Die UNO ist unverzichtbar

Trotz all ihrer Schwächen sollten wir nicht auf die UNO verzichten. Gerade die Europäische Union sollte jene Kraft sein, die eng mit ihr zusammenarbeitet.
Von Washington flogen wir vorgestern Abend nach New York, das naturgemäß völlig anders ist.

Kriege für die Freiheit

Washington ist die imperiale Hauptstadt, großzügig angelegt, mit sehr viel Grün und auch vielen Museumsbauten sowie Denk- und Mahnmälern. Washington ist auch eine Stadt mit unzähligen Kriegerdenkmälern, die die Größe Amerikas und den Einsatz Amerikas für die Erkämpfung der Freiheit demonstrieren sollen.
In Amerika ist jeder Krieg ein Krieg für die Freiheit. Für einige Kriege stimmt das absolut: Den Einsatz der Amerikaner im Zweiten Weltkrieg soll man in Europa nicht vergessen. Natürlich standen dahinter auch eigene Interessen, aber de facto war es ein großer Beitrag zur Befreiung vom Naziregime. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass jeder Krieg immer ein Krieg für die Freiheit war. Hinzu kommt: Man kann nicht überall dort, wo Unfreiheit herrscht, einen Krieg anzetteln. Dass dies in die Katastrophe führt, hat man am Beispiel Vietnam gesehen und man sieht es derzeit im Irak. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Amerikaner daraus gelernt haben. Zumindest nicht viele, so unpopulär der Irakkrieg heute ist.

In der UNO

New York ist, wie schon gesagt, völlig anders als Washington. Es ist lebendig, laut, hektisch, multikulturell, eine quirliges urbanes Zentrum. Und es ist ungemein attraktiv, spannend und faszinierend. Aber das war natürlich nicht der Grund unserer Reise. Wir sind nach New York gekommen, um Gespräche bei den Vereinten Nationen zu führen. Wir haben „unsere“ Botschafter getroffen, die Botschafter jener drei Kollegen, die an der unserer Delegation teilgenommen haben, sowie den Vertreter der EU.
In der UNO trafen wir auch die Chefs des United Nation Development Programs, UNTP, die wir beide gut kennen: Kemal Dervis aus der Türkei, ein äußerst sympathischer, effizienter und offen denkender Mensch und Ad Melkert, den früheren Fraktionsvorsitzenden und Sozialminister aus Holland. Wir trafen außerdem führende Repräsentanten der Friedensmissionsabteilung und der politischen Abteilung. Zum Abschluss führten wir ein sehr detailliertes und konstruktives Gespräch mit dem deutschen Botschafter bei den Vereinten Nationen, den ich den Sommer beim Europäischen Forum in Alpbach kennengelernt habe.

EU muss mit einer Stimme sprechen

Grundaussagen aller unserer Gesprächspartner: Die EU spielt eine wichtige Rolle in den Vereinten Nationen. Sie könnte diese aber noch stärker spielen, wenn sie einheitlich mit einer Stimme auftreten würden. Viele offene Fragen würden oft deshalb nicht zu Gunsten Europas gelöst, weil Europa sich selbst uneinig ist. Das sei insbesondere in der Kosovofrage deutlich geworden. Verschiedene Mitgliedsländer Europas leisten große finanzielle Beiträge, weniger für Soldaten und Polizeimissionen, da ist Europa eher zurückhaltend. Was aber notwendig wäre, sind mehr Polizisten und Offiziere aus dem Militärischen Bereich, um die verschiedenen Einsätze auch vorzubereiten und zu planen.
In diesem Zusammenhang wünscht sich die zuständige Abteilung in der UNO, dass es einen ständigen Stab von Offizieren gibt, die entsprechend aktiv sein sollten und könnten. Das ist ein sehr konkreter Wunsch an die EU, und ich verstehe dieses Anliegen. Derzeit gibt es auf der militärischen Ebene für die Friedenseinsätze keinen fixen Stab. Und bei der Polizei gibt es 25 Offiziere. Das steht in keinerlei Verhältnis zur Notwendigkeit der verschiedenen friedenspolitischen Einsätze militärischer und polizeilicher Natur.

Nicht auf die UNO verzichten

Die UNO ist unverzichtbar für eine geregelte Globalisierung, aber sie ist zu schwach, weil einige – siehe Amerika – sie schwach haben wollen, weil einige – siehe Russland – partikuläre Interessen vertreten und weil die EU nicht stark und einig genug auftritt. Hinzu kommt, dass im Streit liegende Länder oft keine Bereitschaft zeigen, die UNO einzuladen, einen Beitrag zur Streitschlichtung zu leisten.
Trotz all ihrer Schwächen sollten wir nicht auf die UNO verzichten. Gerade die Europäische Union sollte jene Kraft sein, die eng mit ihr zusammenarbeitet – insbesondere in den Entwicklungsbereichen. Das haben auch sowohl Kemal Dervis als auch Ad Melkert deutlich hervorgehoben – was uns persönlich besonders gefreut hat: unterstreichen wir doch unsererseits die Bedeutung der UNO im Europäischen Parlament und im europäischen Kontext immer wieder aufs Neue.

New York, 2.11.2007