Europa ist ein Friedensprojekt
Ich bin überzeugt davon, dass die friedenspolitische Orientierung für Europa nie verloren gehen darf. Krieg oder bewaffnete Auseinandersetzungen sind die allerletzten Möglichkeiten, die ergriffen werden sollten.
Neben den laufenden Gesprächen im Europäischen Parlament, etwa im Außenpolitischen Ausschuss mit dem Parlamentspräsident von Montenegro über das bevorstehende Referendum, fand in diesen Tagen unter anderem auch eine Sitzung des CIA-Untersuchungsausschusses statt. Mich selbst beschäftigte aber in erster Linie, sowohl in Brüssel als auch in Wien, die Frage der Friedenspolitik, der Konfliktverhütung und der Konfliktbekämpfung.
Bertha von Suttner-Ausstellung
Schon vor längerer Zeit hatte ich die Idee, eine Ausstellung über Bertha von Suttner im Europäischen Parlament zu organisieren. Bertha von Suttner, die österreichische Friedensnobelpreisträgerin, hatte im April vor 101 Jahren den ersten Friedensnobelpreis, der an eine Frau verliehen wurde, erhalten. In diesem Zusammenhang wurde ein Projekt mit Jugendlichen und SchülerInnen durchgeführt, die ihre Ideen zum Frieden und zur Friedenspolitik in Zeichnungen und Musikbeiträgen zum Ausdruck bringen sollten. Die Dokumentation dieser Aktivitäten wurde im Europäischen Parlament ausgestellt.
Schon zu Mittag fand eine Fachdiskussion über die Rolle der Frau in der Friedenspolitik statt. Uns ging es darum, ein Signal zu setzen – war es doch eine Österreicherin, die diese bedeutende friedenspolitische Arbeit geleistet hat. Ein kleiner, wenn auch versteckter Teil des Europäischen Parlaments ist nach Bertha von Suttner benannt. Und auch wir wollten ein Zeichen setzen, um zu zeigen, dass wir ihrer Aktivitäten gedenken.
Prominente Eröffnungsredner
Ich hatte Parlamentspräsident Josep Borell eingeladen, die Ausstellung zu eröffnen, was er auch gerne getan hat. In seiner brillanten Rede wies er darauf hin, dass er bereits in sehr jungen Jahren Bertha von Suttners Buch „Die Waffen nieder“ gelesen hat. Ich hatte außerdem die Kommissarin für Außenpolitik, Benita Ferrero-Waldner, eingeladen, zur Ausstellungseröffnung zu sprechen. Wenn heute eine Österreicherin für die Europäische Union aktive Außen- und Friedenspolitik – die ich in vielen Punkten teile – betreibt, so ist es aus meiner Sicht eine Frage des Respekts, sie bei einer solchen Gelegenheit einzubinden.
Neben Vertretern der österreichischen Präsidentschaft nahmen auch zahlreiche Abgeordnete und viele junge MitarbeiterInnen an der Ausstellungseröffnung teil. Ich selbst habe in meiner Rede die aktuelle Notwendigkeit von Friedenspolitik anhand von zwei Beispielen unterstrichen: dem Iran und dem Nahen Osten im Kontext des Konflikts zwischen Israel und Palästina.
Dialog mit dem Iran suchen
Ich stehe keinesfalls hinter dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, und ich finde seine Äußerungen verabscheuungswürdig. Auch seine Tendenzen in Richtung atomarer Bewaffnung kann ich nur verurteilen. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass man alles unternehmen muss, um – gerade auch im Sinne von Bertha von Suttner – einen gemeinsamen Dialog zu führen und zukunftsorientierte Lösungen zu finden. Dazu brauchen wir Respekt für dieses Land, selbst wenn uns dessen Regime missfällt. Ich habe große Angst vor einer erneuten bewaffneten Auseinandersetzung bzw. einem Angriff auf den Iran. Es würde die gesamte Region in eine äußerst diffizile Situation bringen und die Lage im Irak noch weiter verschlechtern.
In diesem Sinn fordere ich die Europäische Union auf, nicht blindlings amerikanischen Bestrebungen zu folgen, sondern auf Verhandlungen zwischen dem Iran und den USA zu pochen und eine Entspannung der momentanen Lage herbeizuführen. Das Ziel, eine weitere atomare Bewaffnung zu verhindern, sollte aufrecht bleiben. Die Iraner können zwar mit Recht die Frage stellen, warum das nicht auch im Falle Pakistans, Indiens und Israels getan wurde. Wir können aber nur eingestehen, dass das ein Fehler war und Überzeugung dafür leisten, dass jede weitere atomare Bewaffnung die Situation verschlimmern würde. Dass diese Entwicklung bei einem Regime wie dem Iran besonders problematisch ist, steht außer Frage. Aber auch im Falle Pakistans habe ich kein gutes Gefühl. Man weiß nie, welche politischen und militärischen Entwicklungen sich dort vollziehen werden.
Friedensprojekt Europa
Auch beim Nahe Osten müssen wir auf eine Verhandlungsposition pochen und auf einer Vorgangsweise beharren, die Krieg und Terrorismus ausschließt – und zwar beiden Seiten gegenüber. Die vorliegenden Vorschläge sind aus meiner Sicht zu einseitig und zu banal. Wir müssen deutlich zum Ausdruck bringen, dass Europa nicht blind den Amerikanern folgen darf und wir die Eigenständigkeit einer europäischen Position entsprechend darstellen können.
Europa ist ein Friedensprojekt. Ich bin kein Illusionist und kein Pazifist im Sinne einer Abrüstung um jeden Preis. Und trotzdem bin ich überzeugt davon, dass die friedenspolitische Orientierung für Europa nie verloren gehen darf. Krieg oder bewaffnete Auseinandersetzungen sind die allerletzten Möglichkeiten, die ergriffen werden sollten. Im Vordergrund müssen immer und ganz klar friedliche Lösungen stehen.
Brüssel, 4.5.2006