Europäische Eisenbahnen neu

Die Abstimmung des Verkehrsausschusses des Europaparlaments über drei Berichte zur Reform des europäischen Eisenbhanwesens. 
Heute Vormittag wurde im Verkehrsausschuss abgestimmt: Drei Berichte zur Reform des europäischen Eisenbahnwesens. Drei Gesetze auf europäischer Ebene, die sich damit beschäftigen, wurden in zweiter Lesung angenommen. Einen Bericht verfasste der Kollege Jarzembovski, der Verkehrskoordinator der EVP, die beiden anderen Berichte habe ich im Auftrag des Ausschusses verfasst. Gegenseitig haben wir sowie einige andere Kolleginnen und Kollegen eine Reihe von Abänderungsanträge eingebracht.

Von der Straße auf die Schiene

Im Zusammenhang mit dem Entwurf meiner Anträge habe ich mir natürlich überlegt, wie weit wir in europäischen Regelungen gehen und was wir gemeinsam den Ländern bzw. den Eisenbahnunternehmungen – seien es diejenigen, die die Infrastruktur bereitstellen oder diejenigen, die die Verkehrsdienste durchführen – zur eigenen Entscheidung und Durchführung überlassen sollten. Dabei war mir eines immer klar: Ich wünsche mir ein europäisches Verkehrswesen und europäische Eisenbahnen, die fähig sind, effizient und rasch Güter und Personen zu transportieren.
Das Wichtigste dabei ist der grenzüberschreitende Güterverkehr, denn es ist besonders entscheidend, den Güterverkehr weg von der Straße zu bekommen. Dabei gilt es natürlich, die Balance zu halten zwischen dem Bedürfnis, niedrige Preise anzusetzen, damit die Schiene attraktiv ist, und der Notwendigkeit, die Preise so zu gestalten, dass sie langfristig auch den Erhalt oder den Betrieb der Schiene finanzieren. Dabei meine ich, dass die Kostenentwicklung auf der Schiene und auf der Straße parallel verlaufen muss, um nicht neue Wettbewerbsnachteile zu schaffen.

Notwendige Kompromissfindung

Die Frage, wie weit die Liberalisierung geht, hat Diskussionen in unseren eigenen Reihen der Sozialdemokratie, aber auch zwischen den Fraktionen ausgelöst. Ich bin der Auffassung, dass der grenzüberschreitende Güterverkehr Vorrang hat, andere möchte heute schon festschreiben, wie die Schritte der weiteren Liberalisierung gegangen werden müssen. Noch haben wir keinen Kompromiss gefunden, noch war es einfach eine Mehrheitsabstimmung.

Wie weit darf die Liberalisierung gehen?

Eine weitere Debatte gab es rund um die Frage, ob bei den Eisenbahnen der Betrieb und die Bereitstellung von Infrastruktur getrennt werden sollen. Idealerweise sind die beiden natürlich getrennt. Denn liberalisieren heißt ja, dass sich verschiedene Eisenbahnunternehmungen und nicht nur das Bisherige Monopolunternehmen oder nationale Unternehmungen um die Durchführung von Transporten auf allen Strecken, zumindest auf allen grenzüberschreitenden Strecken Europas bewerben können. Und dann ist es natürlich ein Vorteil, wenn derjenige, der die Infrastruktur leitet, nicht gleichzeitig ein Unternehmen darstellt, das auch diese Infrastruktur durchführt, weil dabei immer die Gefahr besteht, dass man das eigene Unternehmen bevorzugt.
Auf der anderen Seite würde aber für viele Unternehmen, so die ÖBB, aber auch die DBB, eine Trennung von Infrastruktur und Betrieb organisatorische und personalpolitische Nachteile mit sich bringen. Daher bin ich skeptisch, ob eine solche Trennung wirklich erzwungen oder bloß empfohlen und nach einigen Jahren überprüft werden soll, ob es in jenen Fällen, wo keine klare organisatorische, sondern nur eine interne, bilanzmäßige Trennung durchgeführt worden ist, zu Wettbewerbsverzerrungen und zur Bevorzugung der eigenen Unternehmungen gekommen ist.
In diesem Punkt haben sich die Geister geschieden, und die Konservativen und die Liberalen haben sowohl die Trennung als auch die schrittweise, totale Liberalisierung durch ihr Stimmverhalten für sich entschieden. Allerdings ist das bisher nur die Entscheidung eines Ausschusses gewesen.

