Europäische Energieaußenpolitik

Ohne eine entsprechende Energieaußenpolitik wird Europa ganz ohne Zweifel ins Hintertreffen geraten.
In dieser Woche beschäftigten wir uns im Europäischen Parlament einmal mehr mit der Energiefrage.

Gemeinsame Energiepolitik erarbeiten

Gemeinsam mit meinen KollegInnen Jan Marinus Wiersma und Pasqualina Napolitana hatte ich zu einem Gespräch über die Möglichkeiten einer europäischen Energieaußenpolitik eingeladen. Jan Marinus Wiersma und ich haben vor kurzem ein Papier verfasst, in dem wir erste Gedanken zu diesem Thema skizziert haben. Ausgangspunkt unserer Überlegungen waren einerseits die immensen Preissteigerungen bei Erdöl und Erdgas, andererseits der Versuch Moskaus bzw. Gasproms, politischen Druck über Energiepolitik auszuüben.
Das hat bei einigen im Europäischen Parlament, insbesondere bei KollegInnen aus Polen und den baltischen Staaten, dazu geführt, sogar eine Energie-Nato anzustreben. Dieser Begriff ist an und für sich schon sehr unglücklich: es geht nicht um Feindschaft, sondern um eine stabilisierte, gleichberechtigte Partnerschaft mit jenem Land, das für die Energieversorgung Europas insgesamt, aber vor allem einiger Länder wie Deutschland, aber auch Österreich eine große Bedeutung hat. Aus unserer Sicht muss jedenfalls wesentlich intensiver an der Herstellung einer gemeinsamen Energiepolitik gearbeitet werden – mit all den verschiedenen Elementen, die es in diesem Bereich gibt. Ohne eine entsprechende Energieaußenpolitik wird Europa ganz ohne Zweifel ins Hintertreffen geraten.

Steigerung der Energieeffizienz

Im Vordergrund jeglicher Energiepolitik muss ganz unmissverständlich der Versuch stehen, die Energieeffizienz zu steigern. Erst kürzlich las ich – interessanterweise in dem äußerst wirtschaftsorientierten Wall Street Journal -, dass die Bank für Wiederaufbau und Entwicklung EBRD folgendes festgestellt hat: Würden die ehemaligen Staaten aus dem Ostblock inklusive der Sowjetunion im Durchschnitt auch nur jenes Niveau an Energieeffizienz erreichen, das derzeit in Westeuropa herrscht, dann könnte man über 7% der Energie einsparen. Auch bei uns gibt es noch ein großes Potenzial an Energieeinsparungsmöglichkeiten, und dieses muss in den nächsten Jahren entsprechend genützt werden.

Alternative Energieformen

Über die Steigerung der Energieeffizienz hinaus – zu der es ja bereits etliche Vorschläge der Europäischen Union und entsprechende Gesetze gibt – gilt es vor allem, nachhaltige alternative Energieformen zu entwickeln. Hier ist in erster Linie die Wasserkraft zu nennen. Österreich hat einen sehr großen Anteil an Wasserkraft, auf andere Länder trifft das weniger zu. Aber auch in Österreich gibt es Begrenzungen für eine Weiterentwicklung der Wasserkraft. Darüber hinaus geht es um Sonne, um Luft und in Ländern, die am Meer liegen, um Wellen oder Gezeitenkraftwerke. Diese Energieformen haben den Nachteil, dass sie von den Wetterbedingungen abhängig sind: vom Wellengang über die Windstärke bis hin zur Intensität der Sonneneinstrahlung. Sie sind in diesem Sinn wenig geeignet, eine kontinuierliche Versorgung zu gewährleisten, stellen aber dennoch eine wichtigen Aspekt der Energieversorgung dar und nehmen gerade auch in Ländern wie Deutschland und Österreich einen steigenden Anteil ein. Generell ist in der EU vorgesehen, dass ihre Anteile entsprechend gesteigert werden.

Energieform Kohle

Auch die Kohle spielt eine Rolle. Sie hat heute im Vergleich zur Zeit vor 20 oder 30 Jahren zwar einen geringen Stellenwert, mit ihr könnten aber unter Umständen so genannte „clean coal technologies“ entwickelt werden – vor allem dann, wenn ihr das CO2 entzogen und entsprechend gelagert wird. Es handelt sich dabei um schwierige technische Prozesse, die aber nicht verhindern, dass die Kohle als Energieform eine Zukunft haben wird.

