Eindeutige Voten

Im außenpolitischen Ausschuss haben 71 Abgeordnete für meinen Kroatien-Bericht gestimmt, bei vier Enthaltungen und keiner einzigen Gegenstimme.
Gestern stand mein Kroatienbericht im außenpolitischen Ausschuss zur Abstimmung.

Zustimmung zu 99% der Anliegen…

Vormittags verlief die Diskussion sehr gut, es gab eine breite Übereinstimmung mit meinen Vorschlägen, insbesondere was die Grenzkonflikte mit Slowenien betrifft. Nachmittags sollte die Abstimmung erfolgen, und meine Fraktion hat mich voll unterstützt. 99% meiner Anliegen gingen sehr gut durch. So etwa die Strategie, dass die Verhandlungen Ende 2008 abgeschlossen sein sollten, so dass 2009 das erste positive Signal durch das Europäischen Parlament als Zustimmung zum Vertrag gegeben werden kann, damit in der Folge die Ratifizierung in den einzelnen Mitgliedsländern beginnen kann.
Ebenso wie die gemäßigten, aber doch teilweise kritischen Anmerkungen hinsichtlich der Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof. Diese verlaufen an und für sich positiv. Trotzdem ist eine stärkere Signalwirkung nach außen notwendig, um zu zeigen, dass man sich zu diesem Prozess bekennt. Auch die Frage der Flüchtlingsrückkehr und vor allem die kritischen Anmerkungen zu den noch notwendigen Schritten bei der Justiz-, aber auch bei der Wirtschaftsreform stellten kein Problem dar.

… aber Ablehnung der internationalen Streitschlichtung

Als es aber schließlich um die Grenzprobleme mit Slowenien ging, gab es in einem Artikel zwei Bestimmungen: einerseits die Aufforderung, dass beide Seiten bilateral eine Lösung suchen sollten, nicht zuletzt auf der Grundlage der bisher bereits gefundenen Konsense, die allerdings nie zu einer Ratifizierung in den Parlamenten geführt haben. Auf der anderen Seite stand die Aufforderung, im Falle einer Nichteinigung eine internationale Streitschlichtung einzuschalten.
Der erste Teil wurde angenommen, der zweite hingegen plötzlich von den KollegInnen der Europäischen Volkspartei abgelehnt. Auch in den anderen Parteien haben sich die slowenischen Vertreter durchgesetzt und gemeint, dass eine internationale Streitschlichtung nicht in Frage käme. Es gibt dazu zwar keine negativen Aussagen im Bericht, trotzdem wurde die Balance letztendlich nicht gehalten.

Noch nicht aller Tage Abend

Den Medien gegenüber habe ich unmissverständlich festgehalten, dass es leider die KollegInnen von Premierminister Sanader, also die politischen Repräsentanten der Europäischen Volkspartei, gewesen sind, die in dieser Frage umgefallen sind. Das hat zwar bei den Konservativen in Kroatien Unruhe geschaffen. Dennoch es ist eine Tatsache, dass ich mit den Sozialdemokraten mehr für das derzeit konservativ regierte Kroatien getan habe, nicht zuletzt unter Kritik meines slowenischen Kollegen innerhalb der sozialdemokratischen Fraktion, als die KollegInnen der Europäischen Volkspartei.
Gerade über diese Frage wurde in den letzten Wochen intensiv diskutiert. Mir tut es Leid, dass dadurch auch das Gleichgewicht des fraglichen Paragraphen zu den Grenzproblemen ein wenig gestört worden ist. Wir werden sehen, wie die Endabstimmung erfolgen wird und ob wir diesen Punkt in irgendeiner Form wieder korrigieren können. Fest steht allerdings, dass wir zur ursprünglichen Form nicht mehr zurück können – der Widerstand ist einfach zu groß. Immerhin haben trotzdem 71 Abgeordnete für meinen Bericht gestimmt, bei vier Enthaltungen und keiner einzigen Gegenstimme. Ich kann mit dem Resultat überaus zufrieden sein, wenngleich dieser eine kritische Punkt nicht durchgegangen ist. Es ist ja noch nicht aller Tage Abend, und ich gehe davon aus, dass man in nächster Zeit noch detailliert an dieser Frage arbeiten wird müssen.

