Ein Wientag

Von der kubanischen Botschafterin über den ÖGB-Kongress bis zur Bruno-Kreisky-Buchpreisverleihung.
Heute war „Wientag“. In der früh traf ich die kubanische Botschafterin im Parlament. Sie versuchte mir zu erklären, dass ich das System in ihrer Heimat viel zu kritisch betrachte.

Quo vadis, Kuba?

Meine Beweggründe für kritische Äußerungen und Abstimmungen im Europäischen Parlament gegenüber dem gegenwärtigen Kuba sind allerdings in der Angst begründet, dass es nach dem Tod von Fidel Castro zum Zusammenbruch des Systems und zur neuerlichen Übernahme Kubas durch Amerika und durch einige internationale Konzerne kommen könnte. Vieles von dem, was sich während und nach der Revolution positiv entwickelt hat, könnte wieder verloren gehen. Kuba müßte sich selbst ändern. Es müßte einen Transformationsprzess mitmachen und zunehmend demokratischer werden.
Als ich auf die aus politischen Gründen inhaftierten Gefangenen hinwies, meinte die Botschafterin – aus ihrer Sicht nicht zu Unrecht -, dass diese von der Bevölkerung ohnedies abgelehnt werden würden, weil sie in ihnen Vertreter der Exilkubaner sieht, die in Kuba keine Unterstützung haben. Wenn dem so ist, dann könnte die Regierung die Gefangenen aber erst recht frei herumlaufen lassen und müßte sie nicht einsperren. Dennoch komme ich gerne der Bitte der kubanischen Botschafterin nach, eine Resolution im Europäischen Parlament zu unterstützen. Es handelt sich um eine sogenannte schriftliche Erklärung, in der einige Abgeordnete verlangen, dass KubanerInnen ihre in Amerika gefangenen Verwandten besuchen können. Es handelt sich dabei für mich um eine humanitäre Angelegenheit, die ich voll und ganz unterstütze.

Neuer Wiener Stadtsenat

Im Anschluß an dieses Treffen fanden die so genannten „Wiener Sitzungen“ statt. Bürgermeister Häupl präsentierte zunächst im Vorstand und danach im Ausschuss die personellen Veränderungen im Wiener Stadtsenat. In beiden Gremien wurde zudem die politische Lage nach der Regierungsbildung und der vehementen Kritik der sozialdemokratischen Jugendorganisationen, insbesondere des VSSTÖ diskutiert. Auch hier kam es zu heftiger Kritik.
Ich verstehe diese Kritik, regte aber doch an, auf den Kern der Sache zu kommen und die Nicht-Abschaffung der Studiengebühren nicht als irreperable Katastrophe anzusehen. Man sollte vielmehr versuchen, die Situation insofern zu beeinflussen, als Stipendien ausgeweitet werden und vor allem auch jene Studierenden, die entweder zur Finanzierung ihres Studiums arbeiten müssen oder Kinder haben aus der Regelung der Studiengebühren herauszunehmen. Das Ziel, auch den sozial Schwächeren den Zugang zur Universität zu eröffnen, muss ohne jeden Zweifel erreicht werden. Und deshalb muss versucht, entsprechende Änderungen durchzuführen.

Energiepolitische Eigentumsfragen

Am Nachmittag fand am Rande des ÖGB-Kongresses ein Gespräch mit KollegInnen aus der E-Wirtschaft statt. Dabei diskutierten wir einige Vorschläge der EU-Kommission, allen voran den Vorschlag, das Eigentum an der Netzstruktur vom Eigentum an den Unternehmungen, die Energie erzeugen und verteilen – also den Stromkonzernen -, zu trennen. Zumindest sollten jeoch die Verfügungsstruktur über das Netz und die Verfügungsstruktur über Produktion und Verteilung getrennt sein, um zu garantieren, dass das Netz allen Unternehmungen zu gleichen Bedingungen zur Verfügung steht und dass keine Monopol- und Oligopolstellungen ausgenützt werden.
Dieses Thema wird in jenen Kreisen, die sich mit Energiepolitik beschäftigen, sehr heftig diskutiert. Es stand vergangene Woche beim informellen Kreis des Energieausschusses auf der Tagesordnung und wir werden morgen Mittag in einem kleinen Kreis der sozialdemokratischen Fraktion mit EU-Kommissar Pibalgs darüber sprechen. Die Bedeutung dieses ganz bestimmten Punktes wird zwar zweifellos überschätzt. Aber insgesamt spielt die Energiefrage eine äußerst zentrale Rolle und wird in den kommenden Monaten noch zu heftigen Diskussionen in der Europäischen Union führen.

Bruno Kreisky Preis für das politische Buch

Heute Abend schließlich fand die Verleihung der Anerkennungspreise des Bruno Kreisky Preises für das politische Buch 2006 an vier AutorInnen bzw. Autorengruppen im Bruno Kreisky Forum statt. 400 Personen hatten sich zu dieser Veranstaltung angemeldet, und wahrscheinlich sind auch tatsächlich so viele gekommen. Der Saal war überfüllt und es herrschte eine ausnehmend gute Stimmung.
Ich hatte ursprünglich befürchtet, dass die Kritik am neuen Bundeskanzler und der Bundesregierung auch hier zum Ausdruck gebracht werden würde. Stattdessen war es eine insgesamt gelungene Veranstaltung, die auch den Willen zum Ausdruck gebracht hat, einiges in der Gesellschaft zu verändern und Hoffnungen in die Regierung, jedenfalls in die sozialdemokratische Fraktion, gelegt hat, entsprechende Schritte zu unternehmen.

Wien, 22.1.2007