Umstrittene Atomenergie

Bleibt schließlich die Atomenergie – ein insgesamt heiß umstrittenes Thema. Für die ÖsterreicherInnen ist die Atomenergie ein Tabuthema, es ist fast unmöglich, bei uns darüber zu diskutieren. Die ganz große Mehrheit in unserem Land spricht sich sehr klar gegen die Verwendung von Atomenergie aus. In anderen Ländern ist es ganz anders. Man steht der Atomenergie neutral bis manchmal sogar positiv gegenüber – wenngleich ich davon ausgehe, dass der Großteil der Bevölkerung immer eher skeptisch ist.
Im Rahmen unserer Energiediskussionen führten wir vor kurzem auch eine Debatte über die Atomenergie. Viele Anwesende wiesen darauf hin, wie sauber diese Energieform ist und wie gut sie langfristig eingesetzt werden kann. Man führte zudem ins Treffen, dass Atomenergie die Verwendung von Erdgas zur Erzeugung von Strom reduzieren kann.

Safety und Security

Über die verschiedenen Aspekte der Atomenergie gibt es einen langen Streit. Am gravierendsten sind jedenfalls zwei Sicherheitsprobleme: zum einen die Sicherheit der Anlagen als solches, die so genannte „safety“, und zum anderen die Frage der Sicherheit gegenüber einer Weiterverbreitung und einer nicht friedlichen Nutzung der Atomenergie, die so genannte „security“. Auch die Frage der Zwischen- und Endlagerung darf nicht außer Acht gelassen werden.
Kürzlich gab es eine Diskussion darüber, inwieweit Österreich berechtigt war, zuzustimmen, dass mehr Gelder in die Atomforschung fließen. Es geht hier primär um die so genannte Kernfusionsforschung, die weitgehend als unbedenklich angesehen wird, sowie um Investitionen in die „safety“ und zum Teil auch in die „security“, der friedlichen Nutzung von Atomenergie.

Atomenergie am Vormarsch

De Facto muss man davon ausgehen, dass Atomenergie wieder an Bedeutung gewinnt. In Finnland wird gerade ein neues Kraftwerk gebaut. Und auch die Engländer und Franzosen werden voraussichtlich neue Kraftwerke errichten. Wie die Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten in Deutschland sein wird, ist noch unklar. International bietet sich ein noch viel gravierenderes Bild. China und Indien sind dabei, die Atomenergie massiv auszubauen. Ganz zu schweigen vom Iran und einigen anderen Ländern.
Ich habe mich daher – bei allem Für und Wider – entschieden, durch meine Abänderungsanträge im Europäischen Parlament bei den entsprechenden Kapiteln der Forschungsbudgets dafür zu sorgen, dass die Sicherheit im umfassenden Sinne von „safety“ und „security“ das tatsächliche Ziel der Forschungstätigkeit ist.

„Sicherere“ Atomkraftwerke

Man kann zweifellos argumentieren, dass jegliche Aktivitäten au diesem Gebiet letztendlich zu weiteren Atomkraftwerken führen. Aber wenn es „sicherere“ Atomkraftwerke gibt, gibt es vielleicht auch eine größere Bereitschaft der Bevölkerung zu akzeptieren, dass die Atomkraft ausgebaut wird. Jene, die die Atomkraft ausbauen wollen, werden dies ohnehin tun. Daher müssen wir alle dafür sorgen, dass das Risiko auf ein Minimum reduziert wird.
Ich gehe davon aus, dass seitens der Atomlobby, aber auch von Wissenschafts- und Wirtschaftszweige sowie den Medien zumindest in einigen Ländern Druck zum Ausbau der Atomenergie ausgeübt werden wird. Russland beispielsweise hat sich entschlossen, ein großer Dienstleister auf diesem Gebiet zu sein. Ob es optimal ist, dass gerade Russland diese Rolle übernommen hat, sei dahingestellt.

Abhängigkeit reduzieren

Es zeigt sich also, dass es nicht darum gehen kann, lediglich ein Element zu betonen, um die Abhängigkeit von Öl und Erdgas zu reduzieren. Es sind viele Elemente, an erster Stelle die Steigerung der Energieeffizienz. Die nachhaltigen, umweltfreundlichen und risikominimierenden Elemente der Energie müssen ausgebaut werden. Nur durch eine derart kombinierte Strategie kann die Abhängigkeit von Erdöl und Erdgas reduziert werden.

