brüssel mit der Debatte über meinen Kroatienbericht, den Diskusionen über das Energiepaket und vielen weiteren Terminen liegt hinter mir. Ich hatte allerdings schon vor einigen Wochen zugesagt, beim „EU-Ukraine-Forum“ in Kiew zu referieren, und so flog ich Donnerstags abend über Wien in die ukrainische Hauptstadt.

Einen gemeinsamen Energiemarkt schaffen

Mit dabei war auch ein Kollege aus dem Europaparlament, der ehemalige polnische Ministerpräsident Jerzy Buzek. Er entstammt dem pro-europäischen, konservativen Lager in Polen und ist persönlich ein sehr angenehmer Kollege. Er führte auf der Konferenz in Kiew den Vorsitz bei jenem Panel, bei dem auch ich auftrat und übergab mir schließlich seinen Vorsitz, da er selbst früher zum Flughafen musste.
In meinem kurzen Referat konzentrierte ich mich auf zwei Fragestellungen: Zum einen auf die Grundzüge der EU-Energiepolitik und zum anderen auf die mögliche energipolitische Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union, Russland und der Ukraine. Für die EU-Energiepolitik würde ich drei Elemente besonders herausstreichen: Erstens versucht die EU, einen gemeinsamen Energiemarkt herauszubilden. Das bedeutet, dass wir mehr Wettbewerb benötigen, und das wiederum bedingt eine Öffnung der nationalen Märkte, um den Zugang von neuen Marktteilnehmern zu ermöglichen. Vor allem für solche, die alternative Energien produzieren, aber natürlich nicht nur für diese. Der gemeinsame Energiemarkt setzt überdies vermehrte Investitionen voraus, vor allem in die Verbindungen zwischen den verschiedenen nationalen Märkten. Die zweite Komponente der europäischen Energiepolitik bezieht sich auf den Zusammenhang von Energie und Umwelt. Im Interesse einer aktiven Klimapolitik geht es dabei um ein erhöhtes Energiesparen, um eine Steigerung der Energieeffizienz und natürlich um einen erhöhten Einsatz der erneurbaren Energien, aber auch um einen umweltfreundlicheren Einsatz traditioneller Energieträger wie Kohle, etc.

Energieaußenpolitik

Last but not least möchte ich die Energieaussenpolitik erwähnen. Sie ist das schwächste Glied in der Kette der energiepolitischen Ansätze der EU. Einzelne Mitgliedstaaten schließen munter Verträge, etwa mit Gazprom, über neue pipelines, etc. ab, ohne auf gesamteuropäische Interessen Rücksicht zu nehmen. So werden wir unser Ziel einer stärkeren Streuung bzw. Diversifizierung der Gaslieferung sicher nicht erreichen. Da müsste die EU-Kommission vehement die europäischen Interessen wahrnehemen.
Unsere eigenen Interessen zu vertreten bedeutet nicht, die Zusammenarbeit mit den traditionellen Energieliferanten zu vernachlässigen. Unser Interesse an Diversifizierung der Gaslieferungen nach Österreich und unser Wille zur Zusammenarbeit mit Russland können durchaus Hand in Hand gehen und sollten natürlich die Transitländer wie die Ukraine miteinschliessen. Eine solche Zusammenarbeit sollte sich aber auf drei Grundsätze stützen.

Drei Grundsätze

Erstens bedarf es einer Transparenz aller Entscheidungen und Verträge. Das jüngste „Abkommen“ zwischen Russland und der Ukraine ist völlig intransparent. Keiner meiner Gesprächspartner aus der Ukraine konnte es mir interpretieren. Zweitens bedarf es einer hohen Verlässlichkeit und vor allem Vertragstreue. In diesem Punkt haben einige Unternehmungen in der jüngsten Vergangenheit in Russland unangenehme Überraschungen erlebt, wenngleich die ürsprünglichen Verträge nicht immer faire Abkommen darstellten. Drittens sollten die Partner einige gemeinsame Projekt entwickeln und durchführen, zum Beispiel hinsichtlich der Transportinfrastruktur, also dem Pipelinesystem. Je mehr gemeinsam gemacht wird, desto mehr Vertrauen kann aufgebaut werden und desto weniger braucht ein Partner befürchten, dass der andere ihn übervorteilt oder blockiert.
Schließlich sollte die Zusammenarbeit von Gegenseitigkeit gekennzeichnet sein. Jeder sollte sich derart in der Energiewirtschaft des anderen Partners engagieren können, wie er selbst ein Engagement in seinem eigenen Bereich zulässt. Es wird nicht leicht sein, eine Zusammenarbeit auf der Grundlage dieser Prinzipien zu entwickeln und umzusetzen. Dazu braucht es jedenfalls eine geschlossenere EU. Diese benötigen wir aber ohnedies, wenn wir unsere Interessen umsetzen und für Russland und die Ukraine ein respektierter Partner sein wollen.

Kiew, 29.2.2008