Europa ist noch längst keine Selbstverständlichkeit

Auf dem Parteitag der schwedischen Sozialdemokraten in Stockholm. 
Die Fraktion im Europäischen Parlament hat mich zum Parteitag der Sozialdemokraten nach Stockholm entsandt. Stockholm empfing mich mit strahlend blauem Himmel, aber auch mit nördlicher Kälte – kaum Spuren vom Frühling.

Pro und Contra in Sachen Euro

Hauptdiskussionspunkt am diesjährigen Parteikongreß war die Teilnahme am Euro bzw. ein mögliches Referendum darüber. Die erste Rednerin gestern nachmittag war Mae-Brit Theorin, selbst Abgeordnete im Europäischen Parlament. Die Teilnahme Schwedens an der gemeinsamen Währung bedeutet nach ihrer Ansicht einen Verzicht auf jede eigenständige Wirtschaftspolitik, die Übertragung wirtschaftspolitischer Macht an den Präsidenten der Europäischen Zentralbank Wim Duisenberg und einen Verlust an Demokratie. Wer das alles will, solle für den Euro stimmen, die anderen jedoch sollen dagegen stimmen, zumindest aber für ein Referendum.
Theorin formulierte damit die Hauptkritik am Antrag des Parteivorstandes und eröffnete zugleich den Reigen einer großen Anzahl von Rednern, die sich mehr oder weniger links und/oder nationalistisch gegen die Europäische Währung aussprachen. Viele Befürworter und Gegner des Euro waren sich aber einig in der Forderung nach einem Referendum: Angesichts des weitverbreiteten Gefühls der Einflußlosigkeit, ja Ohnmacht gegenüber den Entscheidungen von „Oben“ soll das Volk selbst entscheiden, ob es die gemeinsame Währung will oder nicht!

Referendum über gemeinsame Währung

Persönlich mag ich Mae-Brit Theorin sehr, sie ist engagiert – vor allem in der Friedensbewegung -, sie ist Vorsitzende des Frauenausschusses im Europaparlament etc. Aber als ich ihr bei einem kurzen Abendessen, das die Parteitagsdiskussion unterbrach, entgegenhielt, daß doch dieser von ihr verteidigte nationale wirtschaftspolitische Spielraum ohnedies sehr eingeengt sei und die Europäische Zentralbank in Frankfurt auch für Schweden in jedem Fall wirtschaftspolitisch relevante Entscheidungen trifft, gab sie mir keine Antwort.
Nach dem Abendessen ging die Debatte weiter. Hatten vor der Unterbrechung vor allem die Gegner des Euro den Applaus der Delegierten, so änderte sich das nach dem Essen deutlich. Der Vorsitzende der Studentenorganisation, der sich vehement für eine gesamteuropäische Wirtschafts- und Währungseinheit unter Einschluß Schwedens aussprach, bekam große Zustimmung.
Und so war schließlich auch das Abstimmungsergebnis eindeutig: zwei Drittel sprachen sich für den Euro aus, allerdings sollte zu gegebenem Zeitpunkt ein Referendum stattfinden, um der Bevölkerung das letzte Wort in dieser Angelegenheit zu geben.

Solidarische Unterstützung für Österreichs Sozaildemokratie

Am Beginn des Parteitages jedoch stand eine Rede des Parteivorsitzenden und Ministerpräsidenten Göran Persson. Sie war sehr pro-europäisch, aber auch sehr emotional, ja an manchen Stellen geradezu poetisch. Natürlich durfte auch nicht ein längerer Passus über Österreich fehlen.
Persson begründete die Unterstützung Schwedens für die „Boykottmaßnahmen“ der 14, unterstrich aber auch die Unterstützung seiner Partei für die österreichischen Sozialdemokraten in der jetzigen schwierigen Lage. Vor allem letzteres war gut zu hören, da von Unterstützung und Hilfe an diejenigen, die in Österreich selbst mit einer Teilnahme einer fremdenfeindlichen Partei an der Regierung nicht einverstanden sind, in den letzten Wochen nur wenig zu hören war.
Im übrigen findet der Parteitag im selben Saal statt wie die vor wenigen Wochen abgehaltene Holocaust-Konferenz, die angeblich der Beginn der „sozialistischen Verschwörung“ gegen die schwarz-blaue Regierung war. Allerdings berichten Augenzeugen von vielen Gesprächen, die Viktor Klima mit seinen Kollegen hatte, daß davon keine Rede sein könne.

Nach einem Besuch des vom Architekten R. Moneo entworfenen neu erbauten Museums für Moderne Kunst verließ ich das noch immer sonnige Stockholm. Schweden hat keineswegs die Probleme des heutigen Österreich, aber auch hier ist Europa ein Ziel, für das man kämpfen muß. Europa als solches ist noch immer nicht zur Selbstverständlichkeit geworden. Noch ein langer Weg ist zu gehen.

Stockholm, 11.3.2000