Dubrovnik

Es ist Samstag sieben Uhr morgens, am zweiten Tag des „Kroatien Gipfels“ zu dem Premierministerin Jadranka Kosor eingeladen hat. Ich sitze hier auf einer Terrasse des Tagungshotels mit einem wunderbaren Blick aufs Meer und die vorbeiziehenden Schiffe. Aber ich bin nicht zum Urlaub hier, ich bereite mich auf meinen Beitrag zur Diskussion mit der Runde der Außenminister vor.

Am ersten Tag sprachen neben der Gastgeberin und dem kroatischen Präsidenten Josipovic die Regierungschefs von Frankreich, Polen, Bulgarien, Slowenien und Albanien. Borut Pahor, der Ministerpräsident von Slowenien, mein ehemaliger Kollege aus dem EU Parlament hat dabei die offenste und klarste Rede gehalten. Er schilderte die Stimmung in den EU Mitgliedsländern und meinte nach dem Beitritt Kroatiens wird es schwer sein die Menschen von den weiteren Beitritten zu überzeugen. Ich fühle, er hat Recht. Pahor berichtete auch, dass seit er als Premierminister dem Europäischen Rat angehört noch nie über den europäischen Beitrittsprozess diskutiert worden ist.

Im EU Parlament ist die Stimmung sicher etwas anders. Hier gibt es noch mehr Befürworter der kontinuierlichen Beitrittsstrategie, manche sind dabei sogar etwas naiv. Aber anderseits gibt es auch bei uns zunehmend kritische Stimmen. Unsere Aufgabe ist es einerseits auf das Einhalten der entsprechenden Versprechen und Zusagen zu pochen und anderseits die betreffenden Beitrittskandidaten zu den notwendigen Reformen zu drängen. Denn es geht vor allem um Stabilität und Sicherheit in unserer Nachbarschaft. In diesem Sinne haben wir in der letzten Plenarsitzungswoche vor der Sommerpause einen Bericht zu Albanien und einen zum Kosovo verabschiedet. Beide Berichte verursachten viele Diskussionen zwischen den Fraktionen aber auch teilweise innerhalb der Fraktionen.

 Beim Kosovo standen sich Befürworter und Gegner eines unabhängigen Kosovo gegenüber. Ich selbst akzeptiere die Unabhängigkeit des Kosovo, aber ebenso befürworte ich den direkten Dialog zwischen Kosovo und Serbien. Dem Kosovo und Serbien muss die „europäische Perspektive“ angeboten und offen gehalten werden. Leider zeigt sich Serbien nicht sehr kompromissbereit und ist auch nicht auf dem „Kroatien Gipfel“ vertreten, obwohl die Kroaten alles unternommen haben, um Serbien eine Gesichtswahrende Teilnahme zu ermöglichen, wie mir der Kabinettschef der kroatischen Premierministerin erzählte. Denn Serbische Politiker wollen keinerlei Schritte setzen, die als de facto Anerkennung der Unabhängigkeit des  Kosovo interpretiert werden könnte. So kam zwar der kosovarische Premierminister und sein Außenminister aber kein Vertreter Serbiens. Für mich ist das ein weiteres Zeichen der Selbstisolierung Serbiens.

Bezüglich Albanien gibt es eher innenpolitische Probleme. Wir und vor allem ich persönlich haben viel dazu getan, um die Opposition zu bewegen wieder in das Parlament zurückzukehren, aber die Regierung hat nur sehr zögerlich die Hand ausgestreckt. Leider haben uns einige VertreterInnen der EVP Fraktion nicht geholfen mehr Druck auf Berisha auszuüben, was auch in der Debatte im EU Parlament- die im Übrigen direkt im albanischen Fernsehen übertragen wurde –zu m Ausdruck kam. Anderseits versuchte ich die anwesenden Vertreter der Opposition zu überzeugen, den auch von der Regierung zugesagten Untersuchungsausschuss mit Vorsitz und Mehrheit für die Oppositionsfraktion zu akzeptieren. Noch allerdings ist keine Seite bereit aus den Auseinandersetzungen seit den letzten Wahlen vor mehr als einem Jahr den Schlussstrich zu ziehen.

Wie aber soll es weitergehen mit der Balkanregion? Was ist die europäische Vision für den Süd Osten Europas? Um überhaupt eine realistische, europäische Vision für den Balkan entwickeln zu können, bedarf es wesentlicher Schritte in den Ländern der Region selbst aber auch in der EU:

1. Die Europäische Union muss alles tun, um aus der gegenwärtigen Wirtschaftskrise die notwendigen Schlüsse zu ziehen und eine gestärkte „Wirtschaftsregierung“ installieren. Dabei geht es aber nicht nur um die Bekämpfung und Vermeidung von Finanz- und Wirtschaftskrisen. Es geht auch um die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Je schwächer wir als bestehende EU sind, desto weniger Bereitschaft besteht andere, noch schwächere Mitglieder aufzunehmen.

2. Die EU und die einzelnen Mitgliedsländer müssen ihren BürgerInnen gegenüber die Notwendigkeit der politischen Stabilität und des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts in unserer Nachbarschaft vermitteln.

 3. Die Reformen in den –potentiellen- Beitrittskandidaten müssen zügig vorangetrieben werden. Dazu zählen wirtschaftliche Reformen ebenso wie die Reformen des Justizsystems und der Kampf gegen die Korruption und grenzüberschreitende Kriminalität sowie die in letzter zeit wieder virulent gewordenen politische Attentate.

 4.Bilaterale Probleme sind in europäischem Geist auf dem Verhandlungswege  oder durch internationale Schiedsverfahren zu lösen. Sie sollten möglichst früh gelöst werden, jedenfalls die Aufnahme von Verhandlungen über den Beitritt nicht blockieren. Nicht nur, dass die bilateralen Probleme zu lösen sind, sondern Schritt für Schritt sollten die Zusammenarbeit zwischen den Balkanländern und damit die Integration der Region ausgebaut werden. Das nicht als Alternative zur Integration in die EU sondern als Vorbereitung zur Mitgliedschaft in der größeren europäischen Gemeinschaft.

5. Es kann keine fixen Beitrittsdaten geben, aber wir sollten uns alle gemeinsam bemühen bis zum Jahr 2020 alle Länder der Region in der Europäischen Union zu haben – jeweils nach Erfüllung der notwendigen Beitrittskriterien.

 6.In der Zwischenzeit ist eine Reihe von europäischen Projekten in der Region umzusetzen, insbesondere auf dem Energiesektor. Die Herausbildung einer effektiven europäischen Energiegemeinschaft innerhalb der EU sollte mit einem regionalen Energieverbund in der Balkan Region Hand in Hand gehen. Dabei muss auch die Türkei als wichtiges Transitland vor allem für Gas eingebunden werden.