Ein Ring von Freunden

Wie gehen wir mit der Schwarzmeer-Region um? Und wie gestalten wir unsere Beziehungen?
In Österreich fanden gestern und heute Diskussionen statt, die im Zusammenhang mit jener Region, stehen die ich zuletzt besucht habe, die Schwarzmeer Region, in der Armenien, Rumänien und Bulgarien liegen.

Die Schwarzmeer-Region

Die Fachhochschule des BFI im 2. Bezirk hat eine Debatte über die Schwarzmeer Region veranstaltet. Professor Gerhard Mangott, der auch, so heißt es, der beste Russlandexperte Österreichs ist, hatte die Leitung übernommen. Ich sollte darüber informieren, welches Interesse Europa an der Schwarzmeer Region hat.
Aus meiner Sicht sind es zwei besondere Interessen: die Sicherheit und die Stabilität auf der einen Seite und die Energie auf der anderen Seite. Hinsichtlich Sicherheit und Stabilität setzen wir uns für die Demokratisierung dieser Region ein und kämpfen für die Rechtsstaatlichkeit, für mehr Transparenz und eine Unterstützung der Zivilgesellschaft. Die Energiefrage braucht man nicht extra zu betonen, wenn man bedenkt, dass in dieser Region Energieressourcen gelagert sind und sie eine Region darstellt, durch die Energieflüsse nach Europa geleitet werden.

Europäische Nachbarschaftspolitik

Wie gehen wir mit dieser Region um? Wie gestalten wir unsere Beziehungen? Wir tun dies in zweierlei Hinsicht: Einerseits durch eine Mitgliedschaft und andererseits durch die Schaffung von besonderen Beziehungen im Rahmen der europäischen Nachbarschaftspolitik. Bulgarien und Rumänien werden in Bälde Mitglieder der Europäischen Union. Mit der Türkei wurden die Verhandlungen aufgenommen – ob es zu einer Mitgliedschaft kommt, wird sich zeigen. Und die übrigen Länder wie die Ukraine, Moldawien bis hin in den Süd-Kaukasus sind Teile der europäischen Nachbarschaftspolitik.
Gerade das Europäische Parlament hat die Länder bis zum Süd-Kaukasus – Georgien, Armenien, Aserbeidschan – in diese europäische Nachbarschaftspolitik miteinbezogen. Der frühere Kommissionspräsident Prodi hat Nachbarschaftspolitik als einen „Ring von Freunden“ um uns definiert.

Russisches Gegenmodell

Dieser Ring von Freunden, den wir schaffen wollen, stößt auf Widerstand in Russland. Russland hat andere Vorstellungen vom Ring der Freunde. Für Russland hat Stabilität nichts mit Demokratie und Rechtssicherheit zu tun. Russland kann sich gut vorstellen, dass Stabilität durch autoritäre Regime gesichert werden kann. Das ist auch der Hintergrund für Konflikte wie zuletzt in der Ukraine und in Georgien.
Für Russland gilt also, was Prof. Mangott gesagt hat als er meinte, Russland hätte nur zwei gute Freunde gehabt: die Armee und die Flotte. Heute könnte man sagen, Russland hat ebenfalls nur zwei Freunde: das Öl und das Gas. Der Konflikt ist daher kein Konflikt daüber, was stabil bzw. nicht stabil ist, sondern ein Konflikt über die Energieressourcen bzw. darüber, wie diese Energieressourcen eingesetzt werden.

Energie als politisches Instrument

Das war auch das Thema, das wir heute im österreichischen Parlament mit einigen Abgeordneten und Experten aus Russland, die zu einer Tagung in Österreich eingeladen waren, erörtert haben. Ich habe dabei angemerkt, dass man nicht annehmen kann, wir seien so naiv nicht zu sehen, dass die Energie von russischer Seite auch als politisches Instrument eingesetzt wird, wenn beispielsweise im Falle der Ukraine vor den Wahlen die Preise erhöht werden und im Falle von Weißrussland erst nach den Wahlen, also erst nach der "Wiederwahl" von Lukaschenko.
Einige der anwesenden Experten waren durchaus offen und haben sich nicht sehr glücklich über die Unterstützung von Lukaschenko und die gesamte Situation gezeigt. Sie meinten allerdings, dass es den Menschen in Weißrussland relativ gut ginge und sie deshalb nicht aus Protest die Opposition gewählt haben. Ich erwiderte, dass die Opposition gar nicht die Möglichkeit hatte, sich entsprechend darzustellen.

Argumentationsnotstand

Wenn einer der Experten gemeint hat, die Opposition in Weißrussland sei eben zu schwach, dann frage ich mich, warum Lukaschenko die Führer der Opposition immer wieder einsperren muss, wenn sie doch ohnedies so schwach sind. Hier gerät Russland in Argumentationsnotstände und Schwierigkeiten. Russland weiß auch, dass es sich in viel stärkerem Ausmaß auch mit der eigenen Geschichte auseinandersetzen muss, um zu den Ländern, die zur ehemaligen Sowjetunion gehört haben, eine offene und zukunftsorientierte Beziehung aufzubauen.

Zone der gemeinsamen Interessen entwickeln

An dem Treffen im Parlament nahmen auch zwei lettische Kollegen teil: eine frühere Abgeordnete, die auch im Europäischen Parlament als Beobachter vor dem Beitritt Litauens tätig war und ein Experte, der Berater der lettischen Präsidentin ist. Auch sie haben meine Sicht der Dinge bestätigt. Beide sind keine lettischen Nationalisten, die gegen Russland vorgehen.
Und es geht ja auch gar nicht darum, antirussische Politik zu formulieren. Russland muss vielmehr dazu bewegt werden, in einer kooperativen Form mit Europa nicht nur die Energiepolitik zu entwickeln, sondern auch die Zone von Ländern, die zwischen uns liegen, als eine Zone der gemeinsamen Interessen zu entwickeln. Dabei muss aber klargestellt werden, dass die Länder die wesentlichen wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen selber zu treffen haben. Weder der große Bruder Russland noch der große Bruder Europäische Union sollten ihnen diese Entscheidungen abnehmen, ebenso wenig wie die Amerikaner.

Beispiel Armenien

Die Länder selbst sollten eine Wahlmöglichkeit haben, wie sie vorgehen wollen und sollten nach eigenen Interessen die nachbarschaftlichen Beziehungen aufbauen – wie das Armenien bereits in gewissem Maß tut. Wenngleich Armenien aufgrund der traditionell guten Beziehungen sich etwas leichter tut als andere Länder, die in der Vergangenheit negative Erfahrungen mit Russland gemacht haben und daher nicht jene Gleichgewichtsposition einhalten können oder wollen, wie das Armenien möchte und auch tut.

Wien, 28.4.2006