Endspurt für Kroatien

Ich wünsche mir, dass Kroatien die noch ausständigen Reformen auf seinem Weg in die EU so schnell wie möglich umsetzt.
Gestern bin ich von Algier über Paris nach Zagreb geflogen und landete am Abend in der kroatischen Hauptstadt. Am Flughafen empfing mich der Botschafter Kroatiens bei der EU, der selbst eine Stunde zuvor von Brüssel gekommen war, und wir fuhren gemeinsam in die Stadt.

Fraktionelle Koordinierung

Botschafter Branko Baričević ist von seiner Ausbildung her Dermatologe und trat erst später in den diplomatischen Dienst ein. Er ist ein überaus kultureller und in vielen Fachgebieten versierter Mann, der Kroatien zweifellos hervorragend repräsentiert. Politisch steht er Sanader, dem konservativen Premierminister nahe.
Mein erster Weg in Zagreb führte mich allerdings nicht zur Regierung, sondern zur Sozialdemokratischen Partei. Mein Freund Zoran, außenpolitischer Sprecher der Partei, hatte einen Termin mit der gegenwärtigen amtierenden Vorsitzenden Zeljka Antunovic koordiniert. Ich kenne sie seit langem, sie war früher Sozialministerin und auch kurzzeitig Verteidigungsministerin und ist heute in der Sozialdemokratischen Partei die Nummer 2. Die Nummer 1, Premierminister Ivica Racan, liegt derzeit im Spital in München. Er musste sich dort nach längeren Schmerzen an der Schulter, die sich als Metastasen herausgestellt haben, einer schweren Krebsoperation unterziehen.

Bei Premierminister Sanader

Nach dem Gespräch mit Zeljko Antunovic und Zoran besuchte ich gemeinsam mit Botschafter Branko Baričević den Premierminister. Nach kurzer Wartezeit empfing uns Sanader. Er hatte wie schon bei früheren Besuchen auch die Außenministerin und den Chefverhandler Kroatiens bei der EU zu diesem Gespräch gebeten. Sanader betonte einmal mehr, wie wichtig es sei, dass Kroatien sich gut vorbereitet und meine Arbeit als Berichterstatter des Europäischen Parlaments geschätzt wird. Er selbst wie und auch alle anderen stünden für Gespräche und nähere Informationen jederzeit zur Verfügung.
Darüber hinaus bat mich Sanader, Bundeskanzler Gusenbauer wissen zu lassen, dass er ihn zu einem Besuch nach Kroatien einladen möchte. Der Premierminister möchte dokumentieren, dass es sich bei den guten Beziehungen zwischen Kroatien und Österreich nicht nur um die Freundschaft des Premierminister Sanader zum früheren Bundeskanzlers Schüssel handelt, sondern diese guten Beziehungen institutioneller und grundsätzlicher Natur sind.

Grenzprobleme Slowenien-Kroatien

Nach diesem Treffen fand ein Arbeitsmittagessen mit der Außenministerin, dem EU-Chefverhandler, dem Botschafter und einigen anderen MitarbeiterInnen statt. Wir haben dabei einige Fragestellungen, die mein Bericht aufgeworfen hat, behandelt. Slowenien war mein Bericht zu wenig kritisch, andere haben ihn dagegen als zu kritisch empfunden. Slowenien hat Grenzprobleme mit Kroatien, die natürlich auch Grenzprobleme zwischen Kroatien und der EU sind.
Um diese Frage ging es auch in einem Gespräch mit dem Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses und der für die Beziehungen zur EU zuständigen Kommission sowie dessen Stellvertreter im Parlament. Der Vorsitzende gehört der konservativen Partei Sanaders an, der Stellvertreter ist ein Sozialdemokrat und früherer Europaminister.

Offene Punkte schnell bereinigen

Der Besuch in Kroatien und die Rücksprache mit den führenden kroatischen VertrerInnen war für mich zum jetzigen Zeitpunkt, zu dem ich meine endgültigen Formulierungen für die Vorlage meines Berichts verfasse, insgesamt wichtig. Ich stimme nicht allen Überlegungen, die ich gehört habe, zu. Es geht mir auch vielmehr darum, die Schwerpunkte herauszufiltern und Reaktionen auszuloten. Ich möchte jene heiklen Punkte herausarbeiten, bei denen Kroatien noch einiges in Angriff nehmen muss.
Ich persönlich würde mir wünschen, dass Kroatien diese Punkte möglichst schnell umsetzt. Nur dann können die Verhandlungen so abgeschlossen werden, dass das amtierende Europäische Parlament seine prinzipielle Zustimmung zum Vertrag geben kann, bevor in der Folge der eigentliche Ratifizierungsprozess beginnt. Die Verhandlungen müssten in diesem Sinn Ende 2008, spätestens Anfang 2009 abgeschlossen werden, sodass nach den Detailbereinigungen und dem Grundsatzbeschluss der Staats- und Regierungschefs genügend Zeit bleibt, die Zustimmung seitens des Europäischen Parlaments zu erteilen. Eventuell könnte zwei Jahre danach Kroatien Mitglied in der Europäischen Union werden.

EU-Verfassungsreform

Ich möchte allerdings unmissverständlich festhalten, dass ich nach wie vor darauf beharre, dass die Europäische Union parallel zu den Verhandlungen mit Kroatien auch ihr eigenes Verfassungsproblem zumindest soweit löst, dass es zu einer Verfassungsreform kommt. Diese muss die Institutionen der Europäischen Union stärken und es ermöglichen, überhaupt neue Mitglieder aufzunehmen. Kroatien allein stört den großen Prozess der Entscheidungsfindung der Europäischen Union nicht. Aber man könnte dieses Argument bei jedem einzelnen Land anführen, und das würde die Forderung nach einer Verfassung ad absurdum führen. Aus meiner Sicht geht es vielmehr darum, jede Chance zu nützen, um auf die Staats- und Regierungschefs Druck auszuüben, endlich die institutionellen Reformen in Gang zu setzen. Diese ermöglichen nicht nur weitere Erweiterungen, sondern tragen vor allem dazu bei, dass die gegenwärtige Union entscheidungsfähig ist und an Kraft und Stärke gewinnt.

Zagreb, 22.2.2007