Die außenpolitische Dimension

Die Ursprungsländer bzw. Lieferanten von Erdöl und Erdgas sind – bei aller Unterschiedlichkeit der beiden Märkte – auf einige Regionen und Länder konzentriert, in denen noch dazu zumeist eine prekäre politische und wirtschaftliche Lage herrscht. Besonders relevant ist in diesem Zusammenhang Russland, der größte Erdöl- und Erdgaslieferant für Europa – wenngleich das auf einige Länder in geringerem Ausmaß zutrifft. Die Niederlande beispielsweise haben eigene Ressourcen, die südlichen Länder können auf Ressourcen aus Algerien zurückgreifen. Aber insgesamt ist Russland doch der dominierende Versorger.
Hinzu kommt der Nahe Osten im weiteren Sinn des Wortes, inklusive Saudi-Arabien. Auch die Kaspische Region und Afrika spielen eine Rolle. Ebenso wie Lateinamerika mit den gerade jetzt herrschenden politischen Turbulenzen in Zusammenhang mit der Politik der beiden Staatschefs Hugo Chavez von Venezuela und Evo Morales von Bolivien, die die Energieressourcen stärker für eigene wirtschaftliche und zum Teil politische Aspekte einsetzen wollen.

Große und kleine Produzenten

Bei den Produzentenländern in Afrika, Lateinamerika und teilweise auch in Asien handelt es sich um kleine „player“. Angesichts der aktuellen äußerst knappen Energiesituation können aber auch diese kleineren Produzenten bzw. politisch heikle Entwicklungen in diesen Ländern Auswirkungen auf den Ölpreis und die globale Ölversorgung haben. Das hat nicht zuletzt Hurrikan Catharina in den USA gezeigt. Er zerstörte Raffinerien in einer Region, in der es ohnehin voll ausgelastete Kapazitäten gibt.
Die Tatsache, dass es große und kleine Produzenten gibt, sagt also noch nichts über die Problematik von politischen Entwicklungen aus. Zugegeben, in größeren Ländern haben diese auch größere Auswirkungen Aber inzwischen verursachen auch Produktionsstopps und -reduzierungen in kleineren Ländern größere Auswirkungen auf die Versorgungs- und Preissituation.

Player Russland

Die schwierigste Herausforderung für unsere Energieversorgung ist die Rolle Russland. Es gibt unterschiedliche Strömungen. Die einen plädieren dafür, von dieser Abhängigkeit loszukommen, Russland die kalte Schulter zu zeigen und stattdessen die Menschenrechtslage wie auch den Konflikt mit Tschetschenien permanent anzuprangern.
Andere mahnen zur Vorsicht und halten Russland zu Gute, dass es immer rechtzeitig dafür gesorgt hat, dass Erdgas und Erdöl zur Verfügung stehen. Wirtschaftliche und menschenrechtliche Frage sollen aus ihrer Sicht nicht allzu sehr miteinander vermischt werden. Sie warnen davor, unsere Energieversorgung zu gefährden, indem wir eine antirussische Politik betreiben.

Dem russischen Bären nicht auf den Schwanz treten

Aus meiner Sicht gilt es, einen Mittelweg zwischen den einzelnen Strömungen zu finden. Es ist unsinnig, in einer derartigen Abhängigkeit bei der Energieversorgung dem russischen Bären permanent auf den Schwanz zu steigen. Das bedeutet aber nicht, dass wir gegenüber inneren politischen Entwicklungen oder dem Krieg in Tschetschenien unkritisch sein sollten. Man muss allerdings mit dem entsprechenden Taktgefühl vorgehen.
Diese Woche hat beispielsweise eine Gruppe von liberalen Abgeordneten zu einem Treffen mit dem früheren russischen Premierminister, der von Putin ein- und in der Folge wieder abgesetzt worden ist, eingeladen. Michail Michailowitsch Kassjanow ist ein scharfer Kritiker der inneren Entwicklung Russlands. Aber er ist ein ebenso scharfer Kritiker der Nato-Erweiterung. Aus seiner Sicht ist diese höchst eigenartig, es sei denn, sie dient dem Zweck, den Markt für Rüstungsgüter zu vergrößern – was zweifellos ein treibendes Element insbesondere der USA ist.