Detailfragen auf Länderebene klären

Was meinen Bericht betrifft, so bin ich im Großen und Ganzen zufrieden. Auch hier ist man etwas weiter gegangen als ich vorgeschlagen habe. Ich habe vorgeschlagen, dass sich erst ab dem Jahr 2010 jeder, ob nun Eisenbahnunternehmen oder nicht, um eine Kapazität bewerben kann. Die Mehrheit hat sich allerdings für das Jahr 2005 entschieden. Damit kann ich durchaus leben.
Mir geht es aber heute Abend, während ich über die Entscheidung von heute Nachmittag reflektiere, um etwas Anderes. Wir machen europäische Regelungen, im Konkreten europäische Gesetze. Ich habe schon bei der ersten und auch jetzt wieder bei der zweiten Lesung etliche Detailvorschriften aus dem Gesetz hinausgeschmissen, weil ich glaube, dass die Detailregelungen durchaus auch auf Länderebene getroffen werden können.

Transparenz und Übersichtlichkeit bewahren

Kollege Jarzembovski und auch ich haben übereingestimmt, dass auch die Ausnahmebestimmungen, die für einige Länder vorgesehen waren, gestrichen werden sollen, da wir doch europäische Regelungen schaffen und nicht dauernd neue Ausnahmeregeln vornehmen können, die vielleicht im Detail begründet sein mögen, letztendlich aber die Transparenz und Übersichtlichkeit der europäischen Regelungen behindern.
Eine ähnliche Debatte haben wir ja bereits vor wenigen Wochen geführt, vor dem Beschluss in der letzten Strassburgsitzung hinsichtlich der Begrenzungen der Schadstoffe bei Zigaretten und den entsprechenden Werbeverpflichtungen. Ich habe mich damals bei der Schlussabstimmung der Stimme enthalten und bei vielen Detailabstimmungen dagegen gestimmt bzw. mich ebenfalls enthalten.
Ich bin nicht dagegen, dass die EU Regeln festsetzt und vorschreibt, wie hoch der Nikotin- und Teergehalt in Zigaretten sein darf. Aber dass dies wieder mit gewissen Ausnahmen für verschiedene Länder verbunden ist, im speziellem für Griechenland, dass etwa auch der Export, der diesem Verbot widerspricht, verboten werden soll, was ja nur dazu führt, dass andere Länder in den Exportmarkt einsteigen würden, dass außerdem im Detail die Größe, Farbe und Art der Aufschrift auf den Zigarettenverpackungen hinsichtlich der Hinweise auf die Gesundheitsschädigung vorgeschrieben werden sollen, halte ich nicht für sinnvoll.

Hausverstand statt Fanatismus

Ein Europa, das solche Details vorschreibt – ob10, 20 oder 40 % der Oberfläche durch Gesundheitshinweise zu gestalten sind -, ist nicht das Europa, das ich mir vorstelle. Gleichzeitig kommt noch dazu, dass in gewissen Regionen der Anbau von Tabak durchaus noch gefördert wird. Das ist eine widersprüchliche, eine für mich, da ich ein Gelegenheitsraucher bin, nicht nachvollziehbare Haltung, die man hier an den Tag legt. Und ich meine doch, man sollte die Konsumenten nicht für einen Vollidioten halten, der nicht für sich selbst entscheiden können. Ich bin sehr für Gesundheitserziehung, ich bin auch für Hinweise, die vor gesundheitlichen Risiken warnen. Diese kann man aber minimal vorschreiben. Das Ganze muss jedenfalls mit gesundem Hausverstand und nicht mit Fanatismus erfolgen.
Ja, es ist nicht leicht Europa zu regeln und Europa neu zu gestalten und doch in jenem Rahmen zu bleiben, der für den Bürger nachvollziehbar ist und auch dem lokalen und nationalen Raum Spielräumen und Möglichkeiten der Regelung gibt.

Gefahr der Unglaubwürdigkeit

Interessant ist auch, dass der europäische Generalanwalt am europäischem Gerichtshof eine Beschwerde dagegen eingereicht hat, dass die EU Werbeverbote für Tabak verhängt hat, weil er meint, das habe mit der Grundlage der Regelung, nämlich einen gemeinsamen Markt zu schaffen, nichts zu tun. Vielleicht hat er ja Recht, aber in diesem Fall finde ich es schon etwas merkwürdig, dass man die EU auf den gemeinsamen Markt reduzieren möchte.
Ich bin sehr wohl dafür, dass gemeinsame Regelungen hinsichtlich Werbung, Gesundheitswerten und Grenzwerten geschaffen werden, aber wie gesagt, meine ich doch, dass hier mit entsprechenden Hausverstand, gerade auf europäischer Ebene, vorzugehen ist. Andernfalls werden wir dem Bürger gegenüber unglaubwürdig. Und steigern jene Fälle ins Unermessliche, wo der Bürger auf unsinnige Regelungen aufmerksam wird und hört, das seien die EU bzw. Brüssel, die diesen Unsinn fabriziert haben. 
Brüssel, 21. Juni 2000