Es ist vollbracht!

Die neue, erweiterte EU wird ein gutes Stück komplizierter und schwieriger zu regieren sein. Gerade deshalb brauchen wir eine Verfassung, die dieser größeren, vielfältigeren EU einen starken Halt und eine erhöhte Funktionsfähigkeit verleiht.
Nun hat auch Lettland über den Beitritt zur EU abgestimmt – mit hoher Wahlbeteiligung und einem guten Ergebnis. Damit ist dieser Reigen der Referenden zu Ende und alle Kandidaten haben ihren Willen zum Beitritt klar zum Ausdruck gebracht. Es fehlen noch die Ratifizierungen durch die Parlamente der bisherigen Mitgliedsländer, aber an einem positiven Ausgang ist nicht zu zweifeln. Mit der lettischen Abstimmung sind wir der erweiterten EU mit 25 Mitgliedern ein gutes Stück näher gerückt.

Verfassung als Motor für das größere Europa

Dass es zuletzt nach guter Vorbereitung so glatt gegangen ist, ist eine große europäische Leistung. Wir alle, die wir dabei mitgeholfen haben, können stolz darauf sein. Allerdings sollten wir nicht vergessen, dass diese neue EU ein gutes Stück komplizierter und schwieriger zu regieren sein wird. Gerade deshalb brauchen wir eine Verfassung, die dieser größeren, vielfältigeren EU einen starken Halt und eine erhöhte Funktionsfähigkeit verleiht. Dabei wird sie kaum jemals einem Staat vergleichbar sein, aber sie sollte sich einem Bundesstaat annähern. Das Parlament muss als direkt gewähltes Organ gestärkt werden, der Rat als Organ der Regierung müsste effizienter arbeiten und rascher zu Entscheidungen kommen und die Kommission als Motor der Integration müsste ebenfalls ihre Aufgaben besser wahrnehmen können.

Kommission „neu“?

Mit Einschränkungen ist dies auch durch den neuen Verfassungsentwurf gewährleistet. Die meisten Diskussionen allerdings gibt es über die zukünftige Zusammensetzung der Kommission. Ab 2009 ist nicht mehr vorgesehen, dass alle Mitgliedsländer einen „Kommissar“ entsenden können, und überdies sollten nur einige Kommissare ein Portfolio haben und einige über keinen eigenen Amtsbereich sowie über kein Stimmrecht in der Kommission verfügen. Kaum jemand ist wirklich damit zufrieden. Aber einige meinen, wir sollten nichts am Verfassungskompromiss, den der Konvent vorgeschlagen hat, ändern und die Regierungschefs „verpflichten“, ihn ohne Änderung zu akzeptieren. Würde man das Paket aufschnüren, so die Argumente, wisse man nie, was am Ende überhaupt herauskommt.
Ich meine hingegen – so wie auch Giuliano Amato, einer der beiden Vizepräsidenten der Kommission, der jüngst als Gast der SPÖ in Wien weilte-, dass die Regierungschefs kaum drei Monate eine Regierungskonferenz abhalten werden, ohne irgendwas zu ändern. Und wenn sie etwas ändern, dann sollten sie vor allem die Struktur der Kommission ändern. Wahrscheinlich macht es Sinn, wenn zumindest noch einige Zeit alle Länder ein Mitglied der Kommission „haben“, aber unabhängig von dieser Frage sollten jedenfalls alle Mitglieder der EU-Kommission – ob sie über einen eigenen Geschäftsbereich verfügen oder nicht, volles Stimmrecht haben.

Kompromissfindung

Weder bei unseren Debatten in Brüssel noch während unserer Fraktionstagung in Bologna konnten wir uns innerhalb der SPE-Fraktion auf eine klare Linie einigen. Nächste Woche in Straßburg, wo über die Haltung des EU-Parlaments zum Verfassungsentwurf abgestimmt werden soll, muss allerdings sowohl innerhalb der Fraktion als auch zwischen den Fraktionen noch ein Kompromiss gefunden werden. Gemeinsam war uns nur der Wille, der erweiterten Union ein festeres und funktionsfähigeres Gefüge zu geben. Denn nach der breiten Zustimmung zur EU als solches darf das Projekt nicht in der Praxis und Umsetzung scheitern.

Wien, 21.09.2003