Schwierige Kooperation

Die demokratischen Kräfte der Reformen in Russland müssen ohne jeden Zweifel gestärkt werden. Parallel dazu sollte man aber unbedingt versuchen, mit Russland eine vernünftige Kooperation einzugehen. Eine solche Kooperation ist zugegebenermaßen sehr schwierig.
Ich habe unter anderem gestern mit einem Vertreter von British Petrol darüber gesprochen. Wie kann man zusammenarbeiten, wenn eine monopolistische staatliche Struktur auf der einen Seite einer vielfältigen privaten Struktur auf der anderen Seite gegenübersteht? Der Vertreter von British Petrol meinte, dass auch im Westen die staatlichen und die privaten Interessen nicht so klar getrennt seien. Die einzelnen Staaten würden zudem versuchen, ihren jeweiligen Energieträgern ein entsprechendes Entree zu verschaffen.

Partnerschaftlichere Politik

Es ist äußerst schwer, in Russland zu investieren. BP ist der größte Auslandsinvestor auf dem Energiesektor, aber auch dieser Konzern hat es nicht leicht. Es gibt viele Beschränkungen und Grenzen. Dennoch bin ich überzeugt, dass die Zukunft der Zusammenarbeit mit Russland gehören muss.
Gerade wir im Europäischen Parlament, aber auch alle anderen, sollten dabei aber nicht verschweigen, dass Russland große außenpolitische Fehler begeht, wenn es den Nachbarn gegenüber unfair und nach wie vor imperialistisch auftritt. Es gilt einen Weg zu suchen und zu finden, wie Russland aus eigener Einsicht und eigenem Interesse seinen Nachbarn gegenüber eine offenere, freundschaftlichere und insgesamt partnerschaftliche Politik betreibt.

Die anderen

Über die übrigen Regionen gibt es nicht viel zu sagen. Beim Nahen Osten ist die Problematik offensichtlich, gerade auch hinsichtlich des Iran. Ich hoffe, dass es doch noch möglich sein wird, diese Krise zu überwinden und dass sich die Amerikaner letztendlich doch dazu durchringen, einen Dialog mit dem Iran einzugehen und dieses große und wichtige Land als einen zentralen Faktor zu anzuerkennen. Auch hier geht es nicht darum, die Regierung zu akzeptieren und gutzuheißen, was Präsident Ahmadinedschad von sich gibt. Man muss vielmehr dem Land und der Bevölkerung zeigen, dass sie bei allen politischen Differenzen respektiert werden und dass man daran arbeitet, eine friedliche Lösung zu finden.
Lateinamerika ist gerade jetzt aufgrund der einzelnen Verstaatlichungsmaßnahmen interessant – man könnte auch sagen aufgrund der Versuche vieler lateinamerikanischer Länder, für sich größere Gewinne aus dem Erdöl- und Erdgasgeschäft zu ziehen. Bleibt zu hoffen, dass die lukrierten Gelder auch vernünftig investiert werden.

Transparenzinitiative

Dieses Problem haben wir in Zusammenhang mit Lateinamerika, aber auch mit Afrika ausführlich diskutiert. Wir hatten einen Vertreter von Global Witness eingeladen. Diese Nichtregierungsorganisation untersucht das Verhalten großer Unternehmungen und der Staaten, die damit verbunden sind, insbesondere in Zusammenhang mit der Energiefrage. Es gab auch eine Transparenzinitiative des britischen Premierministers, die jetzt langsam umgesetzt wird.
Der Vertreter von British Petrol, mit dem ich gesprochen hatte, bestätigte, dass auch sein Unternehmen sich penibel daran hält zu publizieren, was sie an den Staat zahlen, indem sie Erdöl oder Erdgas gewinnen. Auf diese Weise ist, zumindest für jene, die sich intensiv damit beschäftigen, nachvollziehbar, was von dem Geld in welche Kanäle fließt. So wird transparent, welche Summen in private Taschen und welche in öffentliche Budgets fließen, was zur Abdeckung von laufenden Ausgaben dient und was in die Erziehung und Bildung sowie in die Infrastruktur, etc. investiert wird.