Der Kosovobericht

Wir haben auch über einen zweiten Bericht über die Region abgestimmt, diesmal bereits im Plenum: den Kosovobericht. Beim Kosovobericht war die heikle Frage zu klären, ob wir explizit erwähnen sollten, dass die Unabhängigkeit bzw. die begrenzte überwachte Souveränität des Kosovos die beste Lösung ist. Ich vertrete schon seit langem die Meinung, dass an der Unabhängigkeit kein Weg vorbeiführt. Trotzdem muss man sich die Frage stellen, wann eine politische Institution der EU mit einer solchen Aussage an die Öffentlichkeit tritt.
Wir hatten durch unsere Anträge erreicht, dass bei Vorlage des Kosovoberichts im außenpolitischen Ausschuss die Erwähnung der Unabhängigkeit gestrichen worden ist. Nun kam diese Forderung allerdings erneut, wenn auch in abgeschwächter Form als begrenzte Souveränität. Präsident Ahtisaari, der Beauftragte für die Ausarbeitung einer Lösung für den Kosovo, hatte in einem Begleitbegriff zu seinen Vorschlägen klar festgehalten, dies sei aus seiner Sicht die einzige sinnvolle Form für die Lösung der Probleme, denn es sei nicht mehr wahrscheinlich, dass die Ablehnung der expliziten Erwähnung durchgeht.

Begrenzte Souveränität

Wir haben alle gemeinsam die Pläne Ahtisaaris voll unterstützt, und indirekt ist das in dieser Formulierung auch enthalten. Wir wollten uns aber dennoch solange zurückhalten, bis eine gemeinsame europäische Linie aller drei Institutionen – Rat, Kommission und Parlament – gefunden hätte werden können. Wie vorauszusehen war, fiel die Abstimmung mehrheitlich für die explizite Erwähnung der begrenzten Souveränität aus. Nun stand die Frage im Raum, die wir bereits vorher überlegen mussten: Stimmen wir trotzdem zu oder enthalten wir uns unserer Stimme? Es gab unterschiedliche Meinungen.
Ich habe mich schließlich dafür eingesetzt, dass wir jedenfalls zuzustimmen sollten. Wir hätten nichts gewonnen, wenn wir abgelehnt hätten. Erstens wären wir in der Minderheit geblieben. Und zweitens wäre es ein explizites Nein zur Unabhängigkeit gewesen, aber diese wird de facto kommen. Außerdem hätte es uns die Möglichkeit des Dialogs gerade auch mit dem albanisch sprechenden Bevölkerungsteil – und das ist die überwiegende Mehrheit im Kosovo – zweifellos erschwert. So haben wir uns letztendlich durchgerungen, dem Gesamtbericht zuzustimmen, der letztendlich mit einer großen Mehrheit etwa gegen 80 Stimmen angenommen worden ist.

Die Arbeit beginnt erst

Das Europäische Parlament ist damit die erste europäische Institution, die sich klar für die allerdings überwachte begrenzte Souveränität des Kosovos mit dem Weg in Richtung Unabhängigkeit ausgesprochen hat. Für uns war das zweifellos eine Gratwanderung. Einerseits wollten wir unsere Beziehungen zu den serbischen KollegInnen nicht gefährden, andererseits sind wir auch dabei, Beziehungen mit den KollegInnen aus dem Kosovo aufzunehmen. Und vor diesem Hintergrund gilt es, nicht in einer Position zu verharren, die signalisiert, dass wir die Feinde der Unabhängigkeit und damit die Gegner der Kosovoalbaner sind.
Unsere Aufgabe gerade in den kommenden Jahren wird es sein, so weit wir können – als Parlamentarier generell, aber auch als Sozialdemokraten -zu einer vernünftigen Gesprächsbasis beizutragen. Die schwierige Arbeit beginnt erst, eine Entscheidung der Vereinten Nationen bedeutet ja noch keine Lösung. Europa muss sich in den nächsten Jahren massiv im Kosovo engagieren. Wir müssen verhindern, dass es zu Unruhen kommt. Zu Unruhen, die einerseits von jenen ausgelöst werden, die mit der Unabhängigkeit absolut unzufrieden sind und andererseits von jenen, die mit der Begrenzung und Überwachung dieser Unabhängigkeit nicht zufrieden sind.

Das Ziel ist die Unabhängigkeit

Der schwierigste Teil beginnt also erst. Derartige Probleme kann man nicht durch militärische oder polizeiliche Aufgaben allein lösen. Vielmehr bedarf es eines Dialogprozesses, der von der EU in Gang gesetzt, gefördert und unterstützt werden muss, um einen friedlichen Übergang aus der jetzigen Situation über eine de facto Unabhängigkeit von Serbien bzw. einem de facto Protektorat der Internationalen Gemeinschaft letztendlich in die volle Unabhängigkeit führt.

Brüssel, 28.3.2007