Zum Wohle aller

Diese Transparenzinitiative ist sehr wichtig, auch wenn sie nicht leicht umzusetzen ist. In einigen Ländern dürfte es große Fortschritte gegeben haben – von Angola bis Aserbaidschan. Auf andere Länder trifft das gar nicht oder nur teilweise zu. Sie müssen zwar publizieren, was sie bekommen, sind aber nicht bereit offen zu legen, was sie dann mit dem Geld machen. Das ist für uns allerdings eine äußert wichtige Frage. Gerade als sozialdemokratische Fraktion können wir nicht dulden, dass Korruption und Misswirtschaft gefördert werden. Wir sind absolut dafür, dass Länder, in denen Erdöl und Erdgas gewonnen wird, auch entsprechend davon profitieren. Aber es sollte die gesamte Bevölkerung sein, die einen Nutzen zieht und nicht nur eine kleine elitäre Schicht.
Wenn wir dazu beitragen können, dass es dazu kommt, wäre das ein zentraler Schritt. Es geht ja auch darum, im Zuge der Wirtschaftsentwicklung die menschenrechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte zu entwickeln. Und dass in einigen Ländern, in denen Erdöl und Erdgas gewonnen wird, besonders große Armut und Korruption herrschen, ist nicht nur extrem problematisch, sondern äußerst skandalös.

Diversifikation

Wir haben uns außerdem ausführlich mit der Frage der Diversifikation beschäftigt. Dabei geht es um die Auf- und Verteilung der Zuleitung von Erdgas und Erdöl nach Europa, um die Abhängigkeit zumindest zu streuen. Wir können Abhängigkeiten oder Risiken nicht generell vermeiden. Aber wir können versuchen, das Risiko durch einen verstärkten Ausbau der Infrastruktur, aber auch durch den Bau von Häfen für verflüssigtes Erdgas, zu streuen.
Bei unseren Gesprächen hat sich herauskristallisiert, dass wir voraussichtlich ein Übermaß an Infrastruktur benötigen, um entsprechend jonglieren und auch Druck auf die Produzentenländer ausüben zu können. Gesetzt den Fall, es gibt Probleme mit einem Produzentenland und wir könnten nicht ausweichen, weil die Kapazitäten gegenüber anderen Regionen ohnedies voll ausgeschöpft sind, wäre das sehr problematisch.

Wir brauchen den öffentlichen Sektor

Insgesamt zeigt sich in dieser Debatte, dass man gerade beim Energiesektor Privates nicht von Öffentlichem trennen kann. Wir brauchen den öffentlichen Sektor, um eine langfristig vernünftige Energiepolitik betreiben zu können. Das Verhältnis zwischen dem öffentlichen Sektor und den einzelnen Energieunternehmungen in den unterschiedlichen Formen – von den Erdöl und Erdgas produzierenden bis hin zu den Strom produzierenden Gesellschaften – ist zweifellos schwierig. Diese oft wichtigen und großen Unternehmungen sind über Europa und die ganze Welt verstreut, die einzelnen Länder können nicht auf sie zugreifen.
Es gibt aber bereits, wenn auch sehr schwache, Ansätze einer europäischen Energiepolitik. Die Kompetenz liegt nur in Teilbereichen bei der Europäischen Union, sodass der Kommissionspräsident und der Energiekommissar nur eine relativ geringe Einflussmöglichkeit auf die großen energiepolitischen Fragen haben und sehr eng mit den einzelnen Ländern mit ihren jeweils verschiedenen Energieversorgungsstrukturen zusammenarbeiten müssen.

Mehr Einfluss für Europa

Dennoch muss man eine Richtung einschlagen, bei der Europa mehr Möglichkeiten zur Einflussnahme gegeben werden – das ist letztendlich auch der Zweck all unserer Diskussionen. Bei aller Wahrung der unterschiedlichen Situationen in den einzelnen Mitgliedsländern glaube ich dennoch, dass wir verstärkt europaweit auftreten und uns auf Grundsätze einigen können, wie unsere Energiepolitik in Zukunft zu entwickeln ist und wie wir insbesondere dem Nachhaltigkeits- und Umweltaspekt größeres Augenmerk schenken können.
Die Reduktion der Abhängigkeit von Erdöl und Erdgas steht ebenfalls ganz im Vordergrund, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau in den einzelnen Ländern. Wir werden es nicht ändern können, dass Atomenergie in Frankreich einen sehr hohen Stellenwert hat. Aber wir bieten in Österreich mit Wasserkraft und anderen nachhaltigen Ressourcen eine Alternative – zumindest für unser eigenes Land und vielleicht auch mit Argumenten für andere Länder.

Brüssel, 10.